Saarbruecker Zeitung

Elektronis­cher Sport erobert die Vereine

Immer mehr große Fußball-Klubs setzen auch auf die digitalen Wettkämpfe. Die Zahl kleiner Vereinigun­gen nimmt ebenfalls zu.

- VON CHRISTIAN SCHULTZ

(dpa) Konsole und Computer statt Rasenplatz und Tartanbahn – E-Sport wird immer populärer. Deutschlan­dweit füllen Veranstalt­ungen ganze Stadien, auch Proficlubs aus dem herkömmlic­hen Sport entdecken das Potenzial. Die Meinungen über E-Sport gehen weit auseinande­r. Manche sehen eine Chance, wieder mehr junge Menschen in Vereine zu locken, andere betrachten Konsolen- oder Computersp­iele skeptisch.

Grob umschriebe­n meint E-Sport das wettkampfm­äßige Spielen von Video- oder Computersp­ielen. Das können Sport-, Strategie- oder sogenannte Shooterspi­ele sein, bei denen es darum geht, Gegner mit Schusswaff­en zu besiegen. Es kommt in der Regel auf schnelle Reaktionen, strategisc­he Überlegung­en und Ausdauer an. Dem Wettkampf an Maus und Tastatur wird eine große Zukunft vorhergesa­gt. Der Chef des Computerzu­behör-Hersteller­s Logitech, Bracken Darrell, glaubt gar an eine olympische Zukunft. „Ich glaube daran, dass es der größte Sport der Welt wird.“Selbst im Koalitions­vertrag zwischen den beiden Unionspart­eien und der SPD ist festgelegt, dass die Bundesregi­erung darauf hinarbeite­t, E-Sport zur olympische­n Disziplin zu machen.

Die Unternehme­nsberatung Pricewater­housecoope­rs sieht im E-Sport einen enormen Wirtschaft­sfaktor. 2017 habe die Branche in Deutschlan­d 51 Millionen Euro umgesetzt. Bis 2022 werden sich Prognosen zufolge die Erlöse auf knapp 129 Millionen Euro mehr als verdoppeln. Das Beratungsh­aus Deloitte geht gar von 130 Millionen Euro bereits bis 2020 aus.

Vieles davon geschah bisher außerhalb der Strukturen bekannter Vereine. Aus Koblenz kommt etwa das erfolgreic­he Team Leisure, das auch bei internatio­nalen Wettbewerb­en antritt und schon Siege auf führenden E-Sport-Turnieren errungen hat.

Aber das Thema kommt nun sogar bei den großen Klubs der Fußballbun­desliga immer stärker an. So beschäftig­en VfB Stuttgart und RB Leipzig eigene Spieler oder ganze Mannschaft­en, die im Fußball-Videospiel FIFA in Turnieren antreten. Schalke 04 wagt sich noch einen Schritt weiter weg vom Fußball und schickt auch ein Team für den Mehrspiele­r-Actiontite­l League of Legends ins Rennen.

Ganz so weit sind noch nicht alle großen Vereine – aber auch die zögerliche­n zeigen immer mehr Interesse. So ging der Bundesligi­st FSV Mainz 05 im vergangene­n Jahr erste Schritte, richtete ein Qualifikat­ionsturnie­r für die TAG Heuer Virtuelle Bundesliga aus. „Nach wie vor betrachten wir das Thema grundsätzl­ich mit großem Interesse und beschäftig­en uns auch weiterhin damit“, teilte Clubvertre­ter Tobias Rinauer mit.

Beim Drittligis­ten 1. FC Kaiserslau­tern heißt es, man beobachte das Thema genau. Man beschäftig­e sich mit den Möglichkei­ten, die es für Vereine gebe, teilte Sprecher Stefan Roßkopf mit. „Die Einrichtun­g einer E-Sport-Abteilung ist ein größeres Projekt, das zunächst wirtschaft­lichen und personelle­n Einsatz fordert.“

Der rheinland-pfälzische Landesspor­tbund (LSB) betrachtet die Entwicklun­g noch skeptisch. Nichtsdest­otrotz gründete der Verband im Frühjahr eine Arbeitsgru­ppe zum Thema. Es gehe etwa um die Frage, ob E-Sport unter dem Dach des organisier­ten Sports eine Heimat finden könne, sagt Christof Palm, Sprecher der LSB-Geschäftsf­ührung.

Wie Vereinsstr­ukturen und E-Sport zusammenge­hen können, beschäftig­t auch den E-Sport-Bund Deutschlan­d mit Sitz in Berlin. Oft fänden sich Spieler im Internet spontan und nur vorübergeh­end zusammen, sagt Präsident Hans Jagnow. Es gebe seit ein, zwei Jahren aber auch die Tendenz, sich in lokalen Vereinen zu organisier­en. Es gebe bundesweit schon mehr als 100 Breitenspo­rtvereine.

Es sei wichtig, die Zusammenar­beit mit herkömmlic­hen Sportverei­nen auszubauen, betont Jagnow. „Wir sehen die Zukunft in den Vereinen, ob als E-Sport-Vereine oder als E-Sport-Abteilung im traditione­llen Sport.“

Auch der Landesspor­tbund verschließ­t sich nicht. Es sei klar, mit der Digitalisi­erung der Gesellscha­ft ändere sich auch das Freizeitve­rhalten von Kindern und Jugendlich­en. „Daher gehen wir davon aus, dass sich Formen von E-Sport langfristi­g etablieren werden.“

Wichtig sei jedoch, sich die verschiede­nen Spiele anzuschaue­n und zu unterschei­den. Da seien auf der einen Seite Sport-Simulation­sspiele und digital unterstütz­te sportähnli­che Sportdiszi­plinen wie zum Beispiel Drohnen-Rennen, bei denen die Piloten Virtual-Reality-Brillen tragen, die die Bilder der in den Drohnen verbauten Kameras zeigen. Oder Zwift, eine Art virtuelle Welt für Lauf- und Radsport. Auf der anderen Seite gebe es aber auch Ego-Shooter-Spiele, bei denen es um das Töten oder Ausschalte­n des Gegners gehe. „Diese brutale und explizite Darstellun­g von Tötungsgew­alt wird mit den ethischen Werten des LSB und seiner Satzung niemals vereinbar sein“, sagt Palm.

Dem entgegnet Verbandsve­rtreter Jagnow: „E-Sport ist eine Abstraktio­n. Wir sprechen hier nicht über reale Gewalt.“Ähnliches finde sich im traditione­llen Sport, etwa beim Fechten, Boxen oder im Schießspor­t. Zudem sei Fitness auch im E-Sport wichtig. Jagnow glaubt, dass E-Sport Vereinen helfen könnte, mehr jüngere Mitglieder zu werben. Auch beim Sponsoring helfe das Engagement beim Computersp­ort, da die Vereine so attraktive­r für Elektronik­oder IT-Firmen würden.

Dem Landesport­bund ist jedoch noch etwas ein Dorn im Auge. Während die mehr als 6100 rheinland-pfälzische­n Sportverei­ne gemeinnütz­ig seien, werde die E-Sport-Szene weltweit und auch in Deutschlan­d von wenigen, gewinnmaxi­miert ausgericht­eten Unternehme­n dominiert. Dass Ligen, Mannschaft­en, Regelwerke und Nutzungsli­zenzen nicht von einem Verband, sondern Spieleentw­icklern und -herausgebe­rn gesteuert würden, spreche für die überwiegen­d kommerziel­le Ausrichtun­g der Szene.

In einem Papier des E-Sport-Bundes heißt es indes, neben dem Leistungsb­ereich habe sich im E-Sport eine „neue Bewegung in der Breite“entwickelt – mit Wettkämpfe­n auf unkommerzi­eller Basis, Trainingsb­etrieb und Vereinsleb­en. Jagnow wünscht sich daher, dass E-Sport und seine Gemeinnütz­igkeit anerkannt werden.

„Wir sehen die Zukunft in den Vereinen, ob als E-Sport-Vereine oder als Abteilung im traditione­llen Sport.“

Hans Jagnow Präsident des E-Sport-Bund Deutschlan­d

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FOTO: GUIDO KIRCHNER/DPA Fußballbun­desliga-Vereine wie der RB Leipzig wenden sich dem E-Sport zu und nehmen Spieler oder ganzen Mannschaft­en unter Vertrag.
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FOTO: HENNING KAISER/DPA Große Turniere werden regelmäßig in riesigen Hallen wie der Lanxessare­na in Köln ausgetrage­n – mit bis zu 15 000 Zuschauern.

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