Saarbruecker Zeitung

Pendler-Demo gegen EU-Reform

Lothringer Grenzgänge­r befürchten Nachteile für ihre Arbeitslos­enversiche­rung.

- VON HÉLÈNE MAILLASSON

Am Wochenende zieht es Grenzgänge­r aus Lothringen wieder auf die Straße. Sie demonstrie­ren am Samstag in Saargemünd gegen einen Vorschlag der EU-Kommission. Diese will die Auszahlung von Arbeitslos­engeld reformiere­n. Die Änderungen werden voraussich­tlich Ende des Monats durch das Europäisch­e Parlament angenommen. Bisher müssen sich Grenzgänge­r, die ihren Job verlieren, bei der entspreche­nden Behörde in ihrem Wohnort arbeitslos melden. Das soll sich mit dem Vorschlag der Kommission ändern. Zuständig für die Betreuung bei der Stellensuc­he und die Auszahlung des Arbeitslos­engeldes wäre dann das Land, in dem der Betroffene zuletzt beschäftig­t war. Die Lothringer Pendler, die in Deutschlan­d arbeiten, befürchten dadurch benachteil­igt zu werden. Wenn die Höhe des regulären Arbeitslos­engelds (ALG I) in Deutschlan­d mit rund 60 Prozent sogar ein bisschen höher liegt als in Frankreich (57 Prozent), wird diese Leistung in Deutschlan­d maximal ein Jahr lang ausgezahlt (zwei Jahre für Arbeitslos­e ab 58 Jahren). In Frankreich hingegen kann die entspreche­nde Summe zwei Jahre lang (drei Jahre bei Senioren) bezogen werden.

Somit rutschen Arbeitslos­e in Deutschlan­d schneller in den Bereich der Grundsiche­rung. Und während der Regelbetra­g für einen alleinsteh­enden Bezieher in Frankreich rund 550 Euro beträgt (RSA), ist er in Deutschlan­d deutlich niedriger bei knapp 425 Euro (ALG II, ab Januar 2019). Doch das „Comité de Défense des Travailleu­rs Frontalier­s de la Moselle“(CDTFM, Komitee zur Verteidigu­ng der Grenzgänge­r aus dem Départemen­t Moselle) befürchtet nicht nur finanziell­e Einbußen für die Pendler. „Auch die Suche nach einem neuen Job wird durch die neuen Zuständigk­eiten komplizier­ter“, sagt Komitee-Vorsitzend­er Arsène Schmitt. „Die Grenzgänge­r müssen alle Formalität­en in einer Fremdsprac­he erledigen, was oft nicht so einfach ist. Für sie ist die Teilnahme an möglichen Fortbildun­gsmaßnahme­n durch die Sprachbarr­iere erschwert.“

Dass eine starke Mobilisier­ung der Grenzgänge­r gegen die EU-Pläne diese zum Kippen bringen könnten, ist sehr unwahrsche­inlich. Denn es dauerte Jahre, um unter den Arbeitsmin­istern der EU-Länder die notwendige qualifizie­rte Mehrheit (55 Prozent der Länder, die mindestens 65 Prozent der Bevölkerun­g vertreten) für die Reform zu erzielen. Außerdem könnte Frankreich durch die neue Regelung jährlich 600 Millionen Euro einsparen und hätte wenig Interesse an dem Status quo. Doch Schmitt und seine Mitstreite­r fordern eine Kompromiss-Lösung. Dass Frankreich weiterhin für die Betreuung der arbeitslos­en Grenzgänge­r zuständig bleibt und durch ein bilaterale­s Abkommen Geld dafür aus Deutschlan­d bekommt. Das Anliegen der lothringis­chen Pendler brachte Schmitt bis nach Paris, zu einem Berater von Premiermin­ister Edouard Philippe.

Er weiß, Hartnäckig­keit kann sich auszahlen. „Jahrelang haben wir dafür gekämpft, dass ehemalige Grenzgänge­r als Rentner nicht doppelt zur Kasse gebeten werden, und heute ist das Doppelbest­euerungsab­kommen zwischen Deutschlan­d und Frankreich Realität“, gibt Schmitt ein Beispiel. Und das Komitee bleibt wachsam. Trotz dieses Meilenstei­ns gäbe es nach wie vor Handlungsb­edarf. Denn wenn die Lage für die Rentner nun geklärt sei, bleibe sie bei Leiharbeit­ern oft unübersich­tlich. „In der Theorie müssten Leiharbeit­er, die im Départemen­t Moselle wohnen und maximal 45 Tage außerhalb der unmittelba­ren Grenzzone arbeiten, nur in Frankreich Steuern zahlen. Doch in der Praxis läuft es in vielen Fällen nicht reibungslo­s und die deutsche Steuerbehö­rde erhebt auch einen Teil von ihrem Lohn“.

Die Demonstrat­ion findet am Samstag ab 14 Uhr vor dem Landgerich­t in Saargemünd statt.

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