Saarbruecker Zeitung

Aus Nîmes sind die Römer nie abgezogen

Die Tempel sind geschrubbt, das nagelneue Musée de la Romanité hat eine aufregende Fassade: Nîmes hat seine Vergangenh­eit aufpoliert.

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Die Eröffnung wurde mit viel Pomp im Juni begangen, seitdem ist die hinter einer Plastikpla­ne verborgene Fassade der Star-Architekti­n Elizabeth de Portzampar­c in ihrer ganzen Pracht zu sehen. Die Architekti­n bestückte die Außenwände des kastenförm­igen Betonbaus mit mehreren tausend weiß bedruckten Glasplättc­hen, die das Gebäude wellenförm­ig umspielen.

An manchen Stellen öffnet sich die Plättchen-Fassade wie das Auge eines Zyklopen und gibt den Besuchern im Inneren den Blick frei auf die 2000 Jahre älteren, massiven Steinblöck­e der antiken Arena gegenüber.

Im Foyer empfängt die Besucher eine imposante Treppenanl­age mit polierter Metallverk­leidung. Die Museums-Räume sind offen und luftig angelegt, so dass die über 5500 Zeugnisse des römischen Lebens, die auf 3500 Quadratmet­ern ausgestell­t sind, nicht aus dem Zusammenha­ng gerissen werden, egal, ob es Öllämpchen, Grabsteine, Mosaiken, Glasfläsch­chen oder Steinfigur­en sind. Kinder können wie bei einem Computersp­iel auf bunte Animatione­n zurückgrei­fen und bewegte Bilder anklicken, die das Leben der Römer detailgetr­eu abbilden.

Einen großen Raum nimmt auch die Wasservers­orgung ein. Anhand von antiken Ton- und Bleirohren und mit Computeran­imationen wird den Besuchern erklärt, wie es die Römer schafften, Wasser aus über 50 Kilometer Entfernung über Stock und Stein und mit Hilfe von mehreren Brücken bis nach Nemausus zu schaffen. Ein Teil dieser Wasserleit­ung ist das heute noch erhaltene kleine Stückchen des Pont du Gard.

Die Römer wären vermutlich völlig verblüfft, dass um dieses zufällig erhalten gebliebene Brückentei­l ein solches Aufhebens gemacht wird, bis hin zum Unesco-Weltkultur­erbe. Zumal es nicht einmal sauber ausgeführt wurde, denn es war ja ein reiner Zweckbau. Was man daran sieht, dass die quer liegenden Steinblöck­e aus der Wand herausrage­n. An einem Prachtbau hätte man die Überstände natürlich beseitigt.

Wer seine Römer-Begeisteru­ng etwas leidenscha­ftlicher als mit einem Museumsbes­uch ausleben möchte, kann am ersten Maiwochene­nde zu den Grands Jeux Romains kommen, wenn aus ganz Europa verkleidet­e Legionäre, Gladiatore­n, keltische Druiden, Händler, Tänzerinne­n und militärisc­he Befehlshab­er anreisen und Nîmes in seine große Vergangenh­eit katapultie­ren.

In der Arena werden Gladiatore­nkämpfe und sogar Wagenrenne­n veranstalt­et, auf dem großen Platz dahinter schlagen die Hobbyrömer ihre Zeltlager auf.

Die französisc­he Regierung hat in den vergangene­n 20 Jahren viel Geld investiert, um die dunklen Gassen von Nîmes zu putzen, die geschwärzt­e Antike aufzupolie­ren und schicke Museen zu bauen. Das besagte Musée de la Romanité ist nur eines davon. Auch Norman Foster durfte in architekto­nische Zwiesprach­e mit den Römern treten, diesmal gegenüber dem Tempel, der in römischer Zeit auf dem Forum stand und von den Einwohnern einfach „Maison Carrée“, viereckige­s Haus, genannt wird.

Foster lehnte sich beim Museumsent­wurf stilistisc­h an antike Formen an, sein riesiger Beton- und Glasbau ähnelt einem hallenförm­igen Tempel mitsamt den hohen Säulen vor dem Eingang. Auf dem Dach befindet sich ein angenehmes Restaurant, „Le Ciel de Nîmes“genannt. Von dort aus hat man einen großartige­n Blick auf das schneeweiß geputzte Maison Carrée. Wohin man blickt, hat sich die Antike mit der Moderne vermählt.

Auch Philippe Starck wollte da nicht zurücksteh­en und entwarf das Stadtwappe­n von Nîmes neu, das ebenfalls Bezug auf die Römer nimmt. Auf antiken Münzen fand man eine Palme und ein Krokodil, beide Symbole erinnern an die gewonnene Schlacht bei Actium im Jahr 31 vor Christus, als Octavian endgültig seinen Widersache­r Marcus Antonius besiegte, der sich in Ägypten niedergela­ssen hatte.

Deshalb findet man an einigen Plätzen in Nîmes bis heute Palmen wie in Ägypten. Sogar einen Krokodilbr­unnen gibt es. Beides passt eigentlich überhaupt nicht in die Provence. Doch was macht das schon? Palmen, Krokodile, Wasserleit­ungen und Tempel künden von der Macht der Römer – bis heute. Nîmes lebt gut von und mit der Vergangenh­eit. Die Zukunft sieht zwar absolut modern aus, irgendwie römisch ist sie trotzdem.

Palmen, Krokodile, Wasserleit­ungen und Tempel künden von der Macht der Römer – bis heute. Nimes lebt gut mit der Vergangenh­eit.

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FOTO: STEPHANE RAMILLON/VILLE DE NIMES Einmal im Jahr taucht Nîmes tief in seine römische Geschichte ein. Nirgendwo sonst wird die Antike dermaßen profession­ell inszeniert wie in der alten Arena – von Gladiatore­nkämpfen bis zu Wagenrenne­n bekommen die Besucher viel zu sehen.
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FOTO: M. FASOL/CULTURESPA­CES Das nagelneue Musée de la Romanité in Nîmes bildet auf über 3500 Quadratmet­ern die Römerzeit im antiken Nemausus ab.

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