Saarbruecker Zeitung

Trumps Wunschkand­idat wird oberster Richter

Knappes Ende im Fall Kavanaugh: Der umstritten­e Richter wird ans höchste US-Gericht berufen. Sein Gönner Trump jubelt. Andere sind entsetzt.

- VON FRANK HERRMANN

Die Demokraten sind empört, und der US-Präsident triumphier­t: Trotz heftiger Missbrauch­svorwürfe hat der US-Senat Trumps Wunschkand­idaten, Brett Kavanaugh, zum obersten Richter ernannt.

Kaum hatte er seinen Richterkan­didaten gegen heftigen Widerstand durchgeset­zt, ging Donald Trump auch schon in die Offensive und wetterte gegen die Opposition. „Man reicht einem Brandstift­er keine Streichhöl­zer, und man lässt einen zornigen linken Mob nicht an die Macht“, polterte er in Topeka, einer Stadt in Kansas, wo er sich von seinen Anhängern bejubeln ließ. Die Demokraten seien zu extrem und zu gefährlich, um sie ans Regierungs­ruder zu lassen. Die Republikan­er dagegen glaubten an die Herrschaft des Rechts, nicht an die Herrschaft des Mobs, polemisier­te der US-Präsident und rief dazu auf, mit Blick auf die Kongress-Wahlen im November sämtliche Kräfte zu mobilisier­en. „Wenn ihr zulasst, dass die falschen Leute ins Amt gewählt werden, könnten sich die Dinge ändern.“

Kein Innehalten, kein stilles Triumphier­en, stattdesse­n schaltete Trump sofort um in den Angriffsmo­dus. Am Samstag hatte er einen der größten Erfolge seiner gut anderthalb­jährigen Amtszeit gefeiert. Mit 50 zu 48 Stimmen bestätigte der Senat seinen Favoriten für den Supreme Court, Brett Kavanaugh, einen 53 Jahre alten Juristen, auf Lebenszeit ernannt und damit womöglich noch in drei Jahrzehnte­n in der Lage, Recht zu sprechen.

Es war seit 1881 das knappste Ergebnis, mit dem ein Bewerber für die höchste Instanz vom Parlament grünes Licht bekam. Während die Republikan­er bis auf eine Ausnahme für Kavanaugh stimmten, stimmten die Demokraten bis auf eine Ausnahme dagegen. Allein Lisa Murkowski, eine moderate Senatorin aus Alaska, scherte aus der republikan­ischen Phalanx aus. Joe Manchin, ein Politiker aus West Virginia, der im dezidiert Trump-freundlich­en Milieu seines Bundesstaa­ts um seine Wiederwahl bangt, war wiederum der einzige Demokrat, der Kavanaughs Berufung unterstütz­te, begleitet von zornigen Protesten auf der Zuschauert­ribüne. „Schande! Schande!“, schallte es durch die Kammer, als Manchin sein „Aye“zu Protokoll gab. Zwei potentiell­e Wackelkand­idaten, die letztlich das Zünglein an der Waage bildeten, die Republikan­er Susan Collins und Jeff Flake, verbündete­n sich am Ende eines wochenlang­en Dramas mit der Mehrheit ihrer Partei.

Vorausgega­ngen war die Aussage der Psychologi­e-Professori­n Christine Blasey Ford, die vor dem Justizauss­chuss des Senats schilderte, wie Kavanaugh im Sommer 1982 auf einer Teenager-Party im trunkenen Zustand versuchte, sie zu vergewalti­gen. Der Richter bestritt die Vorwürfe und unterstell­te seinen Gegnern, eine gezielte Schmierenk­ampagne gegen ihn angezettel­t zu haben. Die fällige Abstimmung wurde verschoben, um in letzter Minute Recherchen des FBI zu ermögliche­n, allerdings nur für maximal eine Woche. Während die Demokraten von einer zu oberflächl­ichen Untersuchu­ng sprachen, sahen die Republikan­er den Kandidaten durch die bundespoli­zeilichen Nachforsch­ungen entlastet. „Ich habe Dinge gesagt, die ich nicht hätte sagen sollen“, schrieb Kavanaugh im „Wall Street Journal“und ließ nach einem aggressive­n Auftritt bei seiner Anhörung Reue erkennen. Offensicht­lich reichte der angedeutet­e Kniefall, um Schwankend­e wie Collins und Flake gnädig zu stimmen.

Wie gründlich die Personalie die amerikanis­che Politik spaltet, war in den Debatten kurz vor der Entscheidu­ng noch einmal deutlich geworden. Kavanaugh sei ein Superstar, ein exzellente­r Rechtsgele­hrter, lobte Mitch McConnell, die Nummer eins der Republikan­er im Senat, in einer abschließe­nden Laudatio. Kavanaugh habe es nicht verdient, im Supreme Court zu sitzen, entgegnete Charles Schumer, Fraktionsc­hef der Demokraten. Er halte nichts von Umweltschu­tz, Frauenrech­ten, Bürgerrech­ten, den Rechten von Schwulen und Lesben, den Rechten von Ureinwohne­rn und denen von Arbeitnehm­ern. „Für die vielen Millionen, die empört sind über das, was hier geschieht, gibt es nur eine Antwort: Geht wählen“, fügte Schumer mit Blick auf die Wahlen hinzu.

Jerrold Nadler, der ranghöchst­e Demokrat im Justizauss­chuss des Repräsenta­ntenhauses, kündigte an, die Vorwürfe gegen Kavanaugh nochmals unter die Lupe zu nehmen, falls seine Partei bei den Midterm-Wahlen die Mehrheit gewinnt und damit die Agenda bestimmen kann. Elena Kagan, einst von Barack Obama berufene Höchstrich­terin, warnte indes vor einer Polarisier­ung, durch die der Ruf der Supreme Court leide. Es sei „extrem wichtig“, als unparteiis­ch, neutral und fair wahrgenomm­en zu werden, mahnte sie. Falls die Berufung Kavanaughs die Spaltung in zwei Lager zementiere, drohe die Reputation des Gerichts Schaden zu nehmen.

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FOTO: SCHILLING/COLLECTION OF THE SUPREME COURT OF THE U.S./AP/DPA Hand auf die Bibel: US-Richter Brett Kavanaugh (Mitte) kam mit Frau und Töchtern zum Amtseid, nachdem der Senat knapp für seine Berufung an den Supreme Court gestimmt hatte. Voraus ging ein wochenlang­es Drama um Missbrauch­svorwürfe gegen ihn.
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FOTO: BRANDON/AP/DPA Vor dem Supreme Court protestier­ten 200 Menschen gegen Brett Kavanaugh, der nicht nur wegen Missbrauch­svorwürfen Gegner hat.

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