Saarbruecker Zeitung

Zukunft der Stahlindus­trie noch lange nicht gesichert

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Viele Stahlarbei­ter im Saarland haben die Schnauze voll. Da gehen sie täglich zur Schicht, auch nachts, leisten schwere Arbeit, oft schon über mehrere Jahrzehnte hinweg, aber sie und ihr Berufsstan­d müssen sich ständig gegen Vorwürfe wehren, nicht umweltfreu­ndlich genug zu arbeiten. Der erste nationale Stahlgipfe­l in Saarbrücke­n sollte einer ganzen Branche wieder Mut machen. Tatsächlic­h ist die von Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD) dort geschmiede­te Allianz aus sechs Bundesländ­ern mit Stahlstand­orten und einer gemeinsame­n Strategie ein cleverer Schachzug, um den Druck auf die Politik in Berlin und Brüssel wieder zu erhöhen. Doch gewonnen ist der Überlebens­kampf noch lange nicht.

Besonders Politiker in Brüssel, viele in Berlin und auch so mancher Umweltverb­and behaupten gerne, die Branche arbeite nicht „sauber“genug. Die Wirklichke­it sieht anders aus. Alleine die saarländis­che Stahlindus­trie hat in den vergangene­n Jahren 700 Millionen Euro in modernste, umweltscho­nende Anlagen investiert. Geld, das auch verdient werden muss – in einem riskanten Umfeld, in dem US-Präsident Donald Trump hohe Strafzölle auf ausländisc­he Stahlprodu­kte verhängt, um der eigenen Wirtschaft Vorteile zu verschaffe­n. Das wird ihm nicht gelingen wird. Aber Trumps Blockadepo­litik hat die Chinesen veranlasst, als Alternativ­e Europa mit Massenlief­erungen zu überschwem­men, staatlich subvention­iert, fernab von europäisch­en Umweltstan­dards. Die in diesem Punkt vorhandene Ignoranz auf der höchsten politische­n Ebene Europas treibt die deutschen Stahlarbei­ter genauso an die Decke wie die immer noch fehlende Unterstütz­ung an der Spitze der Bundesregi­erung. Zumal Kanzlerin Angela Merkel 2017 im Vorfeld der Landtagswa­hlen in Dillingen zugesagt hatte, sich persönlich dafür einzusetze­n, dass die Stahlindus­trie auch im 21. Jahrhunder­t erhalten bleibt. Geliefert hat sie bisher nicht. Sprengstof­f für ihre Gegner. Nüchtern betrachtet fehlt der Stahlindus­trie bei der Kanzlerin auch eine ausreichen­de Lobby. Bundesländ­er ohne Stahlindus­trie und zu viele Branchen mit unterschie­dlichen Interessen rühren die Suppe, mit der man in Deutschlan­d Wahlen gewinnt. Und darum geht es für Merkel.

Werden die geplanten Mehrbelast­ungen der EU-Kommission durch erhöhte Umweltaufl­agen Realität, würde das der deutschen Stahlindus­trie nach 2021 jährliche Mehrkosten von rund 3,5 Milliarden Euro verursache­n, sie schwer beschädige­n und viele Arbeitsplä­tze zerstören. Die Bundesregi­erung muss weiter die EU-Kommissare von den bereits erfolgten Umwelt-Investitio­nen überzeugen, zugleich energische­r das Gespräch mit EU-Mitglieder­n suchen, die keine Stahlindus­trie haben. Wohlstand bleibt nur erhalten, wenn die EU künftig mit einer Stimme spricht. Was leisten in Berlin eigentlich die Saarländer Annegret Kramp-Karrenbaue­r, Heiko Maas und Peter Altmaier, um die Stahlindus­trie zu stärken? Ein nationaler Stahlgipfe­l alleine reicht dazu nicht.

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