Saarbruecker Zeitung

„Das ist eine sensatione­lle Vorlage“

Nach der Bayern-Wahl ist vor der Hessen-Wahl: Der grüne Spitzenkan­didat verspürt mächtig Rückenwind aus dem Freistaat.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE WERNER KOLHOFF

BERLIN In Hessen, wo in zwei Wochen gewählt wird, koalieren die Grünen schon mit der CDU. Doch die Union schwächelt. Tarek Al-Wazir, der 47-jährige Wirtschaft­sminister und Spitzenkan­didat, hofft nun, dass seine Partei vom Rückenwind aus Bayern profitiere­n kann – und noch weiter zulegt.

Was bedeutet das Ergebnis der Grünen in Bayern für Ihren Wahlkampf in Hessen?

AL-WAZIR Das ist eine sensatione­lle Vorlage. Jetzt wollen wir nachlegen. Unser Ziel ist es, deutlich stärker zu werden. Wir sehen die Chance, das beste Ergebnis zu erzielen, das wir je hatten.

Also mehr als die 13,7 Prozent aus dem Jahr 2009. Wollen Sie die Bayern-Grünen mit ihren 17,5 Prozent noch übertrumpf­en?

AL-WAZIR Die Chance ist da. Ob es gelingt, darüber entscheide­n die nächsten zwei Wochen. Wir führen einen sehr ähnlichen Wahlkampf wie unsere bayerische­n Freundinne­n und Freunde, trotz unterschie­dlicher Ausgangspo­sitionen. „Vernunft und Leidenscha­ft statt Populismus“ist unser Slogan; die Bayern haben gesagt: „Mut geben statt Angst machen“. Das drückt dieselbe Haltung aus: Wir wollen an Lösungen arbeiten für unser Land, statt Probleme immer noch größer zu reden.

Ist es auch in Hessen Ihr Ziel, die SPD zu überholen?

AL-WAZIR Mein Ziel ist es, dass wir Grüne möglichst stark werden. Auf welchem Platz wir landen, ist da eher zweitrangi­g. Wenn wir sehr stark werden, können wir das, wofür die Menschen uns wählen, auch in die Realität umsetzen. Darum geht es uns.

Der Sieg der Grünen in Bayern ist aber auch ein Pyrrhussie­g, denn fürs Regieren werden sie nach Lage der Dinge nicht gebraucht. Könnte Ihnen Ähnliches drohen, wenn die Union mit der SPD in Wiesbaden eine große Koalition bildet?

AL-WAZIR Natürlich ist es immer eine Gefahr, dass man trotz guter Ergebnisse am Ende seine Ziele nicht umsetzen kann. Das entscheide­n die Wählerinne­n und Wähler. Je stärker wir werden, umso grüner wird es. Und dann werden wir schauen, mit wem geht es rechnerisc­h, und was geht in der Sache. Eine große Koalition ist eine reale Gefahr, sie droht am Ende immer dann, wenn andere Konstellat­ionen nicht zustande kommen. Das haben wir ja in Berlin nach dem Scheitern von Jamaika gesehen.

Ist der gegenwärti­ge grüne Hype das Ergebnis einer inhaltlich­en Neuorienti­erung der Wähler? Oder hat er eher mit der Schwäche anderer Parteien, vor allem der Volksparte­ien, zu tun?

AL-WAZIR Natürlich profitiere­n wir von dieser Schwäche, aber ich glaube, es steckt mehr dahinter. Das eine ist: Es gibt viel mehr Menschen, die eine echte Klima- und Umweltschu­tzpolitik wollen, als die anderen Parteien so denken. Das zweite ist unsere klare Haltung: Wir haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass wir unser offenes, vielfältig­es und demokratis­ches Deutschlan­d verteidige­n und der Gegenpol zur AfD sind. Andere sind da nicht so klar. Siehe Horst Seehofer und seine Strategie in der Flüchtling­sfrage. Oder Sahra Wagenknech­t, die am Sonnabend bewusst nicht unter den 200 000 Demonstran­ten in Berlin war.

Sind die Grünen jetzt, vor allem nach dem Abschneide­n in Bayern, auf dem Weg zur Volksparte­i?

AL-WAZIR Wir können noch viel stärker werden, aber eine Volksparte­i im früheren Sinne werden wir nicht. Einfach, weil es die Volksparte­ien alten Typs mit 40 Prozent und mehr so gar nicht mehr gibt.

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FOTO:RUMPENHORS­T/DPA Tarek Al-Wazir ist Wirtschaft­sminister und grüner Spitzenkan­didat in Hessen.

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