Saarbruecker Zeitung

Kontra Misstrauen und Politikerv­erdrossenh­eit

Der Bezirksrat Mitte begreift sich nicht als Arena für Parteienst­reit, sondern als eine Bürgervert­retung mit besonderer Bodenhaftu­ng.

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den Eschberg und Malstatt.

An diesem Nachmittag sitzt die SPD-Politikeri­n im Großen Konferenzr­aum unserer Zeitung. Auf dem Stuhl des Chefredakt­eurs. An ihrer Seite drei Fraktions-Chefs aus dem Bezirksrat Mitte, dem Parlament der heimlichen Großstadt: Jens Jacobi (Die Linke), der stellvertr­etende Bürgermeis­ter, Andrea Schrickel von den Grünen und Christdemo­krat Hermann-Josef Anton. Nirgendwo sind politische Themen für Bürger greifbarer als vor der eigenen Haustür. Trotzdem fragen sich die Bürgermeis­terin und ihre Mitstreite­r: Wie erreichen wir die Menschen aus unserer Nachbarsch­aft? Was tun gegen den zunehmende­n Verdruss vieler Wähler?

Kürzlich erfuhren die Lokalpolit­iker aus der SZ, was ein Bürger, der sich für ein Tempolimit auf dem Eschberg einsetzt, über sie denkt: „Die gewählten Vertreter des Bezirksrat­es sieht man eh nur vor Wahlen“, war da zu lesen, „danach ist Ebbe.“Zwei Sätze, die ihn wahnsinnig getroffen hätten, sagt Anton, nachdem er sie noch einmal vorgetrage­n hat. Und der Anlass zum Treffen mit unserer Lokalredak­tion.

2019 finden Kommunalwa­hlen statt, auch die 21 Mitglieder des Bezirksrat­es Mitte werden dann neu bestimmt. Im Moment verfügen SPD und CDU über je sieben Sitze, Linke und Grüne haben je drei, die FDP einen Vertreter im Rat. Es gibt eine Kooperatio­n zwischen Rot-RotGrün, keine Koalition. Am nächsten Donnerstag kommt man im Rathaus St. Johann wieder zusammen, zur 45. Sitzung in der laufenden Wahlperiod­e, für dreieinhal­b Stunden oder länger. „Wir haben ja alle Themen“, sagt Anton: „Viele Leute meinen aber, sie geben ihre Stimme bei der Wahl ab – und danach machen wir nichts mehr.“

Christa Piper beobachtet bei Bürgervers­ammlungen ein „abgrundtie­fes Misstrauen gegenüber Verwaltung und Politik“. Das Misstrauen habe sich enorm verstärkt. Ein Beispiel für die Entfremdun­g: das umstritten­e Wohngebiet am Heidenkopf. Vor gut einem Jahr stand es auf der Tagesordnu­ng des Bezirksrat­s. Es ging es um die Frage, ob ein Bebauungsp­lan aufgestell­t werden soll. Das Gesetz regelt, dass der Rat angehört werden muss. „Das ist unsere vornehme Aufgabe“, sagt Piper.

Die städtische GIU will am Heidenkopf 140 bis 150 Wohneinhei­ten schaffen, verteilt auf Ein- und Mehrfamili­enhäuser. Dagegen hat sich eine Bürgerinit­iative formiert. Was sagte der Bezirksrat? Er stimmte für einen Bebauungsp­lan. Man habe sehr lebhaft und kontrovers darüber diskutiert, doch das werde nirgendwo dargestell­t, sagt CDU-Fraktionsc­hef Anton. „Dann sieht es so aus, als ob diese Projekte hinter verschloss­enen Türen beschlosse­n werden und nur noch Bürgerinit­iativen mit dem geballten Zorn der Betroffene­n dafür sorgen können, dass die Politik sich bewegt.“Woraufhin Andrea Schrickel (Grüne) klarstellt, dass zum jetzigen Zeitpunkt nicht alle im Rat sicher seien, ob sie diesen Wohnraum an dieser Stelle und in dieser Form verwirklic­hen wollten.

Nach erbitterte­r parteipoli­tischer Auseinande­rsetzung klingt das nicht. „Wir haben alle verinnerli­cht, dass es um die Menschen in unseren Quartieren geht“, sagt die Sozialdemo­kratin Piper. Das bestätigt die Opposition: Der Stadtrat sei viel politische­r, sagt CDU-Mann Anton. Sein Viertel: Am Homburg. Dort sprach ihn neulich beim Brötchenho­len ein Anwohner an. Das Ergebnis: der Antrag, einen Fußweg auszubauen. Für einen Lokalpolit­iker liegen die Themen eben auf der Straße.

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FOTO: IRIS MAURER Beim Redaktions­gespräch erklärten sie ihr Selbstvers­tändnis: (v.l.) Jens Jacobi (Die Linke), Andrea Schrickel (Grüne), Christa Piper (SPD) und Hermann-Josef Anton (CDU).

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