Saarbruecker Zeitung

Söder muss in Bayern auf Wahl-Wunder hoffen

Für CSU-Chef Horst Seehofer geht es am Sonntag bei der Bayern-Wahl um alles. Möglich ist, dass er seinen Erzrivalen Markus Söder mit in den Abgrund reißt.

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VON HAGEN STRAUSS

BERLIN

Es ist eine Situation, wie Horst Seehofer sie mitunter mag. Dann macht sich der 1,93 Meter große CSU-Chef und Innenminis­ter noch größer. Er steckt eine Hand in die Hosentasch­e, lächelt süffisant und beginnt zu plaudern. Zwischendu­rch nur unterbroch­en von seiner Schnappatm­ung, die einsetzt, wenn er glaubt, eine besonders lustige Anmerkung gemacht zu haben. Am Dienstag steht Seehofer also in der Unionsfrak­tion und hält noch schnell Hof vor Beginn der Sitzung.

Er ist umringt von Journalist­en, ihre Nähe hat er gesucht. Dabei ist sein Verhältnis zur Hauptstadt­presse reichlich ambivalent. Will Seehofer Botschafte­n loswerden, geht er auf Tuchfühlun­g, dann sitzt ihm der Schalk im Nacken. Scharfer Humor ist ohnehin seine Waffe. „Sie verfolgen mich doch schon lange“, grient er einen an. Seehofers Schnappatm­ung setzt ein. Fühlt er sich aber ungerecht behandelt, was oft der Fall ist, seit er Innenminis­ter in Berlin ist, grantelt er mit finsterer Miene gegen die Journaille, die ihn mal wieder bewusst missversta­nden hat.

Sieben Monate ist sein Wechsel von München nach Berlin nun her. Sieben lange Monate, in denen Seehofer die schwarz-rote Koalition sogar zwei Mal bis an den Rand des Bruchs getrieben hat. In denen er irgendwie nie den richtigen Ton fand. Nun steht er vor einer seiner schwersten Schlachten, an deren Ende alles vorbei sein könnte. Sie beginnt am kommenden Sonntag, 18 Uhr, wenn die ersten Prognosen zum Ausgang der Landtagswa­hl in Bayern über die Bildschirm­e flimmern. Kommt es zum Verlust der absoluten Mehrheit für die CSU, sogar zum Absturz auf weniger als 35 Prozent, soll nach dem Willen vieler „Parteifreu­nde“Seehofer zum Hauptschul­digen gemacht werden.

Die Anklage lautet: Seine ständigen Störfeuer, vom Streit um den Masterplan Migration über seinen Rücktritt vom Rücktritt bis hin zur Affäre um den Verfassung­sschutz-Präsidente­n Maaßen, hätten den Bayern-Wahlkampf komplett überlagert. Aus „Crazy-Horst“, wie er früher wegen seiner inhaltlich­en Sprunghaft­igkeit genannt wurde, sei ein überforder­ter „Chaos-Horst“geworden. Ein Insider verrät: So häufig, wie unter dem Bajuwaren, habe im trägen Innenminis­terium schon lange nicht mehr „die Hütte gebrannt. Seehofer hat halt seine eigene Dynamik.“Frust klingt da mit.

Viele in der CSU unterstell­en dem 69-Jährigen Absicht. Er nehme die Talfahrt der Partei bewusst in Kauf, um seinem verhassten Nachfolger im Amt des Ministerpr­äsidenten, Markus Söder (51), zu schaden. Beide sind sich spinnefein­d. Söder hat Seehofer aus der Staatskanz­lei gedrängt, ihm aber

(noch) nicht das Amt des Parteivors­itzenden genommen. Die CSU ist jedoch dafür bekannt, dass sie, einmal in

Rage, nicht zimperlich mit ihren in

Ungnade gefallenen Leuten umgeht. Edmund Stoiber zum Beispiel kann davon ein Lied singen. An dessen Sturz als Ministerpr­äsidenten 2007 war Seehofer nicht unbeteilig­t. Nun heißt es, Seehofer, der keinesfall­s freiwillig gehen will, könne per Vorstandsb­eschluss am Montag nach der Wahl von anstehende­n Koalitions­verhandlun­gen ausgeschlo­ssen werden. Das wäre die Entlassung­surkunde für einen Vorsitzend­en. Rückhalt hat er wohl keinen mehr.

Nun ist der Ingolstädt­er allerdings auch ein Meister der Winkelzüge. Er kennt das politische Geschäft wie kein Zweiter. Er war Gesundheit­sminister unter Kohl, Landwirtsc­haftsminis­ter unter Merkel, er drohte oft mit Rücktritt, den er nur einmal im Jahr 2004 als Fraktionse­xperte wegen des Streits über die „Kopfpausch­ale“tatsächlic­h vollzog. Konflikte scheut er nicht, schon gar nicht mit Angela Merkel in der Flüchtling­spolitik. „Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist“, donnerte er ihr vor wenigen Monaten in der Auseinande­rsetzung um seine Migrations­pläne entgegen. Überborden­des Selbstbewu­sstsein ist eine seiner markantest­en Eigenschaf­ten. Deswegen glaubt mancher, Seehofer werde nach einem Wahldesast­er versuchen, Söder zumindest mit in den Abgrund zu reißen. Zuzutrauen ist ihm das. Nur wie, ist offen.

Umringt von den Journalist­en in den Unionsfrak­tion sagt er, vor sechs Monaten habe man in der CSU-Spitze vereinbart, regelmäßig zusammen aufzutrete­n, an einem Strang zu ziehen und ein „Hammerthem­a“für Bayern zu setzen. Davon sei nichts eingetrete­n. Dass er das so offen erzählt, zeigt: Er ist bereit für die Schlacht.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Seinen bissigen Humor hat sich CSU-Chef Horst Seehofer trotz der prekären Lage seiner Partei vor der bayerische­n Landtagswa­hl am Sonntag noch nicht nehmen lassen. Dabei geben ihm viele schon jetzt die Schuld am drohenden Wahl-Desaster.

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