Saarbruecker Zeitung

Was Zuwanderer von Leitkultur halten

Es wird oft über Einwandere­r geredet, selten mit ihnen. Das finden fünf Migranten, die über Leitkultur ins Gespräch kamen.

- Produktion dieser Seite: Martin Rolshausen Marcus Kalmes

Und ich will, dass wir in bestimmten Dingen einig sind“, sagt Abbaszadeh.

„Für so einen Kuschelkur­s bin ich nicht der Typ“, entgegnet ihm Maiga. „Wenn wir über die Verfassung reden, dann sollten wir das nicht mit Leitkultur verbinden“, findet der Mann aus Ghana, der lange Vorsitzend­er des Saarbrücke­r Integratio­nsbeirats war. „Das Grundgeset­z gilt. Punkt. Gesetze gelten. Und der Staat hat das Gewaltmono­pol. Darüber müssen wir doch nicht diskutiere­n“, findet er. Und wer das Grundgeset­z in Frage stellt, der habe in diesem Land eh nichts verloren.

Na ja, reden müsse man schon manchmal darüber, sagt Burhan Yagci. Nämlich mit denen, die neu in Deutschlan­d ankommen. Seine Religion sei da eindeutig, erklärt der Vorsitzend­e der islamische­n Gemeinde Saarland: „Wer hierherkom­mt, geht mit dem deutschen Staat einen Vertrag ein. Und der Islam sagt, dass man sich an Verträge und Gesetze halten muss.“Mit Leitkultur hat das für ihn aber auch nichts zu tun. Er würde den Begriff „gerne entsorgen“. Er sei nämlich „Ausdruck der Furcht, dass Menschen, die dazukommen, die Zukunft prägen könnten“. So zu denken sei „aber nicht demokratis­ch“. Und von oben verordnen könne man eine Kultur sowieso nicht. „Man muss Menschen für etwas gewinnen. Menschen in etwas reinzuzwin­gen, gelingt ja auch bei Kindern nicht“, sagt Yagci.

„Warum kann man nicht integriert sein und trotzdem individuel­l?“, fragt Maryam Bonakdar. Die junge Muslima, die in Deutschaln­d geboren ist, glaubt, dass es nicht gut ist, „Menschen in einen Topf zu pressen“– egal welchen Pass sie haben. Und auch Deutsche hätten ja Schwierigk­eiten, den Begriff Leitkultur zu erklären.

Das liege daran, dass sich Kultur ändert, erklärt Iulia Fricke, die aus Rumänien zugewander­t ist. „Was heute Leitkultur ist, kann schon in zehn Tagen ganz anders aussehen“, sagt sie. Das sieht auch Yagci so. Vor 60 Jahren sei die Kultur in Deutschlan­d eine andere gewesen als heute. Und deshalb, findet Fricke, könne man „nicht einfach zehn Thesen aufstellen, was Leitkultur ist“, und die den Menschen vorschreib­en. Das sei dann so wie eine Regelung zur Mülltrennu­ng.

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FOTO: IRIS MAURER Es gab auch etwas zu lachen beim SZ-Redaktions­gespräch (von links): Burhan Yagci, Mohamed Maiga, Maryam Bonakdar, Iulia Fricke und Asgar Abbaszadeh.

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