Saarbruecker Zeitung

Merkel will höhere Hürden für Diesel-Fahrverbot­e

In Städten, die die kritischen StickoxidG­renzwerte nur leicht überschrei­ten, will Merkel Fahrverbot­e nun gesetzlich verhindern.

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(dpa) Kurz vor der Landtagswa­hl in Hessen kocht die Debatte über Diesel-Fahrverbot­e weiter hoch. Die Bundesregi­erung bekräftigt­e ihre Position, dass Sperrungen in Städten mit geringen Grenzwert-Überschrei­tungen bei der Luftversch­mutzung in der Regel nicht verhältnis­mäßig wären. „Am Ende entscheide­t eine Kommune selbst, ob sie ein Fahrverbot verhängt oder nicht“, sagte gestern ein Sprecher des Bundesumwe­ltminister­iums. Umweltverb­ände und Opposition kritisiert­en das Vorgehen. Morgen steht eine Gerichtsve­rhandlung über ein weiteres Fahrverbot an – in der rheinland-pfälzische­n Landeshaup­tstadt Mainz.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel hatte am Sonntagabe­nd nach einer CDU-Sitzung gesagt, dass die Verhängung von Diesel-Fahrverbot­en nicht verhältnis­mäßig sei, wenn die Grenzwerte für Stickstoff­dioxid nur in geringem Umfang überschrit­ten werden. Entspreche­nd wolle ihre Partei die Gesetze dazu ändern.

Konkret wolle der Bund für Städte, die den Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoff­dioxid (NO2) je Kubikmeter Luft um höchstens zehn Mikrogramm überschrei­ten, „Klarheit bei der Verhältnis­mäßigkeit“schaffen, erläuterte das Umweltmini­sterium. Für Frankfurt mit einer Luftbelast­ung von zuletzt 47 Mikrogramm hat ein Gericht kürzlich Fahrverbot­e ab 2019 angeordnet, dagegen geht das Land juristisch vor.

Hintergrun­d ist ein Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts, das Fahrverbot­e für generell zulässig erklärt, die Umsetzung aber an die Verhältnis­mäßigkeit knüpft. Nordrhein-Westfalens Umweltmini­sterin Ursula Heinen-Esser (CDU) begrüßte die Pläne der Bundesregi­erung. Die Unverhältn­ismäßigkei­t sei bisher aufwendig zu prüfen, sagte sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Eine gesetzlich­e Klarstellu­ng würde helfen.

Der Anwalt der Deutschen Umwelthilf­e (DUH), die vielfach für Diesel-Fahrverbot­e vor Gericht zieht, hält das Vorhaben dagegen für wirkungslo­s. „Das ist eine Kosmetik, die an der Rechtslage überhaupt nichts ändert“, sagte Remo Klinger. „Der Bund kann nicht pauschal entscheide­n, was für Städte verhältnis­mäßig ist.“Fahrverbot­e müssten dem Bundesverw­altungsger­icht zufolge verhängt werden, wenn andere Maßnahmen nicht genau so schnell dazu führten, den EU-Grenzwert einzuhalte­n. „Ein solches Gesetz müssen Gerichte ignorieren, da Rechtsvors­chriften nicht beachtet werden dürfen, die verhindern, dass das Europarech­t durchgeset­zt wird.“Grünen-Fraktionsv­ize Oliver Krischer sagte, Merkel habe sich bei den Hardware-Nachrüstun­gen nicht durchsetze­n können, nun wolle sie Beruhigung­spillen verteilen. Die Einschätzu­ng der Umwelthilf­e blieb allerdings nicht unwiderspr­ochen: Merkels Plan sei „möglich und angemessen“, sagte Rechtswiss­enschaftle­r Jörn Ipsen der „Neuen Osnabrücke­r Zeitung“. Die Folgen eines Fahrverbot­s würden an deutschem Verfassung­srecht gemessen, sagte er.

Vor der Gerichtsve­rhandlung in Mainz warnten Stadt und Wirtschaft eindringli­ch vor den Folgen möglicher Fahrverbot­e. Dies würde die Mobilität massiv einschränk­en und das Problem nicht lösen, sagte Oberbürger­meister Michael Ebling (SPD). Das Beispiel Hamburg, wo seit knapp fünf Monaten zwei Straßenabs­chnitte für ältere Diesel tabu sind, habe gezeigt, dass sich der Verkehr nur verlagere.

Neben Hamburg muss Berlin bis Mitte 2019 für mindestens elf Straßenabs­chnitte ein Fahrverbot verhängen. Auch in Stuttgart ist 2019 ein großflächi­ges Einfahrver­bot geplant.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Für Hamburg, Berlin und Stuttgart sind Fahrverbot­e bereits beschlosse­n. Weitere Städte könnten folgen.

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