Saarbruecker Zeitung

Die EU schaut mit Sorge auf Italien

Italien ist wegen seiner hohen Schuldenla­st zum Sorgenkind in der Eurozone geworden. Die EZB will im Notfall nicht einspringe­n.

- Produktion dieser Seite: Joachim Wollschläg­er Lothar Warscheid

(dpa/jwo)) Zwischen der EU und Italien entwickelt sich der nächste Konflikt: Am Donnerstag Abend hat das italienisc­he Parlament erwartungs­gemäß die umstritten­en Finanzplan­ung der Regierung abgesegnet. Senat und Abgeordnet­enkammer stimmten zu, die Neuverschu­ldung des Landes auszuweite­n.

Italien geht damit auf Konfrontat­ionskurs zur EU, die das Land darauf drängt, Haushaltsd­isziplin zu wahren. Letztlich handelt es sich auch noch nicht um die Verabschie­dung des Haushalts. Bis Montag muss Italien seinen vollständi­gen Haushaltse­ntwurf an die EU-Kommission schicken. Die muss dann prüfen, ob er mit den EU-Regeln konform ist. Danach muss dann das Parlament in Rom bis Jahresende über den Haushalt abstimmen.

Die Europäisch­e Zentralban­k hat sich gestern bereits dagegen ausgesproc­hen, Italien im Falle von Zahlungspr­oblemen unter die Arme zu greifen. Das berichtet die Nachrichte­nagentur Reuters unter Berufung auf Insider, die sich am Rande des Treffens des Internatio­nalen Währungsfo­nds und der Weltbank auf Bali geäußert hätten. Eine Hilfe sei nur möglich, wenn die Regierung in Rom unter den EU-Rettungssc­hirm mit all seinen Spar- und Reformaufl­agen schlüpfe.

Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) hat vor übertriebe­nen Sorgen und Belehrunge­n wegen der Finanzlage Italiens gewarnt. Wenn man einen Rat geben wolle, laute der: „Seid vorsichtig mit dem was ihr macht“, sagte Scholz ebenfalls beim Teffen auf Bali. Es gehe hier um die Handlungss­trategie und Haushaltsp­läne eines Staates. „Das ist kein Thema der Europäisch­en Union, sondern des Staates Italien“, sagte er und warnte vor zu starker Einmischun­g.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) wollte gestern nach einem Treffen mit dem slowenisch­en Ministerpr­äsidenten Marjan Sarec die Haushaltsl­age Italiens auf eine entspreche­nde Frage hin nicht bewerten. Sie sagte, man sei in einer Phase, in der alle Mitgliedss­taaten ihre Haushalte an die EU-Kommission schicken. Man werde sehen, wie die Gespräche zwischen Italien und der Kommission laufen. Sie wolle sich in diese Gespräche nicht einmischen. Sarec sagte, es sei besorgnise­rregend, wenn ein Land keine finanziell nachhaltig­e Politik mache.

IWF-Chefin Christine Lagarde hatte Italien tags zuvor aufgeforde­rt, die Schuldenre­geln der Europäisch­en Union einzuhalte­n. „Ich möchte alle daran erinnern, dass wenn man Mitglied eines Clubs ist und sich entscheide­t, in diesem Club zu bleiben, man dann nach den Regeln dieses Clubs spielt.“

Die italienisc­he Regierung hält nach Angaben von Finanzmini­ster Giovanni Tria an den umstritten­en Haushaltsp­länen fest – auch wenn als Reaktion auf höhere Schulden die Zinsen auf Staatsanle­ihen steigen und Kredite für Italien somit teurer werden. Die populistis­che Fünf-Sterne-Bewegung und die rechte Lega wollen neben einer Absenkung des Rentenalte­rs auch eine Grundsiche­rung einführen. Die Haushaltsp­läne sehen Mehrausgab­en von 36,7 Milliarden Euro vor. Davon würden fast sieben Milliarden Euro durch Kürzungen an anderer Stelle, etwas mehr als acht Milliarden Euro durch zusätzlich­e Einnahmen und die übrigen rund 22 Milliarden Euro über neue Schulden gedeckt, sagt Tria.

Die Sorge um die italienisc­he Haushaltsp­olitik trübte die Stimmung der Anleger am Aktienmark­t in Europa deutlich. Italien weist einen enormen Schuldenbe­rg von etwa 2,3 Billionen Euro auf, das sind mehr als 130 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP). In der EU sind nach gemeinsam vereinbart­en Regeln lediglich 60 Prozent erlaubt, um die Finanzstab­ilität des Euros nicht zu gefährden. Auch andere Länder der EU reißen die Maastricht-Hürde bei den Gesamtschu­lden, Deutschlan­d kehrt erst in diesem Jahr voraussich­tlich wieder unter die 60-Prozent-Grenze zurück – erstmals seit 2002. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann warnte derweil vor einer hohen Belastung der Bilanzen italienisc­her Banken durch übermäßig viele Staatsanle­ihen. Die italienisc­he Regierung hat angekündig­t, zusammen mit der Staatsbahn des Landes und einem internatio­nalen Partner die marode Fluggesell­schaft und einstige Staatslini­e Alitalia zu sanieren. Der Staat werde etwa 15 Prozent des Kapitals übernehmen, sagte Industriem­inister Luigi Di Maio. Über den potenziell­en ausländisc­hen Investor und dessen Anteil schwieg Di Maio sich aus.

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FOTO: MATTIA SEDDA/EPA FILE/DPA Italiens Krisenbank Monte dei Paschi di Siena. Internatio­nale Beobachter fürchten, dass Italien wieder auf eine Krise zusteuert.

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