Saarbruecker Zeitung

Die kleinen Freuden des Alfred Biolek

Der 84-Jährige war ein Vierteljah­rhundert im Fernsehen präsent. Heute lebt er zurückgezo­gen – und genießt Desserts.

-

Mit „Alfredissi­mo“etablierte er 1994 eine der ersten Kochshows.

Mittlerwei­le kocht er schon seit Jahren nicht mehr. „Ich bin 84, da ist das einfach zu mühsam.“Aber er hat seine gesammelte­n Rezepte, 600 an der Zahl, der Nachwelt hinterlass­en, in einem dicken Band mit vergoldete­n Seiten: „Die Rezepte meines Lebens.“Jetzt im Alter habe er eine neue Vorliebe für Desserts und Kuchen entwickelt, erzählt er – und greift zu einem „Amerikaner“mit Zuckerguss.

Ein schwerer Treppenstu­rz hat 2010 sein Leben verändert. Er lag im Koma, wusste danach nicht mehr, wer er war. Scott las ihm seine eigenen Memoiren vor, so kam die Erinnerung zurück. Seitdem lebt Alfred Biolek sehr zurückgezo­gen. Der einst unermüdlic­he Reisende verlässt Köln heute nicht mehr. Sein Tagesablau­f ist immer gleich. Er steht nicht vor neun Uhr auf, frühstückt im Morgenmant­el. Danach legt er sich noch mal auf die Couch. Mittags schaut Scott vorbei, und er isst ein Häppchen, „was Süßes“. Nachmittag­s kommt oft ein Freund und nimmt ihn mit raus zum Spaziereng­ehen, etwa in den Stadtgarte­n, Kölns ältesten Park. Der liegt direkt vor seiner Haustür. Abends schaut Biolek fern. „Aber nie eine ganze Sendung. Ich zappe.“Oder er bekommt Besuch, und sie essen zusammen, schwelgen in Erinnerung­en.

Manchmal wird er auf seinen Spaziergän­gen

„Es kann sein, dass ich

noch 100 werde.“

Alfred Biolek

Ehemaliger Talkmaster und Fernsehkoc­h

angesproch­en. „Nur die älteren Leute, die jüngeren haben mich ja nie gesehen.“Wobei, ansprechen: Eher zeigen die Älteren, dass sie ihn erkennen. „Direkt ansprechen, das tun sehr wenige.“2003 hatte er seine Talkshow aufgegeben, 2007 die WDR-Kochshow. „Meine Zeit ist jetzt zu Ende“, sagte Biolek damals.

Bisher war das Treffen eine zwanglose Plauderei, aber jetzt wird es ernst: Es soll noch ein kurzes Video aufgenomme­n werden. „Okay“, sagt er. Sofort setzt er sich etwas aufrechter hin und schmunzelt in die Kamera. „Mir geht‘s gut“, versichert er auf Nachfrage, „sehr gut“. Die Antworten kommen jetzt flüssiger, die Stimme ist fester.

„Die Kamera liebt dich“, schwärmt Scott anschließe­nd. „Immer noch. Du schaust da durch, und es ist wie vor 20 Jahren.“Der so Gelobte geht nicht darauf ein. Stattdesse­n fragt er: „Darf ich noch was essen?“„Hau rein!“, feuert ihn Scott an. Wer einen so guten Appetit hat, kann eigentlich noch nicht so bald abtreten. „Es kann sein, dass ich noch 100 werde“, bestätigt er. „Aber irgendwann kommt er, der Tod. Das ist die normalste Sache der Welt. Und dann ist es auch gut.“Scott hilft seinem Adoptivvat­er aus dem Sessel. Sie verabschie­den sich, und vorsichtig tastend geht es wieder hinaus. Ganz langsam. Aber das macht ja nichts. Alfred Biolek hat Zeit.

 ?? FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA ?? Der Ex-Talkmaster und -Fernsehkoc­h Alfred Biolek lag 2010 nach einem Treppenstu­rz im Koma.
FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Der Ex-Talkmaster und -Fernsehkoc­h Alfred Biolek lag 2010 nach einem Treppenstu­rz im Koma.

Newspapers in German

Newspapers from Germany