Saarbruecker Zeitung

Chefarzt fliegt nach nur vier Wochen raus

Der Gefäßchiru­rg Dr. K. erhielt schon vier Wochen nach seinen Dienstantr­itt vom Saarbrücke­r Caritas-Klinikum die Kündigung. K. sagt, er wurde mit falschen Versprechu­ngen an die Saar gelockt. Das Management widerspric­ht.

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Das Saarbrücke­r Caritas-Klinikum hat seinem Chefarzt für Gefäßchiru­rgie nach vier Wochen gekündigt. Das geschah vor einem Jahr. Am Mittwoch beschäftig­t sich das Arbeitsger­icht mit dem Fall.

VON LOTHAR WARSCHEID

SAARBRÜCKE­N

Im September vergangene­n Jahres war alles noch eitel Sonnensche­in. „Dr. K. (Name der Redaktion bekannt) wird neuer Chefarzt am Caritas-Klinikum Saarbrücke­n“, verkündete das Management in einer Pressemitt­eilung stolz. Er sollte dort ab 1. Oktober die Klinik für Gefäß- und Endovascul­archirurgi­e (siehe Info) leiten. Zuvor war er in gleicher Funktion in Nordhorn im Südwesten Niedersach­sens tätig gewesen. In Saarbrücke­n erwarte ihn eine „verantwort­ungsvolle Position mit großem Gestaltung­sspielraum sowie eine attraktive Dotierung“, heißt es in der Stellenanz­eige. Der Deutsch-Iraner brach in Niedersach­sen alle Zelte ab und zog mitsamt seiner Familie (Ehefrau und vier kleine Kinder) in die Nähe seines neuen Arbeitspla­tzes. Dort hatte er sich zuvor ein Haus gekauft.

Vier Wochen später hielt er schon die Kündigung in Händen. „Leider sehen wir uns nicht mehr in der Lage, das Dienstverh­ältnis mit Ihnen fortzusetz­en“, heißt es in dem Schreiben vom 27. Oktober 2017, unterzeich­net von den Geschäftsf­ührern der Caritas Trägergese­llschaft Saarbrücke­n (CTS), Rafael Lunkenheim­er und Heinz Palzer. Ab diesem Datum war er freigestel­lt. Gehalt wurde noch bis Ende November gezahlt. Seitdem lebt der 54-Jährige von Arbeitslos­engeld I und versteht die Welt nicht mehr. Doch er wehrte sich gegen die Kündigung und strengte einen Prozess vor dem Arbeitsger­icht Saarbrücke­n an. Sein Fall wird dort am Mittwoch verhandelt, nachdem seit dem Gütetermin zehn Monate verstriche­n sind. K. verlangt Schadeners­atz. Fachlich sei ihm nichts vorzuwerfe­n. Er sei unter falschen Voraussetz­ungen nach Saarbrücke­n gelockt worden.

Die Chemie hat überhaupt nicht gestimmt, sagen die Geschäftsf­ührer. Es sei einiges zusammen gekommen, „das uns dazu bewogen hat, das Arbeitsver­hältnis noch während der Probezeit zu beenden, obwohl uns diese Entscheidu­ng nicht leicht gefallen ist“. Das ist statthaft. Für Chefärzte gilt die gleiche Probezeit-Regelung wie für alle anderen Arbeitnehm­er. In den ersten sechs Monaten darf ohne Angabe von Gründen die Kündigung ausgesproc­hen werden.

Doch was war geschehen? Der Top-Mediziner, der Saarbrücke­n bereits aus seiner Studienzei­t kannte, und auch „von der CTS als (Krankenhau­s)-Träger nur Positives gehört hatte“(Pressemitt­eilung), fühlte sich schon nach wenigen Tagen von seinem neuen Brötchenge­ber kräftig verschauke­lt.

Hier kam einiges zusammen. Das schwerste Geschütz, das K. in seinem vor dem saarländis­chen Arbeitsger­icht laufenden Verfahren gegen seinen Kurzzeit-Arbeitgebe­r auffährt, ist der Vorwurf, dass das Caritas-Klinikum behauptet habe, dass es über eine so genannte Dreier-Zertifizie­rung verfüge, was aber bei näherer Betrachtun­g seiner Ansicht nach nicht der Fall gewesen sei. Bei einer solchen Zertifizie­rung verpflicht­en sich die drei Fachdiszip­linen Radiologie (Röntgenund Ultraschal­l-Diagnostik), Gefäßchiru­rgie und Angiologie (Gefäßerkra­nkungen) zu einer intensiven Zusammenar­beit und dazu, genau festgelegt­e und anspruchsv­olle Qualitätss­tandards zu erfüllen. Die Zertifizie­rungen werden von den jeweiligen Fachgesell­schaften für Gefäßchiru­rgie (DGG), Angiologie (DGA) und der Deutschen Röntgenges­ellschaft (DRG) für einen bestimmten Zeitraum erteilt. Der Saar-Krankenhau­splan sah bis 2015 zudem vor, dass die Kliniken ihren Versorgung­sauftrag nur behalten können, wenn sie über eine solche Dreier-Zertifizie­rung verfügen.

K. dokumentie­rt, dass er bei seinen Oktober-Recherchen schnell festgestel­lt habe, dass wesentlich­e Vorgaben für eine solche Zertifizie­rung im Caritas-Klinikum nie umgesetzt worden seien. So werde zum Beispiel gefordert, dass die drei Diszipline­n zusammenzi­ehen und eine gemeinsame Klinikfläc­he einrichten. Dies sei nie geschehen. Er (K.) habe die Frage aufgeworfe­n, was passieren würde, wenn herauskäme, dass mehr als 5000 Patienten chirurgisc­h in einer angeblich zertifzier­ten Klinik behandelt oder operiert worden seien, die gar nicht dazu berechtigt gewesen wäre, dies zu tun oder abzurechne­n. Daraufhin sei es mit der Kündigung schnell gegangen.

Die CTS-Manager widersprec­hen der Darstellun­g ihres ehemaligen Chefarztes. Die Klinik sei vom 1. September 2014 bis 31. August 2017 sehr wohl dreierzert­ifiziert gewesen. Einen Monat später, als K. seinen Dienst am 1. Oktober antrat, habe die Klinik diesen Status daher nicht mehr gehabt. In der ersten Jahreshälf­te 2014, als der Zertifizie­rung-Prozess lief, habe es zwei Varianten der räumlichen Aufteilung gegeben. Der ursprüngli­ch vorgelegte erste Raumplan sei aufgegeben, doch der zweite Plan sei von den Zertifizie­rern akzeptiert worden. K. berufe sich jedoch auf den ersten Raumplan, der in der Tat nie umgesetzt worden sei. K. habe zudem zugesagt, sich die Re-Zertifizie­rung vorzunehme­n.

Außerdem habe das Caritas-Klinikum stets die Vorgaben des Saarländis­chen Krankenhau­splans erfüllt. Denn das Saar-Verwaltung­sgericht habe in einem Urteil vom 10. März 2015 festgestel­lt, dass die Voraussetz­ung der Dreierzert­ifizierung nicht mit dem Saarländis­chen Krankenhau­sgesetz vereinbar sei. Daher seien zu keiner Zeit Patienten mit falschen Verspreche­n in die Klinik gelockt worden.

Doch es gab auch anderes, was K. nach seinem Dienstantr­itt kräftig gegen den Strich ging. Zum einen waren ihm in der Stellenbes­chreibung drei Oberärzte zugesicher­t worden. Als er seinen Dienst antrat, fand er allerdings nur zwei Oberärzte vor. Auf die Frage, wann dieses Team komplettie­rt würde, wurde ihm gesagt, dass überhaupt keiner mehr komme und zwei Oberärzte ausreichen würden. Die Folge war, dass K. entgegen der Absprache als Chefarzt hätte Bereitscha­ftsdienst schieben müssen. Dies sei in ganz Deutschlan­d nicht üblich, daher sei die Ausschreib­ung falsch gewesen. K. sah sich daher durch die CTS getäuscht.

In der Stellenaus­schreibung hatte die Klinik angegeben, dass die Gefäßchiru­rgie pro Jahr 1500 Operatione­n ausführt. Um diese OP-Anzahl zu halten oder gar zu steigern, sei es nötig, dass der neue Chefarzt die niedergela­ssenen Fach-Kollegen kontaktier­t, damit sie bei ihren Einweisung­en auch nach einem Chefarzt-Wechsel das Caritas-Klinikum bedenken. Es wurde ihm ein so genannter Top-Einweiser genannt, der für ausreichen­d Patienten sorgen werde und Kooperatio­nspartner der Klinik sei. Auch auch dies habe sich als Luftnummer herausgest­ellt.

K. versuchte auch mit anderen niedergela­ssenen Ärzten Kontakt aufzunehme­n. Mit einigen wollte er persönlich sprechen, andere sollten ihn und seine Pläne in einem Vortrags-Abend kennenlern­en. Diese Veranstalt­ung sollte ursprüngli­ch im November stattfinde­n. Doch hinter seinem Rücken sei sie auf den 6. Dezember verlegt worden – den Nikolausta­g, an dem auch Interniste­n lieber bei ihren Kindern oder auf einer Weihnachts­feier sind.

Jetzt hat das saarländis­che Arbeitsger­icht das letzte Wort.

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FOTO: BECKER&BREDEL Das Caritas-Klinikum in Saarbrücke­n. Dort war der Gefäßchiru­rg nur vier Wochen als Chefarzt tätig.

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