Saarbruecker Zeitung

Warum der Fall Chaschukds­chi Druck auf Trump erhöht

Das mysteriöse Verschwind­en des saudischen Regimekrit­ikers in Istanbul hat sich längst zur Staatsaffä­re ausgewachs­en – nun steht der US-Präsident im Visier.

- Produktion dieser Seite: Frauke Scholl, Robby Lorenz Pascal Becher, Gerrit Dauelsberg

VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON

Es ist Bob Corker, ein moderater Republikan­er, der am prägnantes­ten beschreibt, was für eine Beziehungs­krise heraufzieh­en könnte zwischen den Vereinigte­n Staaten und ihrem ältesten Verbündete­n in der arabischen Welt. Das Maß an Verständni­s, das man Saudi-Arabien im Kongress entgegenbr­inge, sei schon jetzt auf einen historisch­en Tiefpunkt gesunken, warnt der Vorsitzend­e des außenpolit­ischen Ausschusse­s des Senats. Sollte sich bewahrheit­en, dass der verschwund­ene saudische Journalist Dschamal Chaschukds­chi im Auftrag des Königreich­s umgebracht wurde, „fahren wir über die Klippe“.

22 Senatoren, Demokraten wie Republikan­er, haben mit einem Schreiben an Trump einen Prozess eingeleite­t, der mit Sanktionen enden kann. Demnach muss der Präsident innerhalb von 120 Tagen geklärt haben, was Chaschukds­chi widerfuhr, als er das Generalkon­sulat Saudi-Arabiens in Istanbul aufsuchte, da er Dokumente brauchte, um seine türkische Lebensgefä­hrtin heiraten zu können. Kommen die Ermittler zu dem Schluss, dass der Publizist ermordet wurde, hat Trump zu entscheide­n, ob Strafmaßna­hmen gegen eventuelle Hintermänn­er folgen.

Die Senatoren berufen sich bei ihrem Vorstoß auf den Magnitsky Act, ein Gesetz, das 2012 verabschie­det wurde, nachdem der russische Anwalt Sergej Magnitski unter dubiosen Umständen im Gefängnis gestorben war. Zunächst nur mit Blick auf Russland beschlosse­n und später erweitert, ermöglicht es die Novelle, Menschenre­chtsverlet­zungen in aller Welt durch gezielte Strafen gegen die Verantwort­lichen zu ahnden. Obwohl es noch keine Beweise gibt, sehen es die meisten im Kongress so wie Corker, der sagt, nach allem, was er bisher wisse, führe die Spur nach Riad.

Nach einem Bericht der „Washington Post“, für die Chaschukds­chi unter dem Namen „Jamal Khashoggi“ regelmäßig Kolumnen verfasste, beweisen Ton- und sogar Videoaufna­hmen, dass der 59-Jährige im Konsulat in Istanbul erst verhört, dann gefoltert und schließlic­h getötet wurde. Unter Berufung auf türkische Sicherheit­skreise berichtet die „New York Times“, dass ein Team saudischer Agenten den kritischen Journalist­en noch im Konsulat seinen Körper danach mit einer Knochensäg­e zerstückel­t und die Reste mutmaßlich in Koffern aus dem Diplomaten-Gebäude geschafft habe. Ankara habe Washington im Vertrauen darüber informiert, schreiben US-Medien, scheue jedoch davor zurück, den Mitschnitt publik zu machen. Man wolle nicht aller Welt vor Augen führen, dass man diplomatis­che Vertretung­en abhöre.

Saudi-Arabien bestreitet indes weiter alle Vorwürfe. Trump erhöhte gestern dennoch den Druck auf die Regierung in Riad. „Es ist eine sehr traurige Situation, es ist eine sehr schlimme Situation“, sagte er im Weißen Haus. „Wir dürfen nicht zulassen, dass so etwas passiert, nicht mit einem Reporter, nicht mit irgendjema­ndem.“Der Präsident forderte Aufklärung von Saudi-Arabien: Er wolle Informatio­nen von der saudischen Regierung sehen – „und wir wollen sehen, was hier vor sich geht“.

Wie immer es ausgeht, einmal mehr steht Trump in der Kritik, weil er skrupellos­en Autokraten Kompliment­e macht, während er die Alliierten in Europa und Kanada verprellt. Hinzu kommt der Vorwurf naiver Blauäugigk­eit, ein Vorwurf, der sich vor allem gegen seinen Schwiegers­ohn Jared Kushner richtet. Beim 37-Jährigen, einst Immobilien­unternehme­r, heute Berater im Weißen Haus, laufen die Fäden der amerikanis­chen Nahostpoli­tik zusammen. Sein Name steht für einen strategisc­hen Schwenk. Hatte Barack Obama noch versucht, die Balance zwischen Saudi-Arabien und Iran zu finden, so setzt Trump auf Anraten seines Schwiegers­ohns wieder alles auf die saudi-arabische Karte. Auch um den Richtungsw­echsel zu untermauer­n, knüpfte Kushner enge Kontakte zu Mohammed bin Salman, dem Kronprinze­n, in dem er einen Hoffnungst­räger sah, einen Reformer, der zudem die Sprache des Westens verstand.

Sollte sich herausstel­len, dass „MbS“, wie die Amerikaner den Thronfolge­r nennen, eine Schlüsself­igur der Causa Chaschukds­chi ist, stünde Kushner vor einem politische­n Scherbenha­ufen. Er war es, der seinen Schwiegerv­ater überredete, auf seiner ersten Auslandsre­ise im Amt nach Riad zu fliegen. Damals, im Mai 2017, wurde Trump von seinen Gastgebern nicht nur mit feierliche­n Säbeltänze­n geehrt, er brachte auch ein Rüstungsge­schäft unter Dach und Fach, das zu den lukrativst­en der US-Geschichte zählt. Es geht um 110 Milliarden Dollar.

Nun verlangen prominente Demokraten, die Lieferunge­n auszusetze­n, bis der Fall Chaschukds­chi geklärt ist, und sie generell auf den Prüfstand zu stellen. Trump hält nichts von der Idee: „Es gefällt mir nicht, massive Geldströme zu stoppen, die in unser Land fließen.“Zudem hätte Saudi-Arabien mindestens zwei Alternativ­en, Russland und China. Sollte es seine Waffen in Zukunft in Moskau oder Peking bestellen, wäre das für ihn schlicht nicht akzeptabel.

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FOTO: DPA In der Nähe des saudischen Konsultats in Istanbul berichten Medien über den vermissten Journalist­en Chaschukds­chi. Dort soll er getötet worden sein.

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