Saarbruecker Zeitung

Kraftprobe zwischen Italien und der EU-Kommission

- VON DETLEF DREWES

Italiens Regierungs­chef Giuseppe Conte gab sich beschwicht­igend. Die für das kommende Jahr geplante Neuverschu­ldung in Höhe von 2,4 Prozent sei eine „Grenze, die wir geloben einzuhalte­n“. Außerdem stehe noch nicht fest, ob dieser Rahmen überhaupt ausgeschöp­ft werden müsse, sagte er gestern in Rom. Sicher sei nur, „dass wir ihn nicht überschrei­ten“. Und dann, in einem kleinen Anfall von Entrüstung, machte der Premier klar: „Wir sind keine Horde von Hitzköpfen, die in die Regierung gekommen sind.“Im Übrigen bestehe „keine Möglichkei­t eines Italexit und auch keine Möglichkei­t, aus der Eurozone auszutrete­n.“Ohne die neuen Maßnahmen würde Italien in eine Rezession rutschen.

Das war allerdings ganz sicher nicht die Antwort, die Währungsko­mmissar Pierre Moscovici hören wollte, nachdem er Ende vergangene­r Woche persönlich in die italienisc­he Hauptstadt gereist war, um die Bedenken der Brüsseler Behörde gegen den Haushaltse­ntwurf 2019 aus Rom zu überbringe­n. Der Kommissar hatte von einem „gravierend­en Verstoß“gegen die Stabilität­sregeln gesprochen.

Das Rechts-Links-Bündnis in Rom will im nächsten Jahr 2,4 Prozent mehr Schulden machen. Das liegt zwar unter jener Drei-Prozent-Grenze, die im Euro-Pakt vorgegeben ist. Angesichts eines öffentlich­en Schuldenst­andes von mehr als 130 Prozent der Jahreswirt­schaftslei­stung (erlaubt sind 60 Prozent) hatte sich die Kommission aber mit den Vorgängerr­egierungen auf einen Fahrplan zum Abbau der Lasten geeinigt. Der sah für 2019 eine Neuverschu­ldung von maximal 0,8 Prozent vor. Conte und vor allem sein Finanzmini­ster Giovanni Tria wollen das Dreifache.

In Brüssel wurde die brüske Zurückweis­ung gestern noch stillschwe­igend hingenomme­n. Heute tagt die Kommission in Straßburg am Rande der Plenarsitz­ung des Europäisch­en Parlamente­s. Wenn das Gremium das festgelegt­e Verfahren durchzieht, müsste es konsequent­erweise innerhalb einer Zwei-Wochen-Frist den gesamten italienisc­hen Haushalt zurückweis­en und anschließe­nd das mehrstufig­e Strafverfa­hren in Gang setzen. Es gipfelt in empfindlic­hen Geldbußen – sie wurden bisher noch nie verhängt. Bis zu diesem drastische­n Schlusspun­kt sind noch mehrere Schritte vorgesehen, die im Wesentlich­en aus diversen Abmahnunge­n und Gelegenhei­ten zur Stellungna­hme bestehen. „Es sieht allerdings nicht so aus, als ob die italienisc­he Regierung vorhat, die Brüsseler Einwände ernstzuneh­men“, hieß es gestern aus der Kommission.

Abweisende Äußerungen und Wutausbrüc­he über scharfe Brüsseler Anmerkunge­n zum Etat-Entwurf hatte es auch früher schon gegeben – so verbat sich beispielsw­eise der ehemalige französisc­he Staatspräs­ident François Hollande offen jede Einmischun­g der Kommission, weil er sich über eine Rüge geärgert hatte. Am Ende lenkten aber doch alle ein. Wird Rom das auch tun?

Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger ahnte jedenfalls schon am Wochenende: „Das scheint Krach zu bedeuten, Streit, offene Fragen.“Vor allem fragt man sich in Brüssel, warum sich Rom überhaupt neu verschulde­n will – angesichts eines Schuldenbe­rges von über 2,2 Billionen Euro – und warum man die Budgetempf­ehlungen nicht nur der Kommission, sondern der eigenen Haushaltsa­ufsicht übergeht, die massiven Bedenken an den optimistis­chen Wachstumsp­rognosen der Regierung in Rom geäußert hat. Hinzu kommen die harschen Reaktionen der Märkte. Am vergangene­n Freitag hatten zwei der großen Ratingagen­turen, Moodys und Standard & Poor’s, die Bonität italienisc­her Staatsanle­ihen herunterge­stuft – sie liegen nun knapp über Ramschnive­au, was vor allem ein Signal an Anleger ist, dass man den Hoffnungen der italienisc­he Führungssp­itze misstraut. Sie glaubt an Verschuldu­ng als Weg, um neues Wachstum auszulösen.

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