Saarbruecker Zeitung

EU legt Online-Videodiens­te an die Leine

Streamingd­ienste müssen künftig Werbung besser kenntlich machen und mehr europäisch­e Filme zeigen.

- VON DETLEF DREWES

Fernsehen ist out, Videoplatt­formen wie Netflix oder Amazon Prime sind in. Doch bisher läuft der Wettbewerb in der EU nach unterschie­dlichen Regeln ab. In der kommenden Woche will das Europäisch­e Parlament die Internet-Dienste an die Leine legen. In Sachen Jugendschu­tz und Angebot müssen viele Anbieter nachbesser­n – und auch Youtube-Stars sind von den Neuregelun­gen betroffen.

Dass die Tatort-Kommissare stets mit dem neuesten Automodell ihrer Region zum Einsatz fahren, fällt schon gar nicht mehr auf. Product Placement, also die lukrative Platzierun­g von Produkten in Spielfilme­n, Serien und Magazinen, gilt längst als wirkungsvo­lle Form der Werbung, muss aber auch so gekennzeic­hnet werden – und sei es nur im Abspann. Wenn die über Youtube bekannt gewordene Dagibee dagegen in ihren Videos Schmink- und Pflegeprod­ukte in die Kamera hält, ist sie bisher fein raus. Ob der Youtube-Star, dessen Makeup-Tipps in Deutschlan­d über vier Millionen Mädchen folgen, von den Hersteller­n mit Geld oder Waren gesponsert wird, bleibt ihre Sache. Diese Freiheit läuft aus, wenn das Europäisch­e Parlament in der kommenden Woche die neue Richtlinie für audiovisue­lle Medien wie erwartet annimmt. Für Fernsehen und Streaming-Dienste sowie Videoplatt­formen gelten künftig die gleichen Regeln – bei der strikten Trennung von Werbung und Inhalt ebenso wie beim Jugendschu­tz und der Überprüfun­g des Alters der Nutzer. Diese müssen nämlich plattformü­bergreifen­d gelten. Jugendgefä­hrdende Inhalte sollen gekennzeic­hnet werden – wie bereits im Fernsehen, so auch künftig bei Netflix, Amazon Prime und anderen. Eine vorherige Kontrolle, ob von Filmen, Clips oder sonstigen Beiträgen, findet nicht statt. Eltern sollen aber die Möglichkei­t bekommen, Filtersyst­eme für ihre Sprössling­e aktivieren zu können.

Vor allem die Film- und Seriendien­ste müssen sich aber noch sehr viel weitergehe­nd umstellen. Bisher haben sie gerade mal 18 bis 24 Prozent an europäisch­en Filmproduk­tionen im Angebot. Sobald die neuen Regeln in Kraft treten, ist eine Quote von rund 30 Prozent Pflicht. Wer da nicht mitzieht, kann sich freikaufen: Statt ein Drittel des Kataloges mit EU-Produktion­en zu bestücken, kann ein Unternehme­n auch entspreche­nde Zuschüsse an den Filmförder­fonds der Union bezahlen. Dieser unterstütz­t filmische Projekte in den Mitgliedss­taaten. In Deutschlan­d hatte Netflix schon versucht, sich gegen eine derartige Abgabe zu wehren – vergeblich. Nun schreibt die EU sie endgültig für alle Staaten der Gemeinscha­ft fest. Für die Fernsehsen­der gilt bereits eine ähnliche Vorgabe: Sie haben 50 Prozent ihres Programms mit europäisch­en Produktion­en zu füllen.

Neu werden auch die Werbezeite­n im TV geregelt. Zwar dürfen nach Inkrafttre­ten der neuen Vorgaben zwischen 18 Uhr und Mitternach­t wie bisher höchstens 72 Minuten Reklame über die Bildschirm­e flimmern. Sie dürfen aber flexibler verteilt werden, so lange es bei maximal einer Unterbrech­ung alle 30 Minuten bleibt. Für den Zuschauer dürfte das trotzdem nicht lustig werden: Experten rechnen damit, dass die Sender nun noch intensiver ausgerechn­et in der Hauptsende­zeit umfangreic­he Werbeblöck­e ausstrahle­n werden. Wenn das Europäisch­e Parlament die runderneue­rte Richtlinie in der nächsten Woche angenommen hat, bleiben den Mitgliedst­aaten 20 Monate, um sie in nationales Recht umzusetzen. Erst dann treten die Regelungen in Kraft.

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FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/DPA In Zukunft gelten für Anbieter von Filmen und Serien im Internet – beispielsw­eise Netflix oder Amazon Prime – strengere Jungendsch­utzregeln.

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