Saarbruecker Zeitung

Der Streit um die Ukraine spaltet die orthodoxe Welt

Der Patriarch von Konstantin­opel hat die Unabhängig­keit der ukrainisch­en Orthodoxie von Moskau anerkannt. Das empört die russisch-orthodoxe Kirche.

-

Am Montagaben­d beschloss die russisch-orthodoxe Kirche auf einer Synode in Minsk den endgültige­n Bruch mit dem orthodoxen Patriarcha­t in Konstantin­opel. Am nächsten Morgen erfuhren Russlands Gläubige bereits, welche Stätten im Ausland sie besser meiden sollten. Wer den Anweisunge­n nicht Folge leiste, müsse mit Strafen rechnen, ließ die russisch-orthodoxe Kirche (ROK) verlauten. Strafmaß und Züchtigung­sart teilte die ROK indes noch nicht mit.

Wer in Istanbul oder Antalya als Tourist beten möchte und eine orthodoxe Kirche betritt, verstößt nun gegen den Bannstrahl des Moskauer Patriarcha­ts. Auch für Urlauber auf Rhodos oder Kreta gelte das Verbot. Gläubige der russisch-orthodoxen und griechisch-orthodoxen Kirchen dürfen nicht mehr gemeinsam die Kommunion empfangen, deren Priester keinen gemeinsame­n Gottesdien­st mehr feiern.

Der Bruch zeichnete sich ab, nachdem der in Istanbul residieren­de ökumenisch­e Patriarch von Konstantin­opel, Bartolomai­os I., Ende August frühere Bedenken ad acta legte, die ihn davon abhielten, der ukrainisch-orthodoxen Kirche Eigenständ­igkeit (Autokephal­ie) zu gewähren. Der Moskauer Patriarch Kirill schäumte und belegte Bartholoma­ios mit einem Gedenkverb­ot. Der Patriarch in Istanbul ist der oberste Würdenträg­er der weltweiten orthodoxen Kirche. Auch die ROK gehört ihr an. Seiner darf nunmehr in russischen Gebeten aber nicht mehr gedacht werden.

Die Rivalität zwischen der russisch-orthodoxen, der mit rund 150 Millionen Gläubigen größten Kirche, und dem ranghöchst­en Orthodoxen zieht sich schon seit Jahren hin. Moskau tut sich schwer, Bartholoma­ios I. anzuerkenn­en. Die ROK trachtet danach, mit Hilfe des Kreml die führende Rolle über die weltweit 300 Millionen orthodoxen Christen selbst zu übernehmen. Die ROK versteht sich als Instrument des Kreml innen wie außen. Als Bartolomai­os 2016 auf Kreta die orthodoxen Nationalki­rchen zum ersten Konzil nach fast 1000 Jahren einlud, blieb die russisch-orthodoxe Kirche der Versammlun­g fern.

Staat und Kirche stellen im Selbstvers­tändnis der Orthodoxie eine Einheit dar, die einen Gleichklan­g verkörpert, den die Kirche als „Symphonia“bezeichnet. Die politische Mission steht in der ROK vor dem geistliche­n Auftrag. Auch Russlands Sicherheit­srat traf sich vor der Minsker Synode noch zu einer dringliche­n Sitzung in Moskau.

Moskau beruft sich auf ein Dokument aus dem Jahr 1686, in dem die Kiewer Kirche von Konstantin­opel dem Moskauer Patriarcha­t anvertraut wurde. Konstantin­opel und Kiew halten diese Übertragun­g von Vollmachte­n aber für nicht dauerhaft und damit widerrufba­r. Dieser Streit dient beiden Seiten jedoch nur als Vorwand. Patriarch Kirill fürchtet, dass Russland mit dem Entstehen einer eigenständ­igen ukrainisch­en Kirche beim Nachbarn Einfluss verlieren würde. Die Ukraine könnte sich aus der halbkoloni­alen Abhängigke­it langsam befreien. Der Zugriff auf den Nachbarn dient Russland als Unterpfand, eine imperiale Macht zu sein. Der Verlustsch­merz nimmt pathologis­che Züge an: Moskaus Kirchenver­treter fiebern Gewaltphan­tasien geradezu herbei. Bei der Aufteilung der Liegenscha­ften und Immobilien malen sie bereits wütende Horden an die Wand.

Die ROK scheint darauf gesetzt zu haben, dass auch andere Nationalki­rchen gegen den ökumenisch­en Patriarche­n aufbegehre­n. Bislang Fehlanzeig­e. In der Hitze des Gefechts droht die russisch-orthodoxe Kirche, sich selbst zu isolieren. Sie würde damit dem Beispiel Präsident Wladimir Putins folgen. Nach dem Kreml hat nun auch die Kirche die Ukraine verloren.

 ?? FOTO: AP ?? Das Moskauer Kirchenobe­rhaupt Kirill bricht mit dem Patriarche­n von Konstantin­opel.
FOTO: AP Das Moskauer Kirchenobe­rhaupt Kirill bricht mit dem Patriarche­n von Konstantin­opel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany