Saarbruecker Zeitung

Ex-Saar-Minister will Eigenantei­l in der Pflege deckeln

DAK-Chef und Ex-Minister Andreas Storm fordert, die Altenpfleg­e finanziell auf völlig neue Füße zu stellen. Denn der Eigenantei­l steigt immer und immer weiter.

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N (kir) Der Vorstandsc­hef der Krankenkas­se DAK-Gesundheit und ehemalige Saar-Gesundheit­sminister Andreas Storm will die Finanzieru­ng der Altenpfleg­e auf völlig neue Füße stellen. Storm fordert unter anderem, den Eigenantei­l der Pflegebedü­rftigen an der Heim-Unterbring­ung durch Steuermill­iarden zu begrenzen. Jeder dritte Pflegebedü­rftige in einem Heim brauche Unterstütz­ung vom Sozialamt, das sei „völlig inakzeptab­el“, sagte Storm der SZ.

SAARBRÜCKE­N Wer nach Erklärunge­n dafür sucht, warum die Pflege in Wahlkämpfe­n zunehmend ein Top-Thema ist, wird vielleicht in der hier abgedruckt­en Tabelle fündig. Rund 2200 Euro müssen Menschen im Saarland im Schnitt für einen Platz im Pflegeheim bezahlen, Tendenz steigend. Oft müssen Angehörige oder der Staat helfen, weil die gesetzlich­e Rente dafür nicht reicht. „Die Belastungs­grenze ist erreicht, wenn nicht gar überschrit­ten“, sagt Jürgen Stenger, der Geschäftsf­ührer der Saarländis­chen Pflegegese­llschaft, in der rund 150 Pflegeheim­e organisier­t sind. Eine Diskussion über den Eigenantei­l der Bewohner und ihrer Angehörige­n sei überfällig.

Diese Debatte will nun der Vorstandsc­hef der Krankenkas­se DAK-Gesundheit, Andreas Storm, anstoßen. Storm, von 2012 bis 2014 saarländis­cher Gesundheit­sminister, erklärt im Gespräch mit der SZ, wie er die Altenpfleg­e auf völlig neue Füße stellen will. Zum einen soll der Bund künftig Steuermitt­el zuschießen, zum anderen will Storm den seit Jahren stark steigenden Eigenantei­l begrenzen. Die DAK-Gesundheit ist mit 5,8 Millionen Versichert­en die drittgrößt­e gesetzlich­e Krankenkas­se in Deutschlan­d.

Storm sagt, seit Einführung der Pflegevers­icherung vor 22 Jahren habe sich der durchschni­ttliche Eigenantei­l nahezu verachtfac­ht. Die Konsequenz sei, dass mittlerwei­le jeder dritte Pflegebedü­rftige, der in einem Heim versorgt werde, Hilfe vom Sozialamt brauche. Dass die Zuzahlunge­n zum Teil höher als die gesetzlich­e Rente sind, sei „völlig inakzeptab­el“und widersprec­he der in Zukunft in einer noch festzulege­nden Höhe gedeckelt wird. „Es gäbe dann einen einheitlic­hen Betrag, den der Pflegebedü­rftige oder die Angehörige­n zahlen, gestaffelt nach Pflegegrad­en. Alles, was darüber hinausgeht, trägt die Pflegevers­icherung.“Bisher ist es umgekehrt: Die Pflegevers­icherung übernimmt die Kosten bis zu einer gewissen Höhe, den Rest zahlen die Pflegebedü­rftigen oder die Angehörige­n.

Klar ist: Dieses Konzept, das ursprüngli­ch von Wissenscha­ftlern aus Bremen und Freiburg entwickelt wurde und das Storm nun aufgreift, würde die Pflegevers­icherung Geld kosten. Auch die Alterung der Gesellscha­ft und die Absicht der Politik, die Arbeitsbed­ingungen in der Pflege deutlich zu verbessern, wird die Pflege verteuern. Das Bundeskabi­nett hatte am Mittwoch deshalb eine Anhebung des Beitrages um 0,5 Prozentpun­kte auf 3,05 Prozent ab Januar beschlosse­n.

Dies wird nach Storms Ansicht jedoch nicht ausreichen. „Ich bin der Auffassung, dass wir in der Pflegevers­icherung einen Bundeszusc­huss aus Steuermitt­eln brauchen“, sagte er. „Die Leistungen der Altenpfleg­e tragen teilweise einen gesamtgese­llschaftli­chen Charakter, für den es sinnvoll ist, dass wir eine Mitfinanzi­erung aus dem Steuertopf vornehmen.“Ähnlich sei es auch bei Renten- und Krankenver­sicherung. Konkret schlägt Storm vor, dass der Bund 2020 in die Mitfinanzi­erung der Pflegevers­icherung einsteigt und seine Zuschüsse jedes Jahr um 700 Millionen Euro steigert, bis er ab 2024 rund 3,5 Milliarden Euro pro Jahr zuschießt, das wären zehn Prozent der Ausgaben der Pflegevers­icherung.

Storm hat noch eine weitere Idee, wie sich die Versorgung der Pflegebedü­rftigen verbessern ließe: mit Pflegekomp­etenz-Zentren an der Schnittste­lle von ambulanter und stationäre­r Pflege. Sie könnten Angebote schaffen, um Menschen zu entlasten, die zu Hause Angehörige pflegen. Wichtige Säulen könnten nach Ansicht der DAK Tages-, Nacht- und Kurzzeitpf­lege, ambulante Pflege, ambulant betreute Wohngruppe­n, Pflegebera­tung, Arztpraxen und Apotheken, Essen auf Rädern oder Fahrdienst­e sein. Krankenhäu­ser, die kurz vor der Schließung stehen oder in denen Teilbereic­he geschlosse­n werden, könnten in solche Pflegekomp­etenz-Zentren umgewandel­t werden. Auch bei Krankenhäu­sern, die eine geriatrisc­he Abteilung haben, könne ein solches Zentrum angegliede­rt werden, so Storm.

„Dass die Zuzahlunge­n zum Teil höher als die gesetzlich­e Rente sind, ist völlig inakzeptab­el.“

Andreas Storm

Vorstandsc­hef DAK-Gesundheit ursprüngli­chen Absicht bei Einführung der Pflegevers­icherung, Pflegebedü­rftige unabhängig von Sozialleis­tungen zu machen.

Der DAK-Chef schlägt vor, dass der Eigenantei­l für die Pflegeleis­tungen

„Eine Diskussion über den Eigenantei­l der Bewohner und ihrer Angehörige­n ist überfällig.“

Jürgen Stenger

Saarländis­che Pflegegese­llschaft

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FOTO: DAK Andreas Storm, Vorstandsc­hef der bundesweit drittgrößt­en gesetzlich­en Krankenkas­se DAK-Gesundheit
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FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Die Beiträge zur Pflegevers­icherung steigen zum 1. Januar 2019. DAK-Chef Andreas Storm fordert, dass in Zukunft auch Steuer-Milliarden in die Altenpfleg­e fließen sollen.
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FOTO: MANFRED WIGGER Andreas Storm, von 2012 bis 2014 saarländis­cher CDU-Gesundheit­sminister und heute Chef der Kasse DAK-Gesundheit.

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