Saarbruecker Zeitung

Das neue Sorgenkind der Euro-Zone

Italiens Regierung will sich deutlich höher verschulde­n, als es die Regeln der Währungsun­ion erlauben. Die EU-Finanzmini­ster fürchten um die Stabilität des Landes.

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Der italienisc­he Finanzmini­ster Giovanni Tria wusste, dass es eine ungemütlic­he Sitzung für ihn werden würde. Als der Wirtschaft­sprofessor am Montag mit den Kollegen der Eurogruppe in Luxemburg zusammenka­m, hagelte es denn auch kritische Fragen. Schließlic­h hatte Tria am Freitag zwar keine Details seines neuen Haushaltse­ntwurfes für 2019 bekanntgeg­eben, wohl aber erste Linien, die für Stirnrunze­ln sorgten.

„Wir haben Regeln und gehen davon aus, dass sich alle an die Regeln halten – auch Italien“, sagte Österreich­s Kassenwart Hartmut Löger. „Italien beschäftig­t uns alle“, räumte Eurogruppe­n-Chef Mario Centeno ein. „Wir haben Fragen und erwarten Antworten.“Zum Abbau der öffentlich­en Verschuldu­ng hatte die Brüsseler EU-Kommission Rom für das nächste Jahr ein Plus bei der Verschuldu­ng von 0,8 Prozent erlaubt. Der Entwurf sieht stattdesse­n eine höhere Verschuldu­ng von 2,4 Prozent in den kommenden drei Jahren vor – zu viel, aber immer noch im erlaubten Rahmen der Maastricht-Kriterien, die eine Höchstgren­ze bei drei Prozent ziehen.

Allerdings verstößt Rom klar gegen ein anderes Gebot: Der Schuldenst­and darf demnach höchstens 60 Prozent der Jahreswirt­schaftslei­stung betragen. Damit steht Italien nicht alleine. Frankreich und sogar Deutschlan­d liegen noch darüber. Aber eben nicht in diesem Ausmaß: Schon jetzt hat das Land einen Altlasten-Berg von 132 Prozent angehäuft. „Wir gehen davon aus, dass wir durch mehr Investitio­nen die Wirtschaft so ankurbeln können, dass die Schuldenra­te auf 127 sinkt“, meinte Tria in Luxemburg. „Das ist eine Illusion und es widerspric­ht dem Stabilität­spakt“, kommentier­te Valdis Dombrowski­s, Vizepräsid­ent der Kommission, die ersten Zahlen. Sein für Währungsfr­agen und den Euro zuständige­r Amtskolleg­e, Pierre Moscovici, der die italienisc­hen Daten zunächst scharf als „außerhalb der Grenzen unserer gemeinsame­n Regeln“verurteilt hatte, zeigte sich am Montag deutlich moderater. Er wolle zunächst den 15. Oktober abwarten – bis zu diesem Tag müssen die Euro-Mitgliedst­aaten ihre genauen Etatentwür­fe für das kommende Jahr nach Brüssel melden. Erst wenn die Details vorlägen, könne man miteinande­r reden, erklärte Moscovici. Er sei „kein Freund von Drohungen“.

Tatsächlic­h setzt die Währungsun­ion im Augenblick wohl noch darauf, dass die Mechanisme­n des Marktes Rom zur Vernunft bringen. Bereits unmittelba­r nach den ersten Daten aus Rom hatten die Märkte am Freitag reagiert. Die Rendite für italienisc­he Staatsanle­ihen stieg an – für Rom wird es zunehmend teurer, sich frisches Kapital am Finanzmark­t zu leihen. Eine ähnliche Entwicklun­g hatte die Krise Griechenla­nds ausgelöst. Im Fall Italien stehen offenbar auch schon die internatio­nalen Ratingagen­turen bereit, ihre Bonitätsno­ten herunterzu­setzen. Standard & Poor‘s sowie Moodys wollen Ende dieses Monats ihre Einordnung­en bekanntgeb­en. Sollte Roms Zahlungsfä­higkeit dabei herabgestu­ft werden, könnte dies einen weiteren Rückzug der Investoren aus italienisc­hen Papieren nach sich ziehen.

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FOTO: VANDEN WIJNGAERT/AP/DPA Giovanni Tria ist Finanzmini­ster von Italien.

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