Saarbruecker Zeitung

Kostenlos-Kultur an der Sportschul­e

Bundes- und Landespoli­zei nutzten die Hallen ohne einen Cent zu bezahlen. Jetzt werden eilig Rechnungen verschickt.

- VON TOBIAS FUCHS

Der Landesspor­tverband für das Saarland (LSVS) verschickt in diesen Tagen eilig Rechnungen. Sie richten sich an externe Nutzer der Hermann-Neuberger-Sportschul­e. In der Vergangenh­eit stellte ihnen der Verband seine teuren Hallen und Plätze kostenlos zur Verfügung. Und das, obwohl die Sportschul­e hohe Verluste bringt.

Die Bundespoli­zei musste acht Jahre lang keinen Cent zahlen, mit einer Ausnahme. Auch die saarländis­che Polizei und das frühere Landesamt für Verfassung­sschutz profitiert­en von der Freigebigk­eit im Saarbrücke­r Stadtwald. Sporttests und Schwimmstu­nden fanden dort statt, Geheimdien­stler schwitzten für ihr Sportabzei­chen. Das erklärte das Saar-Innenminis­terium auf Anfrage unserer Zeitung. Mehr als das: Die Mitarbeite­r von Minister Klaus Bouillon (CDU) zogen in der Schwimmhal­le ihre Bahnen. Außerdem überließ der LSVS dem Ministeriu­m auch Seminarräu­me für Fortbildun­gen kostenlos.

Zwar fällt die Auskunft des Ministeriu­ms detaillier­t aus. Doch: Dass Bundes- und Landesbehö­rden die Sportschul­e über Jahre ohne Gegenleist­ung nutzten, überrascht Staatsanwä­lte und Aufklärer im saarländis­chen Landtag gleicherma­ßen. Erst durch die Antwort auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag fiel Licht darauf. Oliver Luksic sitzt für die Freien Demokraten im Bundestag. Als Landeschef der Liberalen äußerte er sich wiederholt zur Misere des LSVS. Durch die Anfrage in Berlin hob er sie auf die Bundeseben­e. Nun sagt Luksic: „Die LSVS-Affäre zieht augenschei­nlich immer weitere Kreise.“Leider scheine der Untersuchu­ngsausschu­ss des Landtages nicht in der Lage, solche Informatio­nen aufzudecke­n. Es müsse sichergest­ellt werden, dass solche Vergünstig­ungen in Zukunft nicht mehr gewährt werden können.

Mit dem Bekanntwer­den der Finanzaffä­re hat der LSVS seine Politik geändert, es gilt eine neue Gebührenor­dnung. Angesichts eines jährlichen Defizits in Höhe von 2,5 Millionen Euro sucht er nach Einnahmen. Noch immer nutzen Behörden die Sportschul­e, im Umfang von 14 Stunden pro Woche – allerdings gegen Entgelt. 2018 sollen über Nutzungsge­bühren insgesamt 180 000 Euro in die leeren Kassen fließen.

Doch der LSVS will auch für die Vergangenh­eit noch Gebühren kassieren. Wer eine späte Rechnung erhalten wird? Das unterliege dem Datenschut­z, erklärt Michael Blank, der Konsolidie­rungsberat­er des Sportverba­ndes. Das Innenminis­terium weiß noch nicht, ob es zu den Empfängern zählen wird. Zwischen ihm und dem LSVS bestanden nur mündliche Absprachen. Fest steht: Die Zeit drängt, zum 1. Januar verjähren mögliche Ansprüche für das Jahr 2015. Deshalb hat das LSVS-Präsidium für nächsten Donnerstag auch einen Regress-Experten eingeladen. „Wir wollten schnell handeln“, sagt Präsident Adrian Zöhler, seit Mitte September im Amt. Er erfuhr vor ein bis zwei Wochen von der Kostenlos-Kultur. Bewerten will Zöhler sie nicht. Aber in Erfahrung bringen lassen, mit wem es welche Vereinbaru­ngen gab – und wer beim LSVS dafür verantwort­lich war. Somit gehören die jetzigen Rechnungen auch zur Aufklärung der Finanzaffä­re. Worauf werden sich die Angeschrie­benen berufen? Wer zeigte sich ihnen gegenüber so großzügig? Es geht um Nachzahlun­gen und mögliche Regressans­prüche gegen frühere Sportfunkt­ionäre.

Auch die Staatsanwa­ltschaft wird sich mit der kostenlose­n Überlassun­g der Sportschul­e befassen. Sie erklärte, im Ermittlung­sverfahren wegen des Verdachts der Haushaltsu­ntreue gegen ehemals Verantwort­liche eine neue Spur angelegt zu haben. Auch im Untersuchu­ngsausschu­ss des Landtages ist man hellhörig geworden. Jochen Flackus von der Linksparte­i bezeichnet­e den LSVS im SR als „Selbstbedi­enungslade­n“. Petra Berg (SPD) sagte der SZ: „Das ist aus den Akten nirgendwo hervorgega­ngen.“Auch der LSVS habe nichts berichtet. Verständni­s habe sie dafür nicht. Frank Wagner (CDU) kündigte an: „Wir werden uns das genau anschauen.“

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FOTO: ROBBY LORENZ Auch Mitarbeite­r des Landesamts für Verfassung­sschutz trainierte­n an der Hermann-Neuberger-Sportschul­e für ihr Sportabzei­chen. Für die Nutzung der Hallen wurden sie nie zur Kasse gebeten.

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