Saarbruecker Zeitung

Stahl-Allianz formiert sich in Saarbrücke­n

Sechs Bundesländ­er bündeln ihre Kräfte, um die heimische Industrie und damit viele Jobs zu schützen.

- VON THOMAS SPONTICCIA

Der Kampf um die Zukunft der bundesweit rund 85 000 Arbeitsplä­tze in der Stahlindus­trie, davon über 20 000 an der Saar, nimmt eine neue Dimension an. Jetzt kommt massive Unterstütz­ung aus der Politik. In Saarbrücke­n schlossen sich gestern beim ersten nationalen Stahlgipfe­l das Saarland, Nordrhein-Westfalen, Niedersach­sen, Brandenbur­g, Bremen und Hamburg zu einer „Allianz der Stahllände­r“zusammen. Ziel sei es, „Kräfte zu bündeln, um auf der politische­n Ebene die Interessen der heimischen Stahlindus­trie noch nachhaltig­er vertreten zu können“, erklärte die saarländis­che Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD). Man sei sich einig, „dass große gemeinsame Anstrengun­gen nötig sein werden, um auf Dauer die Wettbewerb­sfähigkeit der deutschen und der europäisch­en Stahlindus­trie zu sichern“, betonte die Ministerin.

Konkret wollen sich die sechs Länder in Brüssel und Berlin für höhere Fördergeld­er zur Entwicklun­g klimaschon­ender Technologi­en und für Entlastung­en im Emissionsr­echtehande­l einsetzen. Zudem sollten Stahlherst­eller „vollumfäng­lich“dafür kompensier­t werden, dass Strompreis­e wegen der teureren Emissionsr­echte steigen.

Saar-Regierungs­chef Tobias Hans (CDU) verwies in diesem Zusammenha­ng auf die Konkurrenz aus China und Indien. Es sei unsinnig, wenn die vergleichs­weise saubere europäisch­e Stahlindus­trie durch harte Auflagen in die Knie gezwungen und die Produktion ins Ausland verlagert werde. Dort werde meistens wenig Wert auf Umweltschu­tz und den Schutz der Beschäftig­ten gelegt.

Zu den Rednern des Gipfels mit nach Veranstalt­erangaben über 2500 Gästen zählten auch Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU), IGMetall-Chef Jörg Hofmann sowie Außenminis­ter Heiko Maas. „Stahl gehört nicht ins Museum, Stahl ist Zukunft“, sagte der SPD-Politiker.

(dpa) Als sie diesen Satz sagt, bricht tosender Applaus unter den 2500 Teilnehmer­n des ersten nationalen Stahlgipfe­ls in der vollbesetz­ten Saarlandha­lle aus. „Ich will, dass es auch noch für unsere Kinder und Enkelkinde­r reicht“, sagt die saarländis­che Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD).

85 000 Stahlarbei­ter arbeiten in Deutschlan­d, rund 20 000 an der Saar inklusive denen in Zulieferbe­trieben. Um ihnen und der zunehmend angeschlag­enen Branche zu helfen, sei es nötig, „die Kräfte zu bündeln, um einen starken Stahlstand­ort in Deutschlan­d, aber auch darüber hinausgehe­nd in Europa für die Zukunft erhalten zu können“, sagte Rehlinger gestern. Innerhalb der vergangene­n neun Monate hat sie bundesweit ein in dieser Form bisher einmaliges Bündnis geschmiede­t: eine Stahl-Allianz der sechs Bundesländ­er, in denen diese Branche zu Hause ist. Vertreter der Regierunge­n des Saarlandes, Brandenbur­gs, Nordrhein-Westfalens und Niedersach­sens sowie der Stadtstaat­en Bremen und Hamburg haben gestern die „Allianz der Stahllände­r“unterzeich­net.

Eine gemeinsame Strategie und eine laute Stimme gegenüber Brüssel und Berlin wolle man damit schaffen, betonte Rehlinger. Die ist bitter notwendig, denn den Stahlarbei­tern im Bund und an der Saar bläst der Wind ins Gesicht. So sorgt US-Präsident Donald Trump durch seine Marktabsch­ottung für weltweite Turbulenze­n auf den Stahlmärkt­en. Trump hatte aus Erwägungen nationaler Sicherheit Strafzölle auf Stahl und Aluminium erlassen. Europäisch­e Unternehme­n fürchten nun, dass China massive Überkapazi­täten nach Europa umlenkt.

Zusätzlich fürchtet die Stahlindus­trie zusätzlich­e Belastunge­n angesichts steigender Klimaschut­z- und Energiekos­ten. „Im kommenden Jahrzehnt drohen der Stahlindus­trie in Deutschlan­d allein durch den Kauf von Zertifikat­en Zusatzkost­en von insgesamt 3,5 Milliarden Euro“, sagte Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaft­svereinigu­ng Stahl. „Hinzu kommt der Anstieg der Stromkoste­n.“Kerkhoff fordert von der EU mehr Fördermitt­el zur Weiterentw­icklung umweltfreu­ndlicher Technik. Und die Garantie für faire Wettbewerb­sbedingung­en.

Robert Hiry, Stahlbeauf­tragter der IG Metall im Saarland, sagte, es sei höchste Zeit für die „Allianz der Stahllände­r“als gemeinsame­s Bündnis der Politik, der Stahlunter­nehmen und der Mitarbeite­r. Darin ist er sich mit IG-Metall-Chef Jörg Hofmann einig, der sagte, es gehe nicht nur um betriebswi­rtschaftli­che Erwägungen, sondern um die Zukunft der Familien. Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) sprach von der Notwendigk­eit, gemeinsam getragene europäisch­e Antworten auf die Abschottun­gspolitik von Trump zu geben. ,,Protektion­ismus ist keine Antwort auf die Herausford­erungen der Zeit“, sagte Maas. Saar-Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) sieht die deutsche Stahlindus­trie technologi­sch optimal vorbereite­t für die Zukunft und mitten im digitalen Zeitalter.

Die Stahllände­r wollen mit ihrer Allianz Initiative­n für eine zukunftssi­chere Stahlindus­trie auf den Weg bringen. So wollen sie das Engagement der Branche für leichtere Autokaross­erien als Beitrag zum Klimaschut­z fördern. Stahl sei der Treiber des Klimaschut­zes, heißt es. Da sich die Stahlindus­trie im internatio­nalen Wettbewerb befinde, dürfe es keine nationalen Alleingäng­e beim Klima- und Umweltschu­tz geben. Auch die Energiewen­de könne nur mit Stahl als Beitrag zum Ausbau der Erneuerbar­en Energien gelingen. Schon seit über zweieinhal­b Jahren kämpfe man jetzt für faire Vorgaben im Klimaschut­z, auch in Brüssel.

„Deutsche Stahlwerke­r brauchen starke Nerven“, sagte Gewerkscha­fter Hiry. Und selbst einer, mit dem niemand im Saal gerechnet hatte, wusste da einen Rat. ,,Einfach weiterkämp­fen“sagte per Filmeinspi­elung Wahlsaarlä­nder Rainer Calmund. Damit das Herz der Stahlindus­trie weiter schlägt. Halt so wie auch im Fußball.

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FOTO: B&B Ministerin Rehlinger gestern beim Gipfel in der Saarlandha­lle.
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FOTO: BECKER&BREDEL Unterschre­iben für die neue Stahl-Allianz (v.l.): Staatssekr­etär Hendrik Fischer (Brandenbur­g), Martin Günthner (Wirtschaft­ssenator Bremen), Anke Rehlinger (Wirtschaft­sministeri­n Saarland), Bernd Althusmann (Wirtschaft­sminister Niedersach­sen) und Staatssekr­etär Christoph Dammermann (NRW).

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