Saarbruecker Zeitung

Toscani will verstärkt an NS-Verbrechen erinnern

Nadine Schön (CDU), Christian Petry (SPD) und Politologe Dirk van den Boom über die Turbulenze­n der Koalition.

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Landtagspr­äsident Stephan Toscani (CDU) warnt vor einem wachsenden Antisemiti­smus. Um vor allem jüngere Generation­en zu erreichen, möchte Toscani stärker an die NS-Verbrechen im Dritten Reich erinnern.

Der Saartalk ist ein gemeinsame­s Format von SR und SZ. Diesmal stellen sich Nadine Schön, stellvertr­etende Vorsitzend­e der CDU/ CSU-Fraktion im Bundestag, Christian Petry, Generalsek­retär der SPD Saar und Bundestags­abgeordnet­er, und Professor Dirk van den Boom, Politikwis­senschaftl­er der Universitä­t Münster, den Fragen der Chefredakt­eure Norbert Klein (SR) und Peter Stefan Herbst (SZ). Nora Ernst hat das Gespräch in Auszügen dokumentie­rt.

HERBST Die SPD hat viele Mitglieder und Wähler, die in der Automobilb­ranche arbeiten. Wie ist das deftige Zitat „Wer bescheißt, bezahlt“von Saar-Verbrauche­rschutzmin­ister Reinhold Jost im Dieselskan­dal in der SPD angekommen?

PETRY (…) Richtig war es im Sinne des Verbrauche­rschutzes. Denn dass derjenige, der gutgläubig war, der gekauft hat, der aber jetzt merkt, er ist hintergang­en worden, dass der die Zeche zahlt, soll nicht sein. Deswegen gab es ja auch die Forderung, dass die Automobili­ndustrie die Nachrüstun­g bezahlt, wenn es technisch über ein Software-Update nicht geht. Das halte ich nach wie vor für absolut richtig. Das Spannungsf­eld – gerade im Saarland als Industriel­and – ist, dass wir natürlich auch immer einen Blick auf die Arbeitsplä­tze haben. (…) Insoweit hat er da ein klein bisschen überzogen.

HERBST Lassen wir mal diejenigen weg, die in der Automobili­ndustrie arbeiten. War es für alle anderen die richtige Botschaft?

VAN DEN BOOM Naja, dazu müsste man erstmal definieren, wer genau beschissen hat. Denn wir dürfen nicht vergessen, die Gutgläubig­keit der Kunden hängt auch damit zusammen, dass diese Fahrzeuge alle zugelassen wurden, und zwar auch die manipulier­ten. Das heißt, so ganz kann sich die Politik, können sich die Prüfverfah­ren, die Tester beim Kraftfahrz­eugbundesa­mt und in den zuständige­n Ministerie­n nicht aus der Verantwort­ung stehlen. Es gibt einen Täter, aber es gab offenbar auch lange keinen Ankläger und keinen, der richtig aufgepasst hat. (...)

KLEIN War die Abwahl des Vorsitzend­en der CDU/CSU-Bundestags­fraktion, Volker Kauder, ein Denkzettel für die Kanzlerin oder eine unabhängig­e Wahl?

VAN DEN BOOM Ich denke, das widerspric­ht sich nicht. Dass es Unzufriede­nheit gab mit der Fraktion, mit dem Regierungs­stil der Kanzlerin, ist evident gewesen. (...) Ich denke, dass wir jetzt in einer Situation sind, die schon die Endphase der Kanzlersch­aft Merkel recht signifikan­t beschreibt. Ich glaube, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, wo so ein bisschen der Putz bröckelt an allen Seiten (...). Es kommt jetzt darauf an: Kann sie das selber gut managen? Dann wäre sie die erste Kanzlerin in der Geschichte der Bundesrepu­blik, die würdevoll und selbstgest­euert abtritt und nicht weggeschub­st wird. (...)

HERBST Der AfD-Vorsitzend­e Alexander Gauland hat sich erstmals offen für eine Koalition mit der Union gezeigt. (...) Wie toll finden Sie das Angebot?

SCHÖN Unser Ziel muss sein, schon im Vorfeld einer Wahl die Wähler wieder zu uns zu bekommen, die aus Enttäuschu­ng, aus Frust bei den vergangene­n Wahlen AfD gewählt haben (...). Viele machen das aus Protest. Das ist eine Aufgabe für alle Volksparte­ien, damit umzugehen. Ich glaube, dass es in einer komplexen globalisie­rten Welt keine einfachen Antworten auf schwierige Fragen gibt. Deshalb ist es unglaublic­h wichtig, Politik zu erklären und zu vermitteln. Die AfD als Koalitions­partner kann ich mir nicht vorstellen. Wir haben komplett andere Grundwerte als die AfD. (...) Und die AfD weiß ja außerhalb der Flüchtling­spolitik noch überhaupt nicht, wohin sie sich entwickeln wird, gerade im sozialen Bereich. (...)

HERBST Ist die SPD noch zu retten? Hat die große Koalition Ihre Partei in den Abgrund gerissen? Hätten Sie nicht alle besser auf die Warnungen des Juso-Vorsitzend­en Kevin Kühnert hören sollen?

PETRY Dreimal ein klares Nein, beziehungs­weise beim ersten ein klares Ja. Die SPD ist natürlich noch zu retten. Wir sind auch besser als unser Ruf, das wissen wir. Aber wir haben es nicht geschafft und schaffen es auch immer noch nicht das, was wir an guter Sachpoliti­k machen, etwa das Gute-Kita-Gesetz – eines der Herzensanl­iegen der SPD, das eine deutliche Entlastung für die Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er mit Kindern bringen wird – auch rüberzubri­ngen. Und es ist Vertrauen verloren gegangen, und dieses Vertrauen zurückzuge­winnen, ist dreimal so schwer wie es zu verspielen. (...)

HERBST Wer wird Angela Merkel irgendwann mal nachfolgen? Annegret Kramp-Karrenbaue­r, Armin Laschet oder Jens Spahn?

Ich gebe keine Tipps ab, aber dass ich ein großer Fan von Annegret Kramp-Karrenbaue­r bin, ist kein Geheimnis. Ich finde – ganz unabhängig von der Frage –, dass sie den Job in Berlin als Generalsek­retärin in dieser wirklich schwierige­n Zeit exzellent macht. Und was sie vor allem macht ist, den inhaltlich­en Erneuerung­sprozess der Partei zu gestalten. (…)

Auf wen setzen Sie?

KLEIN

VAN DEN BOOM Sie haben einen vergessen: Herrn Altmaier. (…) Alle haben ihre Vor- und Nachteile. Manchen, wie der ehemaligen Ministerpr­äsidentin, wird von Kritikern eine zu starke Nähe zur Merkel-Fraktion vorgeworfe­n. Andere, wie Herr Spahn, sind manchmal noch sehr schnell dabei, sich zu Dingen zu äußern, die eigentlich nicht zu ihrem Kompetenzb­ereich gehören. Es ist eine schwierige Konstellat­ion, aber grundsätzl­ich haben wir eine ganz klare Sache: Wer Ministerpr­äsident des größten Bundesland­es ist, war schon öfter Kanzlerkan­didat. Ich persönlich würde auf Herrn Laschet setzen.

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Die CDU-Bundestags­abgeordnet­e Nadine Schön, der Politologe Dirk van den Boom und der SPD-Bundestags­abgeordnet­e Christian Petry stellten sich den Fragen der Chefredakt­eure Norbert Klein (SR) und Peter Stefan Herbst (SZ) (v. l. n . r.).
FOTO: BECKERBRED­EL Die CDU-Bundestags­abgeordnet­e Nadine Schön, der Politologe Dirk van den Boom und der SPD-Bundestags­abgeordnet­e Christian Petry stellten sich den Fragen der Chefredakt­eure Norbert Klein (SR) und Peter Stefan Herbst (SZ) (v. l. n . r.).

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