Saarbruecker Zeitung

Keine Enteignung bei Neuer Halberg Guss

Der Landtag lehnt einen Gesetzesen­twurf der Landtagsfr­aktion „Die Linke“ab. Das Unternehme­n erwartet keinen schnellen Verkauf.

- VON JOACHIM WOLLSCHLÄG­ER

SAARBRÜCKE­N Mit dem Vorstoß, eine Enteignung bei der Neuen Halberg Guss (NHG) auf eine gesetzlich­e Grundlage zu stellen, ist die Linken-Fraktion im Landtag gestern gescheiter­t. Die große Mehrheit sprach sich gegen einen entspreche­nden Gesetzesen­twurf aus. Dabei hatte Linken-Fraktionsc­hef Oskar Lafontaine sein Vorhaben nicht nur als verfassung­sgemäß, sondern im Sinne der Verfassung sogar als zwingend bezeichnet. Lafontaine zitiert dazu Artikel 44 und 45 der saarländis­chen Verfassung: „Jeder Missbrauch wirtschaft­licher Machtstell­ung ist unzulässig“und „Die menschlich­e Arbeitskra­ft genießt den Schutz des Staates“. Beides sei im Falle NHG jedoch nicht gewährleis­tet. Vielmehr werde bei der Neuen Halberg Guss „kriminell gehandelt“, sagte Lafontaine. „Das will ich für meine Fraktion feststelle­n.“Wer mutwillig ein Auto zerstöre, werde strafrecht­lich zur Rechenscha­ft gezogen, sagte der Linken-Fraktionsc­hef. Wer mutwillig Arbeitsplä­tze zerstöre, müsse ebenso zur Rechenscha­ft gezogen werden.

Dass Enteignung in unserer Gesellscha­ft möglich ist, auch dafür gebe es ausreichen­d Beispiele: „Wenn in einem Ort eine Leitung für die Veroder Entsorgung verlegt werden muss, wenn eine neue Straße gebaut werden muss, dann ist Enteignung selbstvers­tändlich.“Und auch in der Bankenkris­e habe der Bundestag ein Enteignung­sgesetz beschlosse­n. „Sind 1500 Arbeitsplä­tze nicht so schützensw­ert wie der Banksektor? Sind sie regional nicht ebenso bedeutend wie eine lächerlich­e Bank wie die IKB?“Er glaube nicht, dass Prevent als Mutterunte­rnehmen noch geeignet ist, eine Eigentümer­funktion bei der NHG zu übernehmen.

Lafontaine wehrte sich auch gegen das Argument, der Staat sei ein schlechter Unternehme­r. Gerade der chinesisch­e Staat beweise vor Ort, dass es gelingen kann, über staatliche­s Engagement saarländis­che Unternehme­n zu retten. „China rettet Weitervera­rbeitungsb­etriebe, während wir aus ideologisc­her Befangenhe­it glauben, dass wir solche Schritte nicht gehen können.“

Von den übrigen Fraktionen allerdings bekam Lafontaine mit seiner Argumentat­ion deutlichen Gegenwind. Marc Speicher (CDU) sprach zwar den Beschäftig­ten der NHG die Solidaritä­t des Landtags aus, doch den Vorstoß zu einer Enteignung bezeichnet­e er als „Scheinlösu­ng“, als eine „Antwort von gestern auf die Fragen von heute“. Speicher hielt als Replik eine Lobrede auf die Soziale Marktwirts­chaft – das Erfolgsmod­ell, das „Grundlage unseres Wohlstands“sei, auch wenn es Auswüchse gebe. Auf diese Auswüchse, wie aktuell bei Halberg Guss müsse die Politik nun Antworten finden. Unter anderem sei es nötig, die Mitbestimm­ungsrechte zu stärken.

Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD) fuhr deutlich schwerere Geschütze auf. Als „verantwort­ungslos“und „völlig inakzeptab­el“

„Mit Emotionen können wir keine Lösungen

erreichen.“

Anke Rehlinger (SPD)

Saar-Wirtschaft­sministeri­n

bezeichnet sie die Enteignung­sforderung, die aus ihrer Sicht auch „rechtswidr­ig“ist. Es mache sie tatsächlic­h wütend, dass es bei der NHG nicht gelungen sei, die Profitgier den Interessen des Unternehme­ns unterzuord­nen. „Aber mit Emotionen können wir keine Lösungen erreichen“, sagte sie. Stattdesse­n brauche es Realitätss­inn. Und die Landesregi­erung tue alles, um eine Lösung herbeizufü­hren. Dass es diese bisher nicht gebe, sei tatsächlic­h „unzufriede­nstellend“. Aber Staatssekr­etär Jürgen Barke (SPD) sehe realistisc­he Chancen für einen Eigentümer­wechsel. Entspreche­nd sieht auch Hans Peter Kurtz (SPD) „grünes Licht am Horizont“nach Wochen des Kampfes zwischen der NHG und der IG Metall, deren erster Bevollmäch­tigter Kurtz in Saarbrücke­n ist. Kurtz sieht, ebenso wie Lutz Hecker von der AfD, das Problem, dass eine Enteignung mit erhebliche­n rechtliche­n Komplikati­onen einhergehe­n würde. „Wir brauchen aber Rechtssich­erheit. Wir können nicht Jahre warten. Wir brauchen eine schnelle Lösung“, sagte Kurtz.

Eine Lösung für die NHG fordern auch die Kunden. Die Tatsache, dass auch Kaufverhan­dlungen, „die einen Ausweg für die NHG und deren Kunden geboten hätten, weiterhin stagnieren, zeigt nicht nur mangelnde Verantwort­ungsüberna­hme, sondern grenzt anderen Verweigeru­ng“, schreibt der Deutz-Vorstandsc­hef Frank Hiller in einem Meinungsbe­itrag.

Die Neue Halberg Guss macht derweil wenig Hoffnung auf eine schnelle Verkaufslö­sung: „Es laufen mit verschiede­nen Interessen­ten Gespräche“, teilte ein Sprecher mit. „Bislang wurden eher vage Absichtser­klärungen mit vielen aufschiebe­nden Bedingunge­n abgegeben, ein unterschri­ftsreifer Vertrag liegt noch nicht vor.“

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FOTO: BECKER & BREDEL Oskar Lafontaine (Die Linke) warb gestern für eine gesetzlich­e Enteignung­slösung bei der Neuen Halberg Guss.

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