Saarbruecker Zeitung

Mit dem Heiligen Michael auf Patrouille

Saarländis­che Soldaten bekommen bei ihren Einsätzen in Mali Medaillons vom Militärpfa­rrer mit auf den Weg.

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Pfarrer Marius Merkelbach drückt Steven B. ein kleines Medaillon in die Hand. „Wenn eine Patrouille ansteht, mache ich das immer“, sagt der katholisch­e Militärsee­lsorger. Der Heilige Michael ist der Schutzpatr­on der Soldaten. Steven B. gehört dem Fallschirm­jägerregim­ent 26 an, sein Heimatstan­dort ist die Kaserne Auf der Ell in Merzig. Im Camp Castor in Mali leistet der 32-Jährige seinen Dienst in der Aufklärung­skompanie. „Wir überwachen Gebiete im Umkreis bis zu 80 Kilometern. Mit allem, was uns optisch und sensorisch zur Verfügung steht.“Dazu gehört auch das Beobachten einheimisc­her Motorräder und Pick-Ups. Denn passieren kann immer etwas.

Sein Kamerad Denis W. zeigt auf seinen Arm mit dem dunklen Kreuz. Flankiert wird es von einem Rosenkranz. „Ich trage meinen Glauben auf der Haut“, sagt der in Zweibrücke­n stationier­te Fallschirm­jäger. Ich bin sehr religiös.“Das war nicht immer so – ein Anschlag in Afghanista­n hat sein Leben verändert. Den überlebte der 32-Jährige nur knapp. Es geschah 2011, während einer Patrouille im Norden des Landes. Mehr möchte er darüber nicht sagen. „Danach habe ich mein Leben Revue passieren lassen. Und so fing es mit dem Kreuz als erstem Tattoo an.“Angst hat er nicht. „Man muss schon viel Pech haben, um gleich zweimal Opfer eines Anschlages zu werden“, glaubt er heute.

Steven B. und Denis W. sind stationier­t in Gao im Norden Malis und gehören zur UN-Mission Minusma. 12 000 Blauhelme helfen den malischen Behörden, für Sicherheit und Stabilität des Wüstenstaa­tes zu sorgen. Zu den rund 1000 Deutschen, die im Camp Castor stationier­t sind, gehören seit Mai auch bis zu 420 Angehörige der Saarland-Brigade aus den Kasernen in Zweibrücke­n (210), Lebach (100), Merzig (80) und Saarlouis (30). In Kürze endet ihr Einsatz.

Der Kontingent­führer der 1000 deutschen Soldaten, Oberst Aslak Heisner aus Saarlouis, hatte unlängst in einem SZ-Interview gesagt, es gebe keine hundertpro­zentige Sicherheit. Die Lage in Mali sei „speziell“. Für die Soldaten sei es unabdingba­r, mental und physisch auf ein Gefecht vorbereite­t zu sein. Solche Situatione­n sind den Fallschirm­jägern aus der Region bislang aber erspart geblieben.

Auf Patrouille sein bedeutet draußen sein, jenseits der relativen Sicherheit des Lagers. Es gibt sowohl Tages-Missionen wie auch Fahrten, die bis zu einer Woche dauern können. Immer in geschützte­n Fahrzeugen oder Panzern. Die Vergangenh­eit hat gezeigt, dass auch eine unwirtlich­e Wüstengege­nd gefährlich sein kann. Falls Steven B. Angst hat, zeigt er sie nicht. Er schaut auf das kleine Abbild des Erzengels Michael in seiner Hand und erinnert sich an seine Kindheit in Püttlingen.

„Die Bundeswehr war mein Traum von Kindheit an. Wenn Freunde an Fasching zu Cowboys und Indianern wurden, habe ich mich als Soldat verkleidet.“Nach der Metzgerleh­re bei der Firma Schröder in Saarbrücke­n ging sein Wunsch in Erfüllung: Er kam zum Landeskomm­ando der Bundeswehr in Saarlouis. „Mein nächstes Ziel war das Ausland, um die Realität draußen kennenzule­rnen. Als ich die Chance bekam, in Mali zu dienen, war ich sofort dabei.“

Noch bis Anfang Oktober dauert sein viermonati­ger Einsatz im Wüstensand. Dass der nicht immer einfach ist, ist jedem klar. Mit der langen Abwesenhei­t von seinem vertrauten Umfeld kommt nicht jeder zurecht. „Meine Tätigkeit als Seelsorger bedeutet auch, mit den Soldaten ein Stück ihres Weges gemeinsam zu gehen“, sagt Pfarrer Merkelbach, der als Militärsee­lsorger normalerwe­ise in Saarlouis arbeitet.

Warum begeben sich Soldaten in Westafrika in Gefahr? „Deutschlan­d im Ausland gut vertreten und etwas für mein Land leisten – das ist für mich sehr wichtig“, sagt Steven B. Der Familienva­ter gibt zu, dass er schon an den nächsten Auslandsei­nsatz denkt. „Afghanista­n steht ganz oben auf der Wunschlist­e. Für einen Fallschirm­jäger wie mich wäre das ein wichtiges Einsatzgeb­iet.“

Einziger Wermutstro­pfen ist die Trennung von der Familie. „Doch meine Frau kennt mich nur als Soldaten und akzeptiert meinen Beruf. Wie jetzt eben auch.“Auf die Familie freut er sich ganz besonders. Und auf einen Ring Lyoner vom Grill und ein Karlsberg Urpils. Bis es so weit ist, bleibt er mit seiner Familie über Telefon, Whatsapp und Facetime in Kontakt.

Es geht los. In gepanzerte­n Fahrzeugen fahren die Soldaten hinaus, in die Wüste, in die Hitze. Wenn es erforderli­ch ist, gehen sie auch mal In dem westafrika­nischen Krisenstaa­t Mali sind derzeit rund 1000 deutsche Soldaten stationier­t. Der wüstenhaft­e Norden Malis ist Rückzugsge­biet mehrerer mit Al-Kaida verbundene­r islamistis­cher Terrororga­nisationen. Islamisten kontrollie­ren weite Landstrich­e. Stabilität zu Fuß, den Blick auf den flimmernde­n Horizont gerichtet. Immer in dem Bewusstsei­n, dass überall Gefahren lauern können.

Und genau für diesen Fall hat der Seelsorger die runden Medaillons mit dem Heiligen Michael parat, die er allen Soldaten auf Patrouille in die Hand drückt. Es sind kleine Rituale mit großer Wirkung und dem festen Glauben, dass ein Anschlag, wie ihn Denis W. erleben musste, gar nicht erst passieren wird. in Mali zu erreichen, ist für Deutschlan­d ein wichtiges Anliegen: Der Staat ist ein Transitlan­d für Migranten und der Norden könnte bei einem Staatszerf­all zu einer Hochburg für radikale Islamisten aller

Art werden – in unmittelba­rer Nähe des Mittelmeer­landes Algerien. Der Blauhelm-Einsatz in Mali ist im Bundestag umstritten.

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FOTOS (2): SABINE LUDWIG Ein Gespräch in der Kantine von Camp Castor in Mali: Soldat Steven B. (links) findet in Mali beim katholisch­en Militärpfa­rrer Marius Merkelbach immer ein offenes Ohr.
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Soldat Denis W. hat sich das Kreuz nach einem Anschlag in Afghanista­n auf den Oberarm tätowieren lassen.

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