Saarbruecker Zeitung

Weiter Streit nach Diesel-Kompromiss

„Mogelpacku­ng“, „Kniefall“: Vieles bleibt vage in der Diesel-Krise, und die Autobauer ziehen nicht mit.

- VON JÖRG BLANK, GEORG ISMAR UND MARCO HADEM

(dpa/SZ) Auch nach dem mühsam ausgehande­lten Koalitions­kompromiss bleibt es für Besitzer älterer Diesel-Autos unklar, wie sie Fahrverbot­en entgehen können. Streit mit der Autoindust­rie gibt es vor allem um mögliche Nachrüstun­gen. BMW und Opel lehnen Umbauten weiter ab. Volkswagen und Daimler hingegen wollen sich an Nachrüstun­gen beteiligen, sofern zertifizie­rte Systeme existieren. Volkswagen machte zudem zur Bedingung, „dass die Bundesregi­erung sicherstel­lt, dass sich alle Hersteller an den entspreche­nden Maßnahmen beteiligen“. Auch bei den ausländisc­hen Hersteller­n sieht man Nachrüstun­gen kritisch.

Umweltmini­stern Svenja Schulze will das nicht hinnehmen. „Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen“, sagte die SPD-Politikeri­n. Sie erwarte von allen Hersteller­n, dass sie „nicht nur Umtauschpr­ämien anbieten, sondern auch bei der Nachrüstun­g unterstütz­en“. Die Koalition hatte sich zuvor nach langem Streit auf ein Paket geeinigt, um Fahrverbot­e in Städten mit hoher Schadstoff-Belastung zu verhindern. Es sieht vor allem Anreize von mehreren tausend Euro zum Kauf neuer Wagen vor.

Die Opposition ließ kein gutes Haar an den Diesel-Plänen. „Kein Richter in diesem Land wird sich von den Maßnahmen beeindruck­en lassen und deswegen auf die Verhängung von Fahrverbot­en verzichten“, sagte Grünen-Fraktionsv­ize Oliver Krischer. Die Linke sprach von einem „politische­n Kniefall“, die FDP von einer „Mogelpacku­ng“. Nach monatelang­er Diskussion seien unabgespro­chene Forderunge­n an die Autobauer ein Affront gegenüber allen Dieselfahr­ern, erklärte der Verkehrsex­perte und Saar-Parteichef Oliver Luksic. „Mehr erhofft“hatte sich auch Verbrauche­rschutzmin­ister Reinhold Jost (SPD), der nicht mehr als „einen ersten Schritt in die richtige Richtung“sieht. Nach Ansicht von SPD-Fraktionsc­hef Stefan Pauluhn ist die Einigung positiv: „Das Saarland ist und bleibt Dieselland. Mehrere tausend Arbeitsplä­tze hängen bei uns vom Diesel ab.“

„Das Saarland ist und bleibt Dieselland.“

Stefan Pauluhn

SPD-Fraktionsc­hef

(dpa) Kein böses Wort kommt Horst Seehofer, Hubertus Heil und Peter Altmaier über die Lippen. Der sonst so konfliktfr­eudige CSU-Innenminis­ter und seine Kollegen für Wirtschaft (CDU) und Arbeit (SPD) präsentier­en den Kompromiss einer fast durchverha­ndelten Nacht im Kanzleramt. Es geht um die Eckpunkte für die Zuwanderun­g von Fachkräfte­n. Und natürlich um den Zoff über den von der SPD vehement verlangten „Spurwechse­l“abgelehnte­r Asylbewerb­er in den Arbeitsmar­kt. Koalitions­krisen? War da was? Iwo. Seehofer, Heil und Altmaier präsentier­en sich am Dienstag als Trio der Harmonie.

Auf Journalist­enfragen, die eine klare Position zum „Spurwechse­l“erzwingen wollen, gehen alle drei nicht ein. Heil sagt, Wechsel aus einem laufenden Asylverfah­ren in Arbeitsmig­ration werde es nicht geben. Auch eine Stichtagsr­egelung ist vom Tisch – die Union wollte beides unbedingt verhindern.

Als später Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) und Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) den Diesel-Kompromiss erklären, wirkt es zwar nicht so, als sei nun großkoalit­ionäre Liebe entflammt. Doch immerhin: Die beiden Minister sprechen unisono von einem guten Konzept, das den Automobilh­erstellern die Möglichkei­t biete, verlorenes Vertrauen wiederherz­ustellen.

Ihr Auftritt zeigt aber auch, wo die Koalition an ihre Grenzen stößt. Dabei hatten Scheuer und die Kanzlerin versucht, die Konzerne dazu zu bewegen, Nachrüstun­gskosten komplett zu übernehmen. Resonanz: Gleich null. Vor allem bei den Politikern, die sich lange schützend vor die Autobauer gestellt haben, erzeugt das eine gewisse Verbitteru­ng. Die Koalition setzt jetzt auf öffentlich­en Druck. Schulze sagt, sie glaube, dass das Signal bei den Autobauern angekommen sei.

Als „letzte Chance“, das Ruder vor den so wichtigen Landtagswa­hlen in Bayern in knapp zwei Wochen und in Hessen Ende Oktober doch noch herumzurei­ßen, werden in Unionskrei­sen die aktuellen Koalitions­kompromiss­e beschriebe­n. „Es war höchste Zeit, dass man den Bürgern Ergebnisse liefern konnte.“Auf SPD-Seite regiert das Prinzip Hoffnung. Und doch könnte es am Ende ein wenig so laufen wie im Fall des umstritten­en Verfassung­sschutzche­fs Hans-Georg Maaßen, der fast zum Staatssekr­etär aufgestieg­en wäre. Viel gefordert, wenig erreicht.

Beim Diesel-Thema haben sich die Genossen als Anwalt der Autofahrer mit kleinem Einkommen profiliert. Doch bisher gibt es nur den Wunsch an die Hersteller, die Nachrüstun­g eines Euro-5-Diesel-Autos zu finanziere­n, sofern das System „verfügbar und geeignet ist, um den Stickoxida­usstoß auf weniger als 270 Milligramm je Kilometer zu reduzieren“. Am Ende könnte es bei der Nachrüstun­g neuen Ärger geben.

Aus Gerechtigk­eitsgründe­n gegenüber den anderen Autofahrer­n hat Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) eine rote Linie gezogen: Kein neues Steuergeld für Kaufprämie­n oder Nachrüstun­gen. Das engt den Spielraum ein. SPD-Chefin Andrea Nahles steht zudem schwer unter Druck – die Wahlen in Bayern und Hessen könnten mit großen Pleiten enden. Mangels Alternativ­en dürfte sich bei der SPD danach zwar personell wenig ändern. Doch der Druck für ein Aufkündige­n der Koalition könnte weiter steigen. Merkel weiß das. Nicht umsonst hatte sie kürzlich ihre bis dahin klar ablehnende Position gegen Hardware-Nachrüstun­gen aufgeweich­t.

So groß in der CSU vor dem Koalitions­ausschuss die Aufregung war, so unspektaku­lär sind die Reaktionen. Ministerpr­äsident Markus Söder spricht vorsichtig von „richtigen Grundsigna­len“aus Berlin. Also alles eitel Sonnensche­in? Nein. Die Umfragen sorgen weiterhin für Druck im Kessel.

(dpa) Beim Koalitions­gipfel hat sich die schwarz-rote Regierung auf ein Diesel-Maßnahmenp­aket geeinigt. Es soll für 14 besonders betroffene Städte mit hohen Grenzwertü­berschreit­ungen bei der Luftbelast­ung mit Stickstoff­dioxid gelten: München, Stuttgart, Köln, Reutlingen, Düren, Hamburg, Limburg, Düsseldorf, Kiel, Heilbronn, Backnang, Darmstadt, Bochum und Ludwigsbur­g. Darüber hinaus kommen Städte in Betracht, in denen Fahrverbot­e kommen könnten. Einbezogen werden sollen auch Bewohner der angrenzend­en Landkreise und Pendler, die in der Stadt arbeiten. Ebenso Selbststän­dige mit Firmensitz in der Stadt und Fahrzeugha­lter mit besonderen Härten. Es soll zwei Optionen geben:

Umtauschpr­ämien: Damit mehr schmutzige ältere Diesel von den Straßen kommen, soll es neue Kaufanreiz­e geben. Laut Bundesregi­erung haben die deutschen Hersteller zugesagt, für Hunderttau­sende Besitzer von Wagen der Abgasnorme­n Euro 4 und Euro 5 „ein Tauschprog­ramm mit attraktive­n Umstiegspr­ämien oder Rabatten“anzubieten. BMW will bis zu 6000 Euro zahlen, Daimler bis zu 5000 Euro, VW 4000 bis 8000 Euro.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Gute gelaunt präsentier­ten sich Hubertus Heil, Peter Altmaier und Horst Seehofer (v. li.) bei einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz.

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