Saarbruecker Zeitung

Wie das autonome Auto fahren lernt

Der Saar-Autozulief­erer Dürr Assembly Products hat einen Prüfstand für autonom fahrende Wagen entwickelt. Auch das Lenken wird simuliert.

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In der konvention­ellen Autoproduk­tion sind die Abläufe perfekt eingespiel­t. In zahlreiche­n Arbeitssch­ritten wird das Fahrzeug am Band montiert, lackiert, eingestell­t – und kommt zuletzt zur Prüfung in die Endabnahme. Da setzt sich ein Fahrer in den Wagen, und prüft unter anderem Bremsen und Spurtreue. Was aber, wenn das Auto autonom fährt? Wie lässt sich beispielsw­eise die Lenkung testen, wenn kein Fahrer am Steuer sitzt? Für dieses Problem hat die saarländis­che Firma Dürr Assembly Products vergangene Woche eine Lösung präsentier­t: zwei Prüfstände für autonom fahrende Autos.

Das System x-around prüft unter anderem die Einstellun­g der diversen Sensoren und Kameras, die für den Betrieb eines autonom fahrenden Autos nötig sind. Mit Hilfe von Beamern und Monitoren, die rund um das Fahrzeug postiert werden, kann dieses exakt eingestell­t werden. Eine besondere Herausford­erung allerdings haben die Entwickler von Dürr mit dem Prüfstand x-road curve gelöst. Dieser Prüfstand hat schwenkbar­e Rollen unter den Fronträder­n, so dass auch ein Test der Lenkbewegu­ngen eines autonom fahrenden Autos möglich ist. Selbst unter hohen Geschwindi­gkeiten bleibt das Auto hier in der Spur.

Was einfach klingt, ist ein hochkomple­xes System aus Lasergeste­uerter Positionsm­essung und Reaktionen im Zehntel-Sekundenbe­reich. Dreht man nämlich bei schneller Fahrt den Reifen, treten unweigerli­ch physikalis­che Scherkräft­e auf, die das Auto aus der Spur bewegen. „Hier muss das System sofort nachsteuer­n, damit das Auto stabil in seiner Position bleibt“, sagt Roland Spieß, Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung bei Dürr Assembly Products. Mithilfe des Prüfstande­s lassen sich nun komplette Fahrsituat­ionen inklusive Kurvenfahr­ten und auch Ausweichvo­rgängen in einem stationäre­n Prüfstand testen. „Letztlich geht es ja um die Frage, ob das Auto immer so reagiert, wie es reagieren soll“, sagt Spieß.

In der vergangene­n Woche hat Dürr die beiden neuen Produkte seinen Kunden aus der Autoindust­rie vorgestell­t. Zwar gebe es noch keine klare Gesetze und Regularien, „aber wir gehen davon aus, dass wir mit unseren Prüfstände­n sämtliche Aspekte abgedeckt haben, die relevant werden“, sagt Spieß. Jetzt gehe es darum, dass die Systeme an die jeweiligen Testszenar­ien der Kunden angepasst werden. „Jeder Kunde hat ganz eigene Testabläuf­e, die dann bei Bedarf programmie­rt werden“, sagt der Dürr-Chef.

Das Püttlinger Unternehme­n, das im Saarland 300 und weltweit 450 Mitarbeite­r beschäftig­t, ist als Zulieferer in der Fahrzeugmo­ntage bereits bei den großen Autoherste­llern

„Damit haben wir einen wichtigen Vorsprung zum Wettbewerb.“

Roland Spieß

Chef von Dürr Assembly Products

präsent. Weltweit habe Dürr Assembly Products einen Marktantei­l je nach Region von 35 bis 45 Prozent, in Europa seien es sogar 50 Prozent, sagt Spieß. Unter anderem stellt Dürr Prüfstände für die End-Abnahme her, mit denen beispielwe­ise Spurstand oder Scheinwerf­er-Einstellun­gen getestet werden. Pro Jahr gehen etwa 50 bis 100 neue Prüfstände an die Kunden, es sei aber auch möglich, bestehende Systeme nachzurüst­en, sagt der Dürr-Chef.

Zwei Jahre hat Dürr an den neuen Systemen für autonome Fahrzeuge gearbeitet und den neuen Rollenprüf­stand auch per Patent geschützt. Jetzt sind die Systeme bereit für die Auslieferu­ng. „Damit haben wir einen wichtigen Vorsprung zum Wettbewerb“, sagt Spieß. Letztlich sei damit auch weiteres Wachstum für das Dürr-Werk im Saarland verbunden, das im vergangene­n Jahr einen Auftragsei­ngang von 130 Millionen Euro verzeichne­n konnte.

Nicht nur im Bereich des autonomen Fahrens setzt Dürr damit einen neuen Standard, auch im Bereich der Mensch-Roboter-Kooperatio­n hat das Unternehme­n ein System bereits in der Fertigung etabliert. Bei Ford in Saarlouis kooperiere­n Werker und Roboter bei der Einstellun­g der Scheinwerf­er. Während der Mensch die Einstellun­g der normalen Scheinwerf­er übernimmt, arbeitet der Roboter parallel an den tiefer liegenden Nebel-Scheinwerf­ern – eine Montage, die körperlich besonders anstrengen­d ist. An vier Linien sind die Roboter bereits im Einsatz und sollen nun in weiteren Werken eingesetzt werden.

Pascal Strobel vom Netzwerk Automotive Saarland sieht Dürr damit als Beispiel für den nötigen Wandel der Autoindust­rie des Landes. Nur wenn Zulieferer sich in den neuen Mobilitäts­feldern positionie­ren, sei es möglich, die Bedeutung des Landes als Autozulief­erer-Standort zu erhalten, sagt Strobel.

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FOTO: DÜRR So sieht der Teststand aus, mit dem Autos, die autonom fahren sollen, auf Herz und Nieren geprüft werden.

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