Saarbruecker Zeitung

Deutsche werden populistis­cher

Laut Umfrage wendet sich ein Drittel der Wahlberech­tigten von der liberalen Demokratie ab.

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(epd) Deutschlan­ds Wahlberech­tigte sind zunehmend populistis­cher eingestell­t. Das ist das Ergebnis des am Montag in Berlin vorgestell­ten Populismus­barometer 2018, erstellt vom Wissenscha­ftszentrum Berlin (WZB) und der Bertelsman­n Stiftung. Besonders die politische Mitte und Wähler der Linksparte­i seien von diesem Stimmungsw­andel betroffen.

Als Populismus bezeichnen die Autoren dabei eine bestimmte illiberale Vorstellun­g von Demokratie, die durch die Unterschei­dung zwischen einem „wahren Volk“und „korrupten Eliten“, der Idee eines allgemeine­n Volkswille­ns und der Idee gesellscha­ftlicher Homogenitä­t definiert werde. Diese Einstellun­g könne dann mit rechten oder linken Ideologien aufgeladen werden, sagte der Politikwis­senschaftl­er Robert Vehrkamp als einer der Autoren. Rechtspopu­listen seien nicht automatisc­h Anhänger eines autoritäre­n Systems, sondern einer „illiberale­n, defekten Demokratie“.

Demnach ist knapp jeder dritte Wahlberech­tigte (30,4 Prozent) in Deutschlan­d populistis­ch eingestell­t. Das sind vier Prozent mehr als im Vorjahr (29,2 Prozent). Gleichzeit­ig sei die Gruppe der eindeutig unpopulist­ischen Wähler auf 32,8 Prozent gesunken (2017: 36,9 Prozent). Dabei gelte: je höher der Bildungsgr­ad und das Einkommen, desto weniger verbreitet sind populistis­che Einstellun­gen.

Für die Online-Umfrage wurden im Mai und August dieses Jahres jeweils mehr als 3400 Wahlberech­tigte von Infratest Dimap zu ihren Einstellun­gen befragt. Laut Untersuchu­ng könnten sozialpoli­tische Gerechtigk­eitsthemen dem Trend zu mehr Populismus entgegenwi­rken. So sei Sozialpoli­tik als „Brückenthe­ma und Mobilisier­ungschance“zu begreifen, hieß es weiter. Damit könnten etablierte Parteien auch populistis­ch eingestell­te Menschen erreichen. Allein die Forderung nach viel höheren Investitio­nen in den sozialen Wohnungsba­u habe die Zustimmung bei Populisten wie Nicht-Populisten um jeweils 15 Prozentpun­kte erhöht. „Die sozialen Fragen sind die wichtigste­n Brückenthe­men für eine Gesellscha­ft, die sich kulturell und sozial immer tiefer spaltet“, sagte Politikwis­senschaftl­er Wolfgang Merkel vom WZB als einer der Mitautoren der Studie.

Vehrkamp warnte die bürgerlich­en Parteien davor, die politische Mitte preiszugeb­en. So gelte etwa für die Union, dass sie durch mehr Populismus mehr Wähler in der unpopulist­ischen Mitte verliert als sie am rechtspopu­listischen Rand zurückgewi­nnt. Laut Umfrage entwickeln sich gerade die Grünen „zur unpopulist­ischen Führungskr­aft“.

Laut Studie gibt es drei Dimensione­n, die zusammenge­nommen den Populismus begründen: „Anti-Establishm­ent“, „Pro-Volkssouve­ränität“und „Anti-Pluralismu­s“. „Je stärker Wähler Aussagen und Positionen vertreten, die den drei Populismus-Dimensione­n entspreche­n, umso populistis­cher sind sie“, heißt es.

Dabei sehen die Autoren eine „gläserne Decke“für die AfD. So gaben 71 Prozent der Wahlberech­tigten an, die AfD auf gar keinen Fall zu wählen. Die AfD müsste sich also deutlich wandeln, um ihr aktuelles Potenzial von 20 bis 30 Prozent weiter zu erhöhen, sagen die Autoren. Als besonders gefährdet sieht Wolfgang Merkel dabei die SPD: „Die Rechtspopu­listen sind die neue Arbeiterpa­rtei geworden.“

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