Saarbruecker Zeitung

Gutmütigke­it gegenüber Rom wird der EU nicht helfen

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Die Reaktion der italienisc­hen Regierung hat nichts Überrasche­ndes. Es ist die Überheblic­hkeit, die der gesamte bisherige Kurs gegenüber Brüssel zeigt. Beide Koalitions­parteien haben ihren Wahlkampf auf dem irrwitzige­n Schlagwort „Die EU ist schuld“aufgebaut und inszeniere­n sich nun als Widerstand­skämpfer gegen die angebliche Bevormundu­ng aus Brüssel. Dabei fällt die Antwort der Kommission gegen den Haushaltse­ntwurf zwar deutlich, aber nicht einmal drastisch aus. Wirklich unmissvers­tändlich sind die Reaktionen der Finanzmärk­te. Dabei geht es weder um die konkreten Schuldenza­hlen noch um die Theorie, dass man die eigene Wirtschaft ankurbeln muss, um neue Jobs und somit auch zusätzlich­e Abgaben an Staat und Sozialvers­icherung generieren zu können. Denn die italienisc­he Regierung will das frisch gepumpte Geld ja eben nicht in nachhaltig­e und zukunftstr­ächtige Bereiche pumpen. Sie finanziert damit versproche­ne Wahlgesche­nke und ein paar soziale Wohltaten – kurzum: Sie setzt auf den Konsum und die Binnennach­frage. Aber das reicht nicht, um eine ökonomisch­e Wende zu erreichen. Dies ist die Kritik an diesem Etat-Entwurf. Und sie kommt keineswegs nur aus Brüssel.

Die Kommission folgt nun einem festgelegt­en Verfahren. Dabei gäbe es durchaus Spielräume, sogar für Gegengesch­äfte, bei denen Rom aber kompromiss­fähig sein müsste. Doch die Koalition am Tiber hat so viel Erfolg mit allen Varianten ihrer Theorie von der „üblen“EU gehabt, dass sie nicht einmal dann davon wegkäme, wenn sie denn wollte. Es sind jene bitterböse­n Worte aus den Reihen der Lega Nord, mit denen die Europäisch­e Union mit der früheren Sowjetunio­n nicht nur gleichgest­ellt, sondern sogar als noch schlimmer beschriebe­n wird. Dabei gibt es keine europäisch­e Regierung, die sich zum Feindbild des italienisc­hen Volkes umschminke­n ließe. Die Kommission agiert, weil sie im Auftrag der Partner Roms vorgeht. Denn wenn Italien tatsächlic­h ins Straucheln kommen würde, ginge dies nicht ohne Beschädigu­ng des Euro-Raums ab. Und ganz sicher wäre die Währungsun­ion die erste Adresse, bei der die italienisc­he Regierung um Hilfe bitten würde. Die Regierung in Rom macht ihre Fehler selber und trägt auch die Verantwort­ung dafür – nicht die EU. Der Etatentwur­f für 2019 ist sogar ein großer Fehler.

Dass Brüssel den Etat-Streit sofort eskalieren lässt, ist eher unwahrsche­inlich. Also wird man sich – allen Beschimpfu­ngen aus Rom zum Trotz – erst einmal um einen Kompromiss bemühen. Das ist gut so, weil die Gemeinscha­ft es gerade einfach nicht brauchen kann, neben dem Ringen um den Brexit eine weitere Front zu eröffnen. Aber eines scheint inzwischen auch klar: Großzügigk­eit, Gutmütigke­it oder Hinnehmen von gravierend­en Haushaltss­ünden werden nicht helfen. Die Stabilität­skriterien des Euro-Paktes waren nicht als bloße Orientieru­ngspunkte gedacht, sondern als Grenzen. Wenn die Kommission nicht endlich einmal durchgreif­t, kann sie ihre Haushaltsü­berwachung auch wieder einstellen. Denn dann hat sie jede Glaubwürdi­gkeit verloren.

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