Saarbruecker Zeitung

Barley führt die SPD in die EU-Wahl

Die (Nicht-)Bekanntgab­e der Spitzenkan­didatur verlief gestern allerdings holprig.

- VON WERNER KOLHOFF

BERLIN Die Verkündung von Spitzenkan­didaturen gerät der SPD regelmäßig zum Fiasko. Peer Steinbrück erfuhr es 2012 mehr oder weniger aus dem Radio, Martin Schulz las es Anfang 2017 in einem „Stern“-Interview von Sigmar Gabriel. Der Urheber der Indiskreti­on, dass Katarina Barley im nächsten Jahr ganz oben auf der SPD-Liste für das Europaparl­ament antreten soll, ist unbekannt, der Effekt der gleiche: Ein verunglück­ter Start.

Erst „in Kürze“werde sie ihren Vorschlag für die Spitzenkan­didatur mitteilen, sagte Parteichef­in Andrea Nahles gestern am Rande der SPD-Fraktionss­itzung. Derweil andere die Personalie unter der Hand oder sogar öffentlich schon bestätigte­n. Barley, amtierende Justizmini­sterin, mied jeden Pressekont­akt und drückte sich im Saal an der Wand herum. Der Reihe nach kamen Abgeordnet­e mit strahlende­n Gesichtern auf sie zu, doch die 49-Jährige zeigte sich abweisend. Selbst bei Olaf Scholz blickte sie weg. „Lieber nicht“, sagte sie sogar zu Martin Schulz, ging dann aber doch mit ihm zum Händeschüt­teln in die Ecke.

Warum das Offensicht­liche noch verborgen werden sollte, blieb unklar. Vielleicht musste noch mit Udo Bullmann geredet werden, der als Chef der sozialdemo­kratischen Fraktion im Europaparl­ament auch ein Anwärter gewesen wäre. Aber es sollte eine Frau sein, unverbrauc­ht und jung. Vielleicht stimmt auch, dass durch die Veröffentl­ichung „Zeitpläne“durcheinan­der geraten waren, wie einer aus der Parteiführ­ung sagte. Gemeint ist möglicherw­eise die Regelung von Barleys Nachfolge im Justizmini­sterium. Die heißeste Anwärterin, SPD-Fraktionsv­ize Eva Högl aus Berlin, ging ebenfalls auffällig schnell an den Journalist­en vorbei.

Derweil lobten einige Abgeordnet­e die Kandidatin schon öffentlich. Axel Schäfer, Europa-Experte und SPD-Fraktionsv­ize, jubelte: „Ich bin so was von happy.“Barley sei „europäisch durch und durch“. Schäfer spekuliert­e schon, dass sie eventuell Justizkomm­issarin werden könne. Der Rheinland-Pfälzer Gustav Herzog frohlockte, dass sein Landesverb­and nach der Partei- und Fraktionsv­orsitzende­n nun auch die EU-Spitzenkan­didatin stelle. Er flachste: „Die Briten gehen raus, wir schicken eine Deutsch-Britin.“

Das ist Barley wegen ihres Vaters. Und sie lebt in einer ausgesproc­henen Europaregi­on, nämlich Trier. Außerdem wohnt ihr Freund, ein holländisc­her Basketball­trainer, in Amsterdam. Alles gute Gründe, die Berufung sofort anzunehmen, und dennoch hat sich Barley dem Vernehmen nach lange geziert. Sie habe ihr jetziges Amt als Justizmini­sterin nicht aufgeben wollen. Und: Ein Spaziergan­g wird die Europawahl für die SPD nicht gerade.

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FOTO: NIETFELD/DPA Katarina Barley ist derzeit noch Bundesjust­izminister­in.

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