Weiter Streit nach Diesel-Kompromiss
„Mogelpackung“, „Kniefall“: Vieles bleibt vage in der Diesel-Krise, und die Autobauer ziehen nicht mit.
(dpa/SZ) Auch nach dem mühsam ausgehandelten Koalitionskompromiss bleibt es für Besitzer älterer Diesel-Autos unklar, wie sie Fahrverboten entgehen können. Streit mit der Autoindustrie gibt es vor allem um mögliche Nachrüstungen. BMW und Opel lehnen Umbauten weiter ab. Volkswagen und Daimler hingegen wollen sich an Nachrüstungen beteiligen, sofern zertifizierte Systeme existieren. Volkswagen machte zudem zur Bedingung, „dass die Bundesregierung sicherstellt, dass sich alle Hersteller an den entsprechenden Maßnahmen beteiligen“. Auch bei den ausländischen Herstellern sieht man Nachrüstungen kritisch.
Umweltministern Svenja Schulze will das nicht hinnehmen. „Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen“, sagte die SPD-Politikerin. Sie erwarte von allen Herstellern, dass sie „nicht nur Umtauschprämien anbieten, sondern auch bei der Nachrüstung unterstützen“. Die Koalition hatte sich zuvor nach langem Streit auf ein Paket geeinigt, um Fahrverbote in Städten mit hoher Schadstoff-Belastung zu verhindern. Es sieht vor allem Anreize von mehreren tausend Euro zum Kauf neuer Wagen vor.
Die Opposition ließ kein gutes Haar an den Diesel-Plänen. „Kein Richter in diesem Land wird sich von den Maßnahmen beeindrucken lassen und deswegen auf die Verhängung von Fahrverboten verzichten“, sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Die Linke sprach von einem „politischen Kniefall“, die FDP von einer „Mogelpackung“. Nach monatelanger Diskussion seien unabgesprochene Forderungen an die Autobauer ein Affront gegenüber allen Dieselfahrern, erklärte der Verkehrsexperte und Saar-Parteichef Oliver Luksic. „Mehr erhofft“hatte sich auch Verbraucherschutzminister Reinhold Jost (SPD), der nicht mehr als „einen ersten Schritt in die richtige Richtung“sieht. Nach Ansicht von SPD-Fraktionschef Stefan Pauluhn ist die Einigung positiv: „Das Saarland ist und bleibt Dieselland. Mehrere tausend Arbeitsplätze hängen bei uns vom Diesel ab.“
„Das Saarland ist und bleibt Dieselland.“
Stefan Pauluhn
SPD-Fraktionschef
(dpa) Kein böses Wort kommt Horst Seehofer, Hubertus Heil und Peter Altmaier über die Lippen. Der sonst so konfliktfreudige CSU-Innenminister und seine Kollegen für Wirtschaft (CDU) und Arbeit (SPD) präsentieren den Kompromiss einer fast durchverhandelten Nacht im Kanzleramt. Es geht um die Eckpunkte für die Zuwanderung von Fachkräften. Und natürlich um den Zoff über den von der SPD vehement verlangten „Spurwechsel“abgelehnter Asylbewerber in den Arbeitsmarkt. Koalitionskrisen? War da was? Iwo. Seehofer, Heil und Altmaier präsentieren sich am Dienstag als Trio der Harmonie.
Auf Journalistenfragen, die eine klare Position zum „Spurwechsel“erzwingen wollen, gehen alle drei nicht ein. Heil sagt, Wechsel aus einem laufenden Asylverfahren in Arbeitsmigration werde es nicht geben. Auch eine Stichtagsregelung ist vom Tisch – die Union wollte beides unbedingt verhindern.
Als später Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) den Diesel-Kompromiss erklären, wirkt es zwar nicht so, als sei nun großkoalitionäre Liebe entflammt. Doch immerhin: Die beiden Minister sprechen unisono von einem guten Konzept, das den Automobilherstellern die Möglichkeit biete, verlorenes Vertrauen wiederherzustellen.
Ihr Auftritt zeigt aber auch, wo die Koalition an ihre Grenzen stößt. Dabei hatten Scheuer und die Kanzlerin versucht, die Konzerne dazu zu bewegen, Nachrüstungskosten komplett zu übernehmen. Resonanz: Gleich null. Vor allem bei den Politikern, die sich lange schützend vor die Autobauer gestellt haben, erzeugt das eine gewisse Verbitterung. Die Koalition setzt jetzt auf öffentlichen Druck. Schulze sagt, sie glaube, dass das Signal bei den Autobauern angekommen sei.
Als „letzte Chance“, das Ruder vor den so wichtigen Landtagswahlen in Bayern in knapp zwei Wochen und in Hessen Ende Oktober doch noch herumzureißen, werden in Unionskreisen die aktuellen Koalitionskompromisse beschrieben. „Es war höchste Zeit, dass man den Bürgern Ergebnisse liefern konnte.“Auf SPD-Seite regiert das Prinzip Hoffnung. Und doch könnte es am Ende ein wenig so laufen wie im Fall des umstrittenen Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen, der fast zum Staatssekretär aufgestiegen wäre. Viel gefordert, wenig erreicht.
Beim Diesel-Thema haben sich die Genossen als Anwalt der Autofahrer mit kleinem Einkommen profiliert. Doch bisher gibt es nur den Wunsch an die Hersteller, die Nachrüstung eines Euro-5-Diesel-Autos zu finanzieren, sofern das System „verfügbar und geeignet ist, um den Stickoxidausstoß auf weniger als 270 Milligramm je Kilometer zu reduzieren“. Am Ende könnte es bei der Nachrüstung neuen Ärger geben.
Aus Gerechtigkeitsgründen gegenüber den anderen Autofahrern hat Finanzminister Olaf Scholz (SPD) eine rote Linie gezogen: Kein neues Steuergeld für Kaufprämien oder Nachrüstungen. Das engt den Spielraum ein. SPD-Chefin Andrea Nahles steht zudem schwer unter Druck – die Wahlen in Bayern und Hessen könnten mit großen Pleiten enden. Mangels Alternativen dürfte sich bei der SPD danach zwar personell wenig ändern. Doch der Druck für ein Aufkündigen der Koalition könnte weiter steigen. Merkel weiß das. Nicht umsonst hatte sie kürzlich ihre bis dahin klar ablehnende Position gegen Hardware-Nachrüstungen aufgeweicht.
So groß in der CSU vor dem Koalitionsausschuss die Aufregung war, so unspektakulär sind die Reaktionen. Ministerpräsident Markus Söder spricht vorsichtig von „richtigen Grundsignalen“aus Berlin. Also alles eitel Sonnenschein? Nein. Die Umfragen sorgen weiterhin für Druck im Kessel.
(dpa) Beim Koalitionsgipfel hat sich die schwarz-rote Regierung auf ein Diesel-Maßnahmenpaket geeinigt. Es soll für 14 besonders betroffene Städte mit hohen Grenzwertüberschreitungen bei der Luftbelastung mit Stickstoffdioxid gelten: München, Stuttgart, Köln, Reutlingen, Düren, Hamburg, Limburg, Düsseldorf, Kiel, Heilbronn, Backnang, Darmstadt, Bochum und Ludwigsburg. Darüber hinaus kommen Städte in Betracht, in denen Fahrverbote kommen könnten. Einbezogen werden sollen auch Bewohner der angrenzenden Landkreise und Pendler, die in der Stadt arbeiten. Ebenso Selbstständige mit Firmensitz in der Stadt und Fahrzeughalter mit besonderen Härten. Es soll zwei Optionen geben:
Umtauschprämien: Damit mehr schmutzige ältere Diesel von den Straßen kommen, soll es neue Kaufanreize geben. Laut Bundesregierung haben die deutschen Hersteller zugesagt, für Hunderttausende Besitzer von Wagen der Abgasnormen Euro 4 und Euro 5 „ein Tauschprogramm mit attraktiven Umstiegsprämien oder Rabatten“anzubieten. BMW will bis zu 6000 Euro zahlen, Daimler bis zu 5000 Euro, VW 4000 bis 8000 Euro.