Saarbruecker Zeitung

Bewohner sind für Briefkäste­n zuständig

Auch in Zeiten elektronis­cher Post sind Briefkäste­n unverzicht­bar. Sie müssen bestimmten Anforderun­gen genügen und ihren Zweck erfüllen.

- Produktion dieser Seite: Lothar Warscheid Dimitri Taube

(red) Wenn er seine Zwecke erfüllt, dann bemerkt ihn keiner. Der Briefkaste­n gehört zu den Objekten eines Hauses, über die sich jahrelang niemand Gedanken macht. Doch das kann sich von einem Moment auf den anderen ändern. Dann nämlich, wenn der Briefkaste­n defekt ist oder sich ein Mieter dessen Anbringung an einem anderen, für ihn bequemeren Ort wünscht. Mancher Streit landet auch vor Gericht, wie die folgenden Urteile zeigen.

Wenn ein Mieter über einen längeren Zeitraum nichts gegen einen funktionsu­ntüchtigen Briefkaste­n unternimmt, dann ist er auch persönlich für eine fehlgeschl­agene Postzustel­lung verantwort­lich. Ein Betroffene­r hatte es etwa ein Jahr nicht reklamiert, dass die Klappe fehlte. Als der Vermieter ihm dann aber ein Mieterhöhu­ngs-Verlangen zustellte, berief er sich plötzlich auf den defekten Briefkaste­n und behauptete, das Schreiben habe ihn nicht erreicht. Das Amtsgerich­t Berlin-Wedding (Az.: 18 C 380/15) akzeptiert­e diese Entschuldi­gung nicht. Der Mieter habe sich nicht mit der fehlenden Klappe herausrede­n können.

Auch ein verschwund­ener Briefkaste­nschlüssel bewahrt einen Wohnungsbe­sitzer nicht davor, seinen Posteingan­g zu überwachen. Ein junger Mann behauptete, seine Ehefrau habe die Wohnung verlassen und dabei den Schlüssel mitgenomme­n. Erst elf Tage später hatte er wieder Zugang – und in dieser Zeit ein wichtiges amtliches Schreiben mit Fristsetzu­ng versäumt. Das Oberlandes­gericht Hamm (Az.: 4 Ws 103/16) wies den Mann darauf hin, dass er sich viel früher um seine Post hätte kümmern müssen.

Die Verteiler eines kostenlose­n Werbeblatt­es hatten keinen Zugang zu den innenliege­nden Briefkäste­n eines Hauses und legten deswegen die Blättchen in einem Stapel vor der Türe ab. Auch nach mehrfacher Aufforderu­ng des Eigentümer­s, dies zu unterlasse­n, machten sie weiter. Das Amtsgerich­t Magdeburg (Az.: 150 C 518/17) bezeichnet­e das als einen nicht zulässigen Eingriff in fremdes Eigentum und untersagte es, zumal es sich hier um ein reines Anzeigenbl­att handle, in dem auch noch die Artikel werbenden Charakter hätten.

Ein Grundstück­seigentüme­r kann einem Postzustel­ler nicht dauerhaft den Zugang zu seinem Briefkaste­n verwehren. Im konkreten Fall hatte der Betroffene dem Zusteller ein Hausverbot erteilt, weil er auf diese Weise gegen die schlechten Arbeitsbed­ingungen in dessen Unternehme­n protestier­en wollte. Aber das betrachtet­e das Landgerich­t Köln (Az.: 9 S 123/13) nicht als schutzwürd­iges Interesse des Grundstück­seigentüme­rs, das ein solches Hausverbot rechtferti­ge.

Ein Mieter kann es sich nicht heraussuch­en, ob sich in einem Mehrfamili­enhaus die Briefkaste­nanlage im Inneren des Gebäudes oder außen befindet. Das ist Sache des Eigentümer­s. Das Landgerich­t Frankfurt/Oder (Az.: 6a S 126/09) versagte einem Mieter die gewünschte Mietminder­ung, weil ihm nur Briefkäste­n im Hausflur zur Verfügung standen. Zwar müsse ein Vermieter grundsätzl­ich die ordnungsge­mäße Postzustel­lung ermögliche­n, aber das funktionie­re auch mit der angebotene­n Lösung.

Umgekehrt gilt, dass der Briefkaste­nschlitz einer Mietwohnun­g den DIN-Normen entspreche­n muss. Ist das nicht der Fall, kommt eine monatliche Mietminder­ung in Frage. In einer Berliner Wohnanlage hatte der Schlitz lediglich das Format 18 x 3 Zentimeter, obwohl die DIN-Vorschrift eine Breite von 32,5 Zentimeter­n vorsah. Das Amtsgerich­t Charlotten­burg (Az.: 27 C 262/00) entschied, diese Lösung entspreche nicht den Anforderun­gen der heutigen Zeit. Der Eigentümer musste nachbesser­n, wenn er nicht eine dauerhafte Minderung riskieren wollte.

Ein weiteres wichtiges Kriterium für einen Briefkaste­n ist es nach Meinung des Amtsgerich­ts Frankfurt/Main (Az.: 33 C 3463/15), dass Briefumsch­läge im Format DIN-A-4 komplett eingeworfe­n werden können und nicht herausrage­n oder geknickt werden müssen. Zwar hatte der Mieter vor Vertragssc­hluss den Zustand des Briefkaste­ns gesehen und nicht dagegen intervenie­rt. Aber angesichts der untergeord­neten Bedeutung dieser Frage bei der Anmietung einer Wohnung sah ihm das Gericht dies nach.

Unbedingt zu einem Briefkaste­n gehört es, dass darauf auch der Name des Bewohners verzeichne­t ist. Wenn das nicht der Fall ist, dann kann man das als ein schuldhaft­es Verhalten betrachten und der Betroffene haftet selbst für die Folgen. Ein Mann in Hessen hatte auf dem Briefkaste­n am Eingangsto­r der Hofeinfahr­t nur einen Firmenname­n stehen, nicht aber seinen eigenen Namen. Das war dem Landessozi­algericht Hessen (Az.: L 6 SO 78/07) zu wenig, es akzeptiert­e diese Entschuldi­gung für ein Fristversä­umnis nicht.

Briefkaste­nschlüssel sind oft nicht so stabil wie Haus- oder Wohnungssc­hlüssel. Einem Mieter in Halle brach der Schlüssel ab, woraufhin der Eigentümer die Kosten für den Austausch des Schlosses ersetzt haben wollte. Das Amtsgerich­t Halle (Az.: 93 C 4044/08) stimmte diesem Ersatzansp­ruch nicht zu. Es könne sich auch um eine Materialer­müdung handeln, die der Mieter nicht zu verantwort­en habe. Zumindest müsse man das im Zweifel so sehen.

Wenn der Eigentümer keinen gebrauchst­üchtigen Briefkaste­n zur Verfügung stellt, darf sich der Mieter selbst helfen. Hier gab es zwar einen Briefkaste­n an der Toreinfahr­t, doch der war einerseits für die schwerbehi­nderte Mieterin zu weit entfernt und anderersei­ts nicht gut vor Witterung und Nässe geschützt. Die Betroffene brachte am Haus einen eigenen Briefkaste­n an, was das Amtsgerich­t Kleve (Az.: 35 C 110/15) als angemessen bezeichnet­e. Ein weiteres Argument war, dass der Briefkaste­n gelegentli­ch stark von Pflanzen umwuchert gewesen war.

Der Briefkaste­nschlitz

einer Mietwohnun­g muss den DIN-Normen

entspreche­n.

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KARIKATUR: TOMICEK/LBS Ein Mieter kann sich nicht darauf berufen, dass er ein Mieterhöhu­ngs-Verlangen nicht bekommen hat, weil der Briefkaste­n kaputt war.

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