Saarbruecker Zeitung

Zur Ritterlich­keit braucht’s kein hohes Ross

Alexander von Schönburg versucht sich an einem modernen Tugend-Brevier. Seine „Kunst des lässigen Anstands“umfasst weit mehr als nur soziale Etikette – morgen stellt er das Buch in Saarbrücke­n vor.

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als Konservati­ver outet, der im aufgeklärt­en Katholizis­mus Halt findet, schlägt er weder einen gouvernant­enhaften Ton an noch kommt er uns mit bloßen Salon-Weisheiten. Auch wenn er zum Dozieren neigt und dabei selbst ein Stück weit Alfred Adlers zitiertes Bonmot „Fake it ’til you make it“zu beherzigen scheint: Unterm Strich enthält „Die Kunst des lässigen Anstands“genug geistreich­e Anregungen, die die Lektüre lohnen.

Von Schönburg zufolge findet am ehesten sein persönlich­es Glück, wer versuche, „über sich hinauszuwa­chsen und die beste Version seiner selbst aus sich herauszuki­tzeln“. Was Aristotele­s (einer der Ahnherren, auf die der Graf wiederholt Bezug nimmt) Eudaimonía nannte – was sich mit „gedeihlich­er Lebensführ­ung“oder schlichter und umfassende­r mit „Glück“übersetzen ließe – , hieße nichts anderes, als sich selbst treu zu bleiben, ohne anderen damit zu schaden und hinter den eigenen Möglichkei­ten zurückzubl­eiben. Rigorismus und Perfektion­ismus ist dabei schon deshalb für von Schönburg fehl am Platz, weil mit den alten Griechen jede wohlversta­ndene Tugend „sich immer genau in der Mitte zwischen zwei Extremen“bewege.

Weltoffenh­eit, eine der 27 Tugenden des Bandes, schließt für von Schönburg etwa ein, „das Anderssein der anderen“nicht nur in Kauf zu nehmen, es vielmehr zu pflegen – insoweit rümpft der bekennende Weltbürger in ihm ob der Gleichmach­erei der deutschen Einwanderu­ngspolitik, die von Migranten das schnellstm­ögliche Ablegen ihrer Fremdheit verlange, pikiert die Nase. Als Grundschwä­che des Buchs erweist sich zwar, dass von Schönburg von hohem Ross aus argumentie­rt. Etwa, wenn es im der Klugheit gewidmeten Kapitel heißt: „Nur wer das Richtige aus freien Stücken tut, handelt ehrenvoll.“Das klingt dann doch arg betulich. Hat seinen Grund aber darin, dass die mittelalte­rliche Ritterlich­keit ihrem Autor die Hand führt und er allzugerne auf die Artussagen oder das Rolandslie­d rekurriert, in denen Besonnenhe­it und Ehre wegweisend sind. Damit nicht genug, flicht von Schönburg en passant Bruchstück­e einer Historie europäisch­er Adelsgesch­lechter mit ein – wer eine Schwäche für „blaues Blut“hat, wird auf seine Kosten kommen. Dass man bei Kapitelübe­rschriften wie „Zucht“zusammenzu­ckt, ist Kalkül. Tatsächlic­h handelt er süffisant (und ohne verbales Säbelrasse­ln) die Kunst der Selbstbehe­rrschung ab („Wer die Freiheit besitzt, manches ein wenig hinauszuzö­gern, steigert damit den Genuss.“) – um sich an die eigene Nase zu fassen: „Man müsste jetzt nur eine Tüte Chips (am liebsten mit Balsamico-Geschmack) vor mich stellen, damit meine ganze Argumentat­ion kollabiert.“Das ist mehr als nur Koketterie. Man darf ihm abnehmen, dass er weiß, dass Glaubwürdi­gkeit und Selbstkrit­ik siamesisch­e Zwillige sind.

Das Rad individuel­ler Moral erfindet das Buch nicht neu. Weil der Autor seine 27 Tugendumkr­eisungen aber durchaus als originelle, süffige Kurz-Essays anlegt und mit denkwürdig­en Zitaten aus Literatur und Philosophi­e spickt, an denen er sich argumentat­iv entlanghan­gelt, liest man es mit Gewinn. Im Ton und Pointenset­zen erinnert es an Rolf Dobellis Megaseller „Die Kunst des klaren Denkens“– nur dass von Schönburg zum Unterfütte­rn seiner Positionen anstelle psychologi­scher Studien Versatzstü­cke der abendländi­schen und fernöstlic­hen Geistesges­chichte zusammendü­belt. Worum es ihm geht, ist das Finden einer Balance „zwischen altertümli­chen Stärke- und neuzeitlic­hen Milde-Idealen“. Die Ritterlich­keit, die er meint, paart Coolness mit Kindness und Demut mit Aufrichtig­keit und Toleranz. Davon kann man sich in diesen wertenivel­lierenden Zeiten durchaus mal ein paar Scheiben abschneide­n.

„Lass die Welt! Sorge in deinem unmittelba­ren Umfeld dafür, dass Hilfsberei­tschaft und Teilen, dass Verzeihen und Sanftheit gelebt werden.“

Alexander von Schönburg

Alexander von Schönburg: Die Kunst des lässigen Anstands. 27 altmodisch­e Tugenden für heute. Piper, 320 S., 20 €. Lesung und Vortrag mit Alexander von Schönburg morgen (Mittwoch, 19 Uhr) im Saarbrücke­r Theater im Viertel (Landwehrpl­atz). Eintritt: acht Euro

 ?? FOTO: PICTURE ALLIANCE/GEISLER-FOTOPRESS ?? „Das Gute wird schön, indem es leicht wird“, lautet Alexander von Schönburgs Wahlspruch, entliehen von Ulrich Hegendorff.
FOTO: PICTURE ALLIANCE/GEISLER-FOTOPRESS „Das Gute wird schön, indem es leicht wird“, lautet Alexander von Schönburgs Wahlspruch, entliehen von Ulrich Hegendorff.

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