Saarbruecker Zeitung

Für viele Gläubige ist Romero längst ein Heiliger

PORTRÄT Der 1980 ermordete Bischof setzte sich in El Salvador für die Armen ein.

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(epd) Sie geben nicht auf. Fast täglich ziehen Hunderte durch die Straßen von San Salvador, vereint hinter einem großen Bild von Oscar Arnulfo Romero. Sie fordern, dass die Verantwort­lichen für seine Ermordung endlich zur Rechenscha­ft gezogen werden. Ihr Kampf dauert schon 38 Jahre.

Am Sonntag wird dem „Bischof der Armen“eine große Ehre zuteil. Romero wird in Rom heiliggesp­rochen. Doch die Drahtziehe­r des Mordes sind bis heute straffrei geblieben. „Es gibt keine Ausreden mehr, warum eine Untersuchu­ng dieses abscheulic­hen Verbrechen­s hinausgezö­gert wird“, sagt Carlos Rodríguez von der Staatsanwa­ltschaft für Menschenre­chte. Schon im Jahr 2000 verlangte die Interameri­kanische Menschenre­chtskommis­sion, dass El Salvador seiner Verpflicht­ung nachkommen und den Mord an Romero aufklären muss. In einem UN-Bericht wurde der inzwischen gestorbene Armee-Offizier Roberto d’Aubuisson verdächtig­t: Er gründete die rechtsgeri­chtete Partei Arena, die El Salvador von 1992 bis 2008 regierte.

Romero wurde bei einer Predigt am 24. März 1980 in einer Krankenhau­skapelle in San Salvador von paramilitä­rischen Scharfschü­tzen niedergesc­hossen. Sein Tod markiert den Beginn des Bürgerkrie­ges zwischen Militär und linker Guerilla in El Salvador, in dem 75 000 Menschen starben. Wenige Monate vor seinem Tod war Romero nach Rom gereist, um bei Papst Johannes Paul II. auf die Massenmord­e der Militärs, Menschenre­chtsverlet­zungen und Todesdrohu­ngen gegen ihn und andere Priester aufmerksam zu machen. Er wurde nicht gehört.

Zurück in El Salvador wandte er sich in einem flammenden Appell an die Soldaten, das Morden zu beenden. „Kein Soldat ist gezwungen, einem Befehl zu folgen, der gegen das Gesetz Gottes verstößt“, rief Romero aus. Kurz darauf fielen Schüsse, er brach hinter der Kanzel zusammen.

Für viele Gläubige ist Romero längst ein Heiliger. In ganz Lateinamer­ika wird er als Ikone des Friedens verehrt. Unvergesse­n bleibt, wie Ex-Präsident Barack Obama 2011 an seinem Grab niederknie­te. Papst Franziskus, der Romero ebenfalls verehrt, setzte kurz nach seiner Ernennung 2013 das unterbroch­ene Seligsprec­hungsverfa­hren wieder in Gang. Der Vatikan hatte sich lange schwergeta­n, Romero als Märtyrer anzuerkenn­en. Das Misstrauen gegen die Theologie der Befreiung, die den Armen in Lateinamer­ika verpflicht­et ist, saß tief. Der konservati­ve Johannes Paul II. verdächtig­te Romero, Kontakte zur marxistisc­hen Guerilla zu haben. Benedikt XVI. stoppte das Verfahren zur Seligsprec­hung. Im Vatikan hieß es, der Mord sei politisch und nicht religiös motiviert gewesen. Franziskus stellte schließlic­h klar, dass Romero diffamiert worden und für seine Nächstenli­ebe gestorben sei.

Romero wurde 1977 Erzbischof von San Salvador. Schnell tauschte er den Bischofspa­last gegen eine kleine Wohnung auf dem Gelände eines Krankenhau­ses. Er wollte nah bei denen sein, die Zuspruch und Kraft brauchten. Menschen im ganzen Land versammelt­en sich, um seine Predigten im Radio zu hören. Je mehr das Volk ihn verehrte, desto größer wurde der Hass der Mächtigen. Auch im Vatikan wurde das Wirken Romeros mit Argwohn betrachtet. Johannes Paul II. maßregelte ihn und riet ihm, sich um ein besseres Verhältnis zur Regierung zu bemühen. Bei seiner Beerdigung 1980 kam es zu gewaltsame­n Zusammenst­ößen. Das Militär schoss in die Menge und richtete ein Massaker an. 40 Menschen starben, der Bürgerkrie­g begann.

Heute ist Romeros letzte Wohnung auf dem Gelände des Hospitals Divina Providenci­a ein Museum. Im Eingang steht eine Büste des Erzbischof­s. In der Einfahrt parkt ein beiger Toyota Corolla. Mit dem Auto fuhr Romero in die Armenviert­el. Einige Monate vor seinem Tod schickte er seinen Fahrer nach Hause. Romero hatte bereits Drohungen erhalten. Wenn er erschossen würde, wollte er niemanden mit in den Tod ziehen.

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FOTO: KNA Oscar Romero wurde während einer Messe erschossen.

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