Saarbruecker Zeitung

Erste CSU-Politiker fordern Seehofer zum Rücktritt auf

Der CSU-Chef erklärt in Berlin die Wahlschlap­pe seiner Partei, will aber selbst erstmal keine Konsequenz­en ziehen. Später vielleicht.

- VON HAGEN STRAUSS

MÜNCHEN/BERLIN (dpa/afp) Nach der schweren CSU-Niederlage in Bayern wächst der Druck auf Parteichef Horst Seehofer. Zwei Kreisverbä­nde fordern inzwischen die Ablösung des 69-Jährigen, der größte Bezirksver­band Oberbayern verlangt einen Sonderpart­eitag noch in diesem Jahr. Auch im Bundestag brodelt es. Der CSU-Abgeordnet­e Alexander Hoffmann fordert ein „klares Bekenntnis zur Neuordnung“an der Parteispit­ze. „Zu sagen, erst mal bilden wir eine Regierung und dann gucken wir mal, ist das falsche Signal.“In überschaub­arer Zeit müsse Seehofer ersetzt werden, sagte Hoffmann.

Seehofer kündigte gestern an, nach der Regierungs­bildung in Bayern solle zwischen Mitte November und Mitte Dezember das Wahlergebn­is aufgearbei­tet werden. Dann sei er „durchaus“dazu bereit, auch über personelle Konsequenz­en zu reden.

BERLIN (SZ/dpa) Brust raus, Bauch rein und die Arme vor sich verschränk­t. So sitzt CSU-Chef Horst Seehofer über weite Strecken seiner Pressekonf­erenz auf dem Podium. Nun gibt es für diese Haltung, die er durchaus des Öfteren zeigt, mehrere Deutungen von Körperspra­chexperten. Eine lautet: Ich bin standhaft. Genau das ist in Berlin auch Seehofers Botschaft am Tag zwei nach dem Debakel der CSU bei der Landtagswa­hl im Freistaat Bayern. Er will nicht weichen, weder als Parteivors­itzender der CSU, noch als Innenminis­ter. Zumindest in den kommenden vier Wochen nicht.

Erst soll in Bayern gemäß der Frist in der Landesverf­assung eine neue Regierung durch Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) gebildet werden. Spätestens bis zum 12. November muss das geschehen. Dann erst werde das Wahlergebn­is der CSU von rund 37 Prozent analysiert, sagt Seehofer. Mit „nachhaltig­en Konsequenz­en“. Aus diesem Grund wolle er jetzt keine Personaldi­skussion führen, danach sei er dazu „durchaus bereit“. Auch dazu, sich der Basis zu stellen, etwa auf einem Parteitag. Soll heißen: Zunächst bleibt alles beim Alten in der CSU. Aber dann. Schon „Kaiser“Franz Beckenbaue­r hat immer gesagt: „Schaun mer mal, dann sehn mer scho.“Ähnlich hält es der Christsozi­ale nun auch.

Seehofer ist halt ein alter Fuchs mit extrem dickem Fell. Ihm kann man so schnell nicht beikommen. Hier ein Zückerli für seine Kritiker, dort ziemlich viel Selbstlob über das von ihm in der großen Koalition mit auf den Weg Gebrachte – ja, und über Ton und Stil in den letzten Monaten könne man natürlich diskutiere­n. „Die Stilfrage akzeptiere ich“, meint der 69-Jährige großzügig. Auch wenn er sich an manches schon gar nicht mehr erinnern könne, „das muss ich mir nochmal vor Augen führen“. Ob er künftig weniger mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) streiten werde? „Ich habe doch ordentlich­es Verhalten zugesagt“, sagt der CSU-Mann darauf grinsend. Das hat er freilich schon öfter. Daran gehalten hat er sich nie.

Zweimal hat Seehofer in den vergangene­n Monaten mit dafür gesorgt, dass die große Koalition an den Rand des Abgrunds rutschte. Durch den Streit mit der Kanzlerin über die Zurückweis­ung von Flüchtling­en an der Grenze, dann in der Affäre um Verfassung­sschutzprä­sident Hans-Georg Maaßen. Die beiden Krisen haben das Regierungs­bündnis aus CDU, CSU und SPD nachhaltig verändert, und auch die Union. Man traut sich noch weniger über den Weg. Dem CSU-Chef wird von allen Seiten zur Last gelegt, er sei dafür verantwort­lich, dass die Groko in so einem schlechten Licht steht, was auch erheblich zum Debakel der CSU bei der Wahl beigetrage­n haben soll – und die Wahlkämpfe­r in Hessen derzeit zittern lässt. Bei der SPD sehen sie das sogar als Hauptgrund für ihr Desaster.

Seehofer empfindet das natürlich anders. „Sie müssen sich immer prüfen“, sagt der Minister, „trifft das zu oder nicht“. Das habe er getan. Ergebnis – wen wundert’s: Nein, die Vorwürfe und Berichte über ihn treffen nicht zu. Selbst SPD-Minister sagten zu ihm: „Wenn man mit Ihnen zu tun hat, dann glaubt man gar nicht, dass Sie das sind.“Auch dürfe man nicht aus jeder Diskussion eine Machtfrage machen. „Was soll ich noch für Machtfrage­n verfolgen? Ich werde 70. Ich bin froh, wenn ich mich zu Hause durchsetze.“Ein typischer Seehofer-Witz. Vorne auf dem Podium sitzt ein politische­r Wolf im Schafspelz.

Er verrät, dass er Markus Söder schon dreimal angeboten habe, sein Amt als Vorsitzend­er zur Verfügung zu stellen. Kurz nach der Bundestags­wahl, vor dem Parteitag vergangene­s Jahr in Nürnberg, bevor er wiedergewä­hlt wurde, dann auf dem Höhepunkt des Migrations-Streits. Dreimal ist er im Amt verblieben. Seit dem Wahl-Debakel haben zwei CSU-Kreisverbä­nde seinen Rücktritt gefordert. Seehofer sagt, ihm mache die Arbeit noch Spaß. Die CSU werde auch weiter „als stabiler Faktor“in der Groko arbeiten – da müssen viele im Saal schmunzeln. Ob auch er weiter dabei sein wird, entscheide­t sich endgültig in vier Wochen.

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FOTO: HOPPE/DPA Erstmal Aussitzen mit breitem Kreuz: So wirkt es, wie CSU-Chef Seehofer nach der Wahlnieder­lage seiner Partei in Bayern reagiert. Bis zur Regierungs­bildung will er keine Personalde­batte führen. Dann ist er dazu „durchaus bereit“.

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