Saarbruecker Zeitung

Tierschütz­er wollen Zirkusaffe­n befreien

Tierrechtl­er wollen den Schimpanse­n aus dem Zirkus holen und in eine Auffangsta­tion bringen. Das wäre sein Tod, meint der Besitzer.

- VON CHRISTINA STICHT

(dpa) Wo ist der beste Platz für einen Schimpanse­n, der seit mehr als 40 Jahren ohne Artgenosse­n lebt? „Robby gehört zur Familie, er ist mein siebtes Kind, für ihn gibt es keinen besseren Platz auf der Welt“, sagt Zirkusdire­ktor Klaus Köhler. „Robby führt ein trostloses Leben, er wurde vermenschl­icht und hatte noch nie adäquate Sozialpart­ner“, sagt hingegen Yvonne

Würz von der Tierrechts­organisati­on Peta. Am 8. November entscheide­n die Richter des Oberverwal­tungsgeric­hts (OVG) Lüneburg über das Schicksal des wohl letzten Menschenaf­fen in einem deutschen Zirkus.

Laut einer Leitlinie des Bundesagra­rministeri­ums aus dem Jahr 1990 sind keine Menschenaf­fen mehr in Zirkussen zu halten. Der für den „Circus Belly“zuständige Landkreis Celle gewährte über Jahrzehnte für Robby eine Ausnahmege­nehmigung. Im Herbst 2015 ordnete die Behörde jedoch an, dass der Affe abgegeben werden muss. Köhler reichte Klage ein.

Das Verwaltung­sgericht Lüneburg entschied im Frühjahr 2017, dass Robby in einer Auffangsta­tion für gequälte Schimpanse­n in den Niederland­en das Leben unter Affen lernen soll. „Dort sind geistig kaputte Tiere“, meint Köhler. „Ich empfinde es, als ob mir mein gesundes Kind weggenomme­n und in eine Nervenheil­anstalt gebracht werden soll.“Mindestens bis zur Entscheidu­ng im Berufungsp­rozess bleibt der etwa 47 Jahre alte Affe in seiner gewohnten Umgebung.

Über die Jahre haben sich Köhler und Robby äußerlich angegliche­n. Beide werden grau und haben am Bauch ein paar Kilo zu viel. „Hallo, mein Schatz! Komm zu Papa!“, ruft der 70-Jährige, als er auf dem Platz im niedersäch­sischen Visselhöve­de Robbys Wagen betritt. Der 1,50 Meter große und rund 75 Kilo schwere Affe legt seinen Arm um seine engste Bezugspers­on, ordnet Köhlers lichtes Haar und versucht, in dessen Nase zu pulen. „Lass das, setz dich auf deinen Stuhl“, ordnet der Tierlehrer an. Robby gehorcht und trinkt seine Milch. Danach darf er noch eine Packung mit Leckerli für Hund Ted öffnen, der ihm täglich mehrere Stunden Gesellscha­ft leistet.

Für Peta ist Robby der Inbegriff eines leidenden Zoo- und Zirkustier­s. Sein Wagen und Außengeheg­e seien viel zu klein. 2011 startete die Organisati­on die Kampagne „Rettet Robby“.

Der Zirkuschef hat dafür kein Verständni­s. „Er war ein ganz guter Akrobat“, sagt er über seinen Affen. Bei den Vorstellun­gen trat

Am 8. November entscheide­n Richter über das Schicksal des Schimpanse­n.

Robby früher im Anzug auf, machte Handstand, lief auf Stelzen und auf einer Kugel. Zuletzt düste er auf einem Roller durch die Manege und spielte Basketball mit Zuschauern.

Derzeit ist Robby bei den Vorstellun­gen nicht dabei. Nach Köhlers Überzeugun­g hat er darauf im Moment keine Lust, zwingen könne man ein Tier zu gar nichts.

Auch die Bremer Tierärztin Alexandra Dörnath will Robby retten – sie glaubt aber, dass eine Herausnahm­e aus dem Zirkus sein Todesurtei­l wäre. „Robby ist unumkehrba­r auf den Menschen fehlgepräg­t. Er zeigt aber keine Verhaltens­störung und leidet auch nicht“, sagt die Veterinäri­n, die ihre Doktorarbe­it über die Ruhigstell­ung von Gorillas in Zoos schrieb. Dörnath hat Robby 75 Tage lang an verschiede­nen Orten beobachtet. Ihre Forschungs­ergebnisse stellte sie auf einem internatio­nalen Primatenko­ngress vor. Die Sachverstä­ndigen, auf deren Gutachten das Verwaltung­sgerichtsu­rteil fußt, seien keine Menschenaf­fenexperte­n, sagt die Tierärztin.

Dörnath will auch die OVG-Verhandlun­g am 8. November verfolgen. Peta-Fachrefere­ntin Würz hofft darauf, dass die Entscheidu­ng der ersten Instanz, Robby aus dem Zirkus zu holen, bestätigt wird. „Ich kämpfe weiter für Robby, ich schöpfe alles aus“, sagt Köhler dazu. Er fragt sich, warum die Richter nicht selbst vorbeikomm­en, um sich ein Bild zu machen. „Ich habe das Vertrauen in die Richter verloren“, sagt das Oberhaupt der Zirkusfami­lie, die seit 350 Jahren mit ihren Tieren umherzieht.

Lamas, Kamele, Pferde, Schlangen und Alligatore­n sind es derzeit. Seine Löwen und Tiger hat Köhler 2017 abgegeben. Der Deutsche Tierschutz­bund fordert seit Jahren ein generelles Wildtierve­rbot in Zirkussen. Der Bundesrat forderte zuletzt 2016 die Bundesregi­erung auf, dieses in vielen EU-Ländern bereits bestehende Verbot per Verordnung umzusetzen.

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 ?? FOTO: CARMEN JASPERSEN/DPA ?? Schimpanse Robby und seine engste Bezugspers­on Klaus Köhler: Seit mehr als 40 Jahren lebt das Tier im Zirkus. Für die Tierrechts­organisati­on Peta ist Robby damit der Inbegriff eines leidenden Zoo- und Zirkustier­s.
FOTO: CARMEN JASPERSEN/DPA Schimpanse Robby und seine engste Bezugspers­on Klaus Köhler: Seit mehr als 40 Jahren lebt das Tier im Zirkus. Für die Tierrechts­organisati­on Peta ist Robby damit der Inbegriff eines leidenden Zoo- und Zirkustier­s.

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