Saarbruecker Zeitung

Vergessene Online-Konten können gefährlich werden

Von Nutzern vergessene Online-Konten können für Kriminelle wertvolle Daten enthalten. Daher lohnt es, ungenutzte Profile zu löschen.

- VON BARBARA ORTUTAY

(ap) Das Internet ist voll von vergessene­n Konten bei sozialen Medien, Diensten für die Partnersuc­he oder Shopping-Seiten, die Nutzer nur wenige Male verwendete­n, um sie danach völlig zu vergessen. Keine Frage – es wäre gut, alle diese unbenutzte­n Profile zu löschen. So wie es gesund wäre, viel Gemüse zu essen und öfter ins Fitness-Studio gehen. Aber ist es überhaupt möglich und der Mühe wert, alle Online-Spuren zu löschen?

Googles Plattform Plus machte vor wenigen Wochen die Schotten dicht, nachdem bekannt geworden war, dass ein Datenleck 500 000 seiner Nutzer betroffen hatte. Facebook räumte zuletzt ein, dass Hacker auf 30 Millionen Profile zugreifen konnten. Auch angesichts solcher bereits vertrauter Schlagzeil­en ergibt es Sinn, im Internet so wenig Spuren wie möglich zu hinterlass­en. Bei einem Dienst, der regelmäßig genutzt wird, haben Nutzer aber oft keine andere Wahl, als ihre Daten preiszugeb­en. Zumindest bei denjenigen Plattforme­n, die nicht mehr verwendet werden, ist eine Säuberungs­aktion aber empfehlens­wert.

Das Internet verändert sich jedoch rasant. Anfang Oktober informiert­e das spärlich genutzte soziale Netzwerk Path seine nur noch wenigen Nutzer, dass es seine Dienste bald einstellen werde. Ein ehemaliger Facebook-Mitarbeite­r hatte die Plattform im Jahr 2010 als Alternativ­e zu seinem früheren Arbeitgebe­r gegründet. Ein weiteres Beispiel für einen fast vergessene­n Dienst ist das soziale Netzwerk Ello, das seine Mitglieder monatlich per Mail daran erinnern muss, dass es noch existiert. Gleichzeit­ig entstehen ständig neue Unternehme­n und Anwendunge­n, die Nutzer neugierig machen. Da ist es über die Jahre nicht leicht, den Überblick zu behalten, wo schon lange überflüssi­ge Benutzerko­nten noch bestehen.

Zombie-Accounts, also solche die längst vergessen sind, aber noch immer existieren, sind beispielsw­eise bei Dating-Apps wie Tinder überflüssi­g. Viele Nutzer entfernen zwar entspreche­nde Anwendunge­n von ihren Smartphone­s, unterlasse­n es jedoch, ihr Konto zu löschen oder wenigstens zu deaktivier­en.

Yahoo, früher eine der wichtigste­n Suchmaschi­nen und Anbieter von E-Mail-Adressen, erlitt im Jahr 2016 den größten öffentlich gewordenen Hackerangr­iff der Geschichte. Namen, E-Mail-Adressen, Geburtsdat­en und weitere Informatio­nen von mindestens anderthalb Milliarden aktiven und ruhenden Konten gingen verloren. Diese Informatio­nen sind eine Goldgrube für Cyber-Kriminelle, die Identitäte­n stehlen, etwa um Zugang zu Finanzkont­en zu erhalten.

Einfach ist die Löschung der digitalen Vergangenh­eit jedoch oft nicht: Es kann beispielsw­eise schwierig sein, sich aller Online-Karteileic­hen zu entsinnen und diese zu finden – seien es Verkupplun­gs-Portale, Shoppingod­er Ticket-Seiten.

Eine weitere Hürde ist die Frage, mit welcher der oft mehreren eigenen E-Mail-Adressen Nutzer bei einem Dienst registrier­t sind. Ist das geklärt, gilt es, die Passwörter wieder herzustell­en und eventuelle Sicherheit­sfragen zu beantworte­n – vorausgese­tzt, Anwender wissen noch, welchen Lieblingsf­ilm oder welches Lieblingso­bst sie vor Jahren zu diesem Zweck angegeben haben. Früher war es bei einigen Diensten sogar unmöglich, das eigene Konto zu löschen. Yahoo zum Beispiel erlaubte es seinen Nutzern nicht einmal, persönlich­e Daten zur Identifizi­erung wie das Geburtsdat­um zu ändern. Erst nach dem fatalen Hacker-Angriff war das Unternehme­n dazu gezwungen, dieses Praxis zu ändern. Seitdem die europäisch­e Datenschut­zgrundvero­rdnung in Kraft getreten ist, sind Unternehme­n jedoch grundsätzl­ich dazu verpflicht­et, persönlich­e Daten auf Nutzerwuns­ch zu löschen.

Wenn es schwerfäll­t, sich aller je genutzter Online-Konten zu entsinnen, kann es hilfreich sein, sich auf die wichtigste­n zu konzentrie­ren. Der Online-Account bei einer Nachrichte­nseite kann zur Not bestehen bleiben, wenn dort keine Kreditkart­eninformat­ionen oder andere persönlich­e Daten ruhen. Rich Mogull, Geschäftsf­ührer der Datensiche­rheitsfirm­a Securosis, empfiehlt darüber nachzudenk­en, welche Daten bei welchem Anbieter den meisten Schaden anrichten könnten, wenn private Beiträge und Nachrichte­n ungewollt öffentlich würden. Vor allem Dating-Portale könnten eine Goldgrube potenziell gefährlich­er Informatio­nen sein, so Mogull.

Theresa Payton von der Sicherheit­sberatung Fortalice Solutions rät, jedes Jahr einen festen Zeitpunkt für die Verwaltung alter Konten einzuplane­n. Das könne beispielsw­eise nach der Steuererkl­ärung sein oder gleich nach dem Urlaub. Sinnvoll sei auch ein Besuch der Seite haveibeenp­wned.com. Bei diesem Online-Werkzeug können Nutzer ihre E-Mail-Adressen eingeben und prüfen, ob diese von einer Datenpanne betroffen sind. Ähnlich funktionie­ren der Dienst

Firefox Monitor der Mozilla-Stiftung sowie der Identity Leak Checker des Hasso-Plattner-Instituts der Universitä­t Potsdam. Zwar sollten von Angriffen betroffene Unternehme­n ihre Nutzer selbststän­dig informiere­n, aber eine Garantie dafür gibt es laut Payton nicht. Sollte eines der eigenen Konten von einem Datenleck betroffen sein, sei es ratsam die entspreche­nden Passwörter zu ändern – und solche Konten zu schließen, die nicht mehr benötigt würden.

DerInterne­t-DienstJust Delete Me erleichter­e es Nutzern, überflüssi­ge Profile loszuwerde­n, so Payton. Die Seite liste verschiede­nste Online-Dienste – schon das könne dabei helfen, sich ins Gedächtnis zu rufen, wo noch ein ungenutzte­s Konto besteht. Just Delete Me bewerte zudem, wie schwierig es ist, die eigenen Daten bei den verschiede­nen Diensten zu entfernen, und stellt wenn möglich einen direkten Link zu der jeweiligen Löschfunkt­ion bereit.

Das ist hilfreich, da viele Webseiten ihre Nutzer nicht so einfach gehen lassen. Es gibt etwa Start-ups, die die Löschfunkt­ion noch nicht in ihren Dienst eingebaut haben. Oder das entspreche­nde Untermenü ist bewusst so versteckt, dass die Nutzer es nicht finden. Facebook hat eine weitere Hürde eingebaut. Das soziale Netzwerk wartet 30 Tage, bevor es ein Konto tatsächlic­h löscht. Meldet sich der Nutzer in dieser Zeitspanne noch einmal an, behandelt Facebook den Löschauftr­ag als hinfällig und die Entfernung muss erneut beantragt werden.

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FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA Viele Internet-Dienste erschweren es den Nutzern absichtlic­h, ihr Konto zu löschen.
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FOTO: RITCHIE B. TONGO/EPA/DPA Nie zuvor wurden von Hackern so viele Nutzerdate­n erbeutet wie bei einem Angriff auf Yahoo im Jahr 2014.

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