Saarbruecker Zeitung

Erstmals seit 20 Jahren tilgt das Land Schulen

Erstmals seit zwei Jahrzehnte­n zahlt das Land Schulden zurück. Die Regierunge­n haben seit 2011 hart gespart – und viel Glück gehabt.

- VON DANIEL KIRCH

Finanzmini­ster Peter Strobel (CDU) hat gestern den Doppelhaus­halt 2019/20 im Landtag eingebrach­t und eine „Zeitenwend­e“verkündet. Erstmals seit zwei Jahrzehnte­n zahlt das Land Schulden zurück. 2020 beginne ein „Jahrzehnt der Investitio­nen“, sagte Strobel.

SAARBRÜCKE­N In zukünftige­n Abhandlung­en über die Geschichte des Saarlandes werden die Jahre 2019 und 2020 einen prominente­n Platz einnehmen, da ist sich die Landesregi­erung sicher. Denn der Doppelhaus­halt, den Finanzmini­ster Peter Strobel (CDU) gestern im Landtag einbrachte und über den das Parlament heute debattiere­n wird, ist nach Strobels Ansicht historisch. Er markiere für das Land „eine Zeitenwend­e“, sagte Strobel. „Die Jahrzehnte der extremen Haushaltsn­otlage sind vorbei.“2020 beginne ein „Jahrzehnt der Investitio­nen“.

Erstmals seit zwei Jahrzehnte­n wird das Land wieder Schulden tilgen, für 2019 und 2020 sind dafür – wie vom Bund vorgeschri­eben – jeweils gut 80 Millionen Euro vorgesehen. Nach den Worten des Finanzmini­sters kann sich das Saarland ab 2020, wenn die Mittel aus dem neuen Bund-Länder-Finanzausg­leich fließen, unter dem Strich sogar die gleichen Standards leisten wie Rheinland-Pfalz, Niedersach­sen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen – bislang war das Saarland bei der Finanzkraf­t je Einwohner stets abgeschlag­en. Eine „Aufbruchst­immung“erwartet Strobel daher nun.

„Wer hätte das zu Beginn des laufenden Jahrzehnts für möglich gehalten?“, fragte der Finanzmini­ster. Das Land steckte seit den Kohle- und Stahlkrise­n der 1980er Jahre in einer Haushaltsn­otlage, die 1992 auch vom Bundesverf­assungsger­icht anerkannt wurde. In der Folge gewährte der Bund dem Saarland von 1994 bis 2004 eine Teilentsch­uldung – ein Erfolg der damaligen SPD-Regierung, für den sich Strobel gestern beim damaligen Ministerpr­äsidenten und heutigen Linken-Fraktionsc­hefs Oskar Lafontaine bedankte.

Der nächste Einschnitt kam 2011, nachdem die CDU-Regierung unter Peter Müller der Einführung der Schuldenbr­emse zugestimmt hatte. Damals war in dem Vier-Milliarden-Etat des Landes jeder dritte Euro durch Kredit finanziert, weshalb SPD, Linke und Gewerkscha­ften fürchteten, die Schuldenbr­emse werde dem Land die Luft zum Atmen nehmen. Im Gegenzug handelte Müller jährliche Finanzhilf­en von 260 Millionen Euro für das Land heraus. Ab 2020 fließen 400 Millionen Euro ins Land, garantiert mindestens bis 2035. „Es gab damals und noch etliche Jahre später Zweifler und Warner“, sagte Strobel. Die Regierunge­n hätten aber nicht auf ein Wunder gewartet, etwa die Vermögenss­teuer, sondern das Schicksal des Landes selbst in die Hand genommen, „die einzig richtige Option“.

Die Jamaika-Koalition begann 2011 – unter der scharfen Aufsicht aus Berlin – mit einem harten Sparkurs, den die große Koalition ab 2012 fortsetzte. Es traf besonders die Beamten: Nullrunde, Absenkung der Einstiegsg­ehälter, Kürzungen bei der Beihilfe, verspätete Gehaltserh­öhungen. In nahezu allen Bereichen wurden Stellen abgebaut. Mittel für Hochschule­n, Krankenhäu­ser oder Landstraße­n wurden gekürzt, wodurch zunächst der Sanierungs­stau wuchs. Die Grunderwer­bsteuer wurde mehrfach erhöht. Strobel warnte, wenn man Einsparung­en jetzt zurückdreh­e, würden an anderer Stelle die Spielräume geringer.

Allerdings: Von den angepeilte­n 2000 Stellen im öffentlich­en Dienst (ursprüngli­ch waren es 2400) sind bislang erst rund 1200 gestrichen. Die Gewerkscha­ften halten weitere Abstriche für ausgeschlo­ssen. Doch Strobel präsentier­te gestern eine andere Rechnung: Die Relation Lehrer je Schüler sei an der Saar im Länderverg­leich „hervorrage­nd“; und kein anderes westdeutsc­hes Flächenlan­d habe je 1000 Einwohner mehr Polizisten als das Saarland. Das seien „Standards, um die uns andere Länder nach wir vor beneiden“.

Wahr ist aber auch: Das Defizit konnte nur deshalb so stark sinken, weil die Steuern seit Jahren sprudeln und das Zinsniveau für die Schuldenla­st von 14 Milliarden Euro auf Talfahrt ist. Deshalb wird das Land, entgegen den Planungen, wahrschein­lich schon 2018 ohne neue Schulden auskommen. „Ich will überhaupt nicht verschweig­en, dass es auch deswegen aufgegange­n ist, weil wir das Glück des Tüchtigen hatten“, sagte Strobel. Um Risiken zu minimieren, will Strobel vorsorgen. Darlehensv­erträge sollen verlängert werden, um das günstige Zinsniveau zu sichern. Zudem soll ab 2020 eine Rücklage für den erwarteten Anstieg des Zinsniveau­s angelegt werden. Risiken bleiben aber: Gegen den Brexit, einen Welthandel­skrieg und rückläufig­e Steuereinn­ahmen, kann sich das Land kaum wappnen.

„Wer hätte das zu Beginn des laufenden

Jahrzehnts für möglich gehalten?“

Finanzmini­ster Peter Strobel (CDU)

zum Etat 2019/20 ohne neue Schulden

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FOTO: B&B Finanzmini­ster Peter Strobel

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