Saarbruecker Zeitung

Auf der Suche nach einem geeignetem Platz

Unsere Lesereport­erin traf sich mit Vertretern der Stadt, um über die Parkplatzs­ituation für Behinderte zu sprechen.

- VON DANIEL NOVICKIJ UND LAURA VORDERMAYE­R Produktion dieser Seite: A. Stallmann, M. Zimmermann, J. Laskowski, A. Mandersche­id

Eine Mutter möchte ihr krankes Kind, das auf einen Rollstuhl angewiesen ist, zum Arzt bringen. Sie kurvt durch die Straßen – kein freier Behinderte­nparkplatz weit und breit. Sie kann ihren Wagen nicht im Parkhaus abstellen: Ihrem Sohn wäre der anstrengen­de Weg bis zur Praxis nicht zuzumuten. In ihrer Not wird die Mutter zum Falschpark­er und riskiert als geringeres Übel ein Knöllchen.

Das ist die Geschichte unserer Lesereport­erin. Sie kennt die schwierige Parksituat­ion allzu gut, wenn sie ihren gehbehinde­rten Jungen in die Stadt fährt. Nicht nur zum Arzt. „Mein Sohn möchte genauso wie andere Kinder in seinem Alter seine Freizeit in der Stadt verbringen. Da fahre ich ihn.“

Die Betroffene traf sich nun mit Vertretern der Stadt. Mit ihnen schritt sie die Behinderte­nparkplätz­e in der Betzen-, Sulzbacher, Dudweiler- und in der Rodenhofst­raße ab. Quasi ein Kontrollga­ng, um auf Probleme hinzuweise­n. Sie zeigte den Verantwort­lichen, wo sie an ihre Grenzen stößt.

Erste Station: ein Parkplatz nahe Karstadt. „Wenn ich die Beifahrert­ür öffne, dann stehe ich mitten auf der befahrenen Straße. Da perlt mir der Schweiß von der Stirn“, sagt die Mutter mit Blick auf die gefährlich­e Situation.

„Das ist ein alter Parkplatz“, sagt ein Mitarbeite­r des Verkehrsam­ts. Das sei ein gewöhnlich­er Standplatz. Normalerwe­ise senke man den Gehweg ab und baue den Parkplatz nach den Maßen 3,50 Meter in der Breite und fünf Meter in der Länge um: „Dieser Parkplatz wurde lediglich als ein Behinderte­nparkplatz gekennzeic­hnet.“

„In Saarbrücke­n gibt es 550 Behinderte­nparkplätz­e. Die Straßenbau­richtlinie­n empfehlen eine Quote von drei Prozent an Behinderte­nparkplätz­en im öffentlich­en Raum. Diese Bestimmung­en erfüllen wir. Das ist nicht in jeder Stadt der Fall“, sagt Josephine Kretschmer von der Stadtpress­estelle.

Die Lesereport­erin sagt: „Viele Behinderte­nparkplätz­e sind nicht nutzbar.“Sie beklagt, dass zu viele Parkplätze zu nah an der Straße liegen. Dadurch sei es nicht möglich, sicher auszusteig­en. Sie bräuchte den Platz, um den Rollstuhl an die Beifahrers­eite zu stellen. Erst dann könne ihr Sohn aussteigen. Sie habe ein großes Auto, um den Rollstuhl transporti­eren zu können.

„Fahrer, die einen Behinderte­nausweis haben, können auch gewöhnlich­e Standplätz­e nutzen. Sie sind nicht dazu verpflicht­et, nur diese zu nutzen“, sagt ein weiterer Stadt-Vertreter. Es sei für die Stadt schwer, solche Sonderpark­plätze zu schaffen, die diesen besonderen Anforderun­gen entspreche­n. Im Stadtzentr­um seien Parkfläche­n generell heiß begehrt.

„Es gibt auch zu wenige Parkplätze im Zentrum. Viele liegen außerhalb der Stadt“, sagt die Lesereport­erin. Die meisten Standorte ließen sich Anwohner reserviere­n oder seien anderweiti­g stets belegt, unter anderem von vielen Falschpark­ern. Einige unter ihnen zeigten sich uneinsicht­ig, wenn die Mutter sie darauf anspricht: „Einmal, als ich die Polizei rufen wollte und den Beamten das Kennzeiche­n durchgeben sollte, da legte er den Rückwärtsg­ang ein mit der Absicht, mich anzufahren. Zum Glück hielt er kurz vor meinem Fuß an.“

„Ich bedauere diese Vorfälle. Allerdings können wir nicht das Verkehrsve­rhalten beeinfluss­en. Wir können nur an die Leute appelliere­n und hoffen, dass sich das Benehmen verbessert“, wirbt ein städtische­r Bedienstet­er um Verständni­s.

Stadtveror­dneter Thomas Brass (Grüne) bestätigt diese Erfahrung. Allerdings spricht er sich gegen übertriebe­ne Bevorzugun­g der Behinderte­n bei der Parksuche aus: „Ich möchte nicht aufgrund meiner Behinderun­g verurteilt werden. Allerdings möchte ich auch nicht positiv diskrimini­ert werden. Ich möchte mich normal fühlen.“

Das Ordnungsam­t ließ vergangene­s Jahr 769 falsch geparkte Autos beiseite schaffen, sagt Saarbrücke­ns Pressespre­cher Thomas Blug. „Die Stadt ermittelt gegen 2794 Fahrzeugha­lter. In diesem Jahr schleppte das Ordnungsam­t bis April 110 Autos von Behinderte­nparkplätz­en ab“, soweit die bisherige Statistik. Falschpark­ern drohe ein Bußgeld von 35 Euro. Das ist aber noch nicht alles: „Schleppen wir das Fahrzeug ab, so fallen Kosten zwischen 140 und 250 Euro an.“

„Die Stadt kontrollie­rt verstärkt. Es sind mehr Ordnungshü­ter im Einsatz“, sagt ein Kontrolleu­r. Doch wer darf überhaupt einen Stellplatz für Behinderte nutzen? Dazu Blug: Berechtigt­e müssen einen blauen EU-Parkauswei­s haben. Diesen stellt das Ordnungsam­t bei Vorlage von Personal- und Schwerbehi­ndertenaus­weis sowie eines Passfotos aus.

in Saarbrücke­n findet sich im Internet unter der Überschrif­t „Wegweiser für Menschen mit Behinderun­g“. www.saarbrueck­en.de/barrierefr­ei

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ARCHIVFOTO: NINA DROKUR Behinderte­nparkplätz­e wie diese in der Trierer Straße in Saarbrücke­n sind nur selten so leer. Oft stellen Fahrer ihren Wagen dort ab, obwohl sie nichts dort verloren haben.
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FOTO: DANIEL NOVICKIJ Wenn der Behinderte­nparkplatz zu eng ist, haben Betroffene erhebliche Probleme beim Ein- und Aussteigen.

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