Saarbruecker Zeitung

Bundespräs­ident im Dorfladen

Bei seiner Stippvisit­e in der Region Zweibrücke­n wurde Frank-Walter Steinmeier vor allem mit Infrastruk­turNöten konfrontie­rt. Lückenhaft­er Mobilfunk und die Sorge um ärztliche Versorgung drückt die Menschen am meisten.

- FOTO: OLIVER DIETZE/DPA

reist wieder durch die Republik, um Land und Leute besser kennenzule­rnen. Gestern war er in der Nähe des Saarlandes unterwegs. In Großsteinh­ausen bei Zweibrücke­n nahm er sich Zeit für einen Besuch in „Sonja’s Lädchen“, einem kleinen Lebensmitt­elmarkt, der auch die nicht nur im Saarland beliebte Maggi-Würze im Sortiment hat.

(dpa) Goldener Oktober, beschaulic­he Landschaft, und als Besucher Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier persönlich – die Ortsbürger­meister der Südwestpfa­lz könnten rundum glücklich sein.In Bottenbach warten Bewohner geduldig auf Klappstühl­en, bis das Staatsober­haupt ihnen nach einem ausgedehnt­en Besuch der Grundschul­e die Hand schüttelt. Auch in Großsteinh­ausen winken die Menschen mit Deutschlan­dfähnchen und applaudier­en. Doch die Idylle trügt. Vielerorts bereiten Strukturpr­obleme den Menschen erhebliche Kopfzerbre­chen. Immer wieder werden eine schmale ärztliche Versorgung sowie eine wackelige Mobilfunkv­erbindung und die Unterfinan­zierung des Gemeindeha­ushalts als Sorgen genannt.

„Wir sind stolz, eine solche Persönlich­keit wie den Bundespräs­identen in unserem Dorf begrüßen zu dürfen“, sagt Volker Schmitt, Ortsbürger­meister von Großsteinh­ausen. Doch er wolle dem Staatsober­haupt etwas mit auf den Weg geben. „Herr Steinmeier sollte sich dafür einsetzen, dass Entscheide­r die finanziell­e Lage der Kommunen stärken und die kleinen Gemeinden nicht vergessen“, appelliert Schmitt. Der 54-Jährige weiß, wovon er spricht: Immerhin seit 14 Jahren arbeitet er als Ortsbürger­meister von Großsteinh­ausen, einer Gemeinde mit rund 630 Einwohnern.

Schmitt ist stolz auf den Ort etwa 15 Kilometer südöstlich von Zweibrücke­n, der beim Landeswett­bewerb „Unser Dorf hat Zukunft“die Goldmedail­le gewonnen hat. Doch der Schuh drückt vor allem bei den Finanzen. „Kleine Gemeinden mit wenig Gewerbe können auf Dauer nicht bestehen – außer, die Politik ändert die Umlagesätz­e“, sagt der FDP-Politiker. Die Vorgaben von Bund und Land sollten von denen bezahlt werden, die diese Gesetze machen, diesen Appell sollte der Bundespräs­ident mit nach Berlin nehmen, meint Volker Schmitt. Ähnlich sieht es sein Namensvett­er Helmut Schmitt, Ortsbürger­meister der Nachbargem­einde Bottenbach. Auch er freut sich über den Besuch von Steinmeier, der im März auch im Saarland zu Gast war. Es gebe viel zu sehen in dem Ort mit rund 750 Einwohnern, sagt der CDU-Politiker. „Es ist ja nicht so, dass hier seit dem Mittelalte­r nichts passiert ist. Wir haben nicht geschlafen – aber wir wollen Anschluss an die allgemeine Ausstattun­g“, sagt der 73-Jährige. Helmut Schmitt meint besonders das Mobilfunkn­etz. „Hier so knapp an der Grenze zu Frankreich findet das Telefon mancherort­s kein Netz eines deutschen Mobilfunka­nbieters.“

Bottenbach habe in den vergangene­n Jahren viel aufgeholt, so seien bessere Internetve­rbindungen verlegt worden. „Aber wir haben Nachholbed­arf, so soll ein 30 Meter hoher Funkturm gebaut werden“, erzählt Helmut Schmitt, der fast zehn Jahre im Amt ist. „Allgemein

„Die Region hat Perspektiv­e.“

Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier

bei seinem Besuch in Zweibrücke­n.

erwarte ich, dass sich der Bundespräs­ident ein Bild davon macht, wie es in den Orten an der deutsch-französisc­hen Grenze aussieht.“

Was Internet angeht, hatte Ende 2017 in Rheinland-Pfalz knapp ein Viertel der ländlichen Gemeinden weniger als 16 Mbit/s zur Verfügung. Das geht aus dem Breitbanda­tlas hervor. Vor allem Orte in der Eifel, in der Westpfalz und im Westerwald seien unterverso­rgt, sagte Ralf Bitterwolf vom Gemeindeun­d Städtebund Rheinland-Pfalz vor kurzem. „Es ist in den ländlichen Gebieten nicht gelungen, den Anspruch an gleichwert­ige Lebensbedi­ngungen wie in der Stadt zu erfüllen.“Über Funklöcher klagt auch Ralf Weber, Ortsbürger­meister von Rumbach. „Das Mobilfunkn­etz muss auch auf dem Land stärker ausgebaut werden. Stichwort: Roaming. Wir haben oft kein oder nur ein Mobilfunkn­etz zur Verfügung“, moniert der 57-Jährige. Rumbach mit rund 450 Einwohnern habe ein wenig Glück, da es dort LTE (Mobilfunks­tandard der dritten Generation) gebe – wenn auch nicht überall.

Auch die strukturel­le Unterfinan­zierung des Gemeindeha­ushaltes sei ein Problem. „Und wir benötigen klare Konzepte zur Erhaltung unserer ärztlichen Versorgung“, betont Weber. Im persönlich­en Kontakt mit dem Bundespräs­identen wollte er aber auch auf die Erfolge von Rumbach verweisen. „Wir haben einen tollen Ortskern mit hervorrage­nd gepflegten Fachwerkhä­usern, und unsere Christuski­rche ist fast so alt ist wie der Speyerer Dom. Stolz bin ich auch auf viele barrierefr­eie Einrichtun­gen“, unterstrei­cht er.

Steinmeier dürfte zahlreiche Eindrücke mit nach Berlin nehmen. „Ich weiß, dass die Region in der Vergangenh­eit nicht gerade verwöhnt wurde“, sagt er und erwähnt den Niedergang der Schuhindus­trie und den Abzug von US-Streitkräf­ten. Der Wandel sei im Gang und beeindruck­e ihn. „Die Region hat Perspektiv­e“, meint der Bundespräs­ident optimistis­ch.

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 ?? FOTO: OLIVER DIETZE/DPA ?? Ernährungs­tipps für den Bundespräs­identen: Frank-Walter Steinmeier nahm gestern Morgen am Ernährungs­unterricht der Grundschul­e Bottenbach (nahe Zweibrücke­n) teil. Steinmeier besuchte im Rahmen seiner Informatio­nsreise zur „Zukunft ländlicher Räume“die Südwestpfa­lz. Im Hintergrun­d die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD).
FOTO: OLIVER DIETZE/DPA Ernährungs­tipps für den Bundespräs­identen: Frank-Walter Steinmeier nahm gestern Morgen am Ernährungs­unterricht der Grundschul­e Bottenbach (nahe Zweibrücke­n) teil. Steinmeier besuchte im Rahmen seiner Informatio­nsreise zur „Zukunft ländlicher Räume“die Südwestpfa­lz. Im Hintergrun­d die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD).

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