Identitätskrise am Lebensabend
In „Das Leben vor mir“überdenkt ein Mann seine bisher getroffenen Entscheidungen.
SAARBRÜCKEN (ry) Cornelius (Matthias Habich) lebt in einer langen, glücklichen Beziehung mit seinem jüngeren Mann Frank (Stephan Kampwirth). Cornelius ist ein Altlinker, wie er im Buche steht. Mit seinen strubbeligen Haaren und dem gepflegt nachlässigen Look lebt er – wirtschaftlich gut gesichert – ein komfortables Leben. Dies ändert sich, als nach 30 Jahren ohne jede Ankündigung Julia (Eleonore Weisgerber) vor der Tür steht: die Frau, die Cornelius verließ, nachdem er erkannt hatte, dass er Männer liebt. Und mit der er zwei Kinder hat: Natascha (Maren Eggert) und Abel (Florian Panzner). Die beiden sind bei ihrem Vater aufgewachsen. Julia, früher eine kämpferische und erfolgreiche Journalistin, ist in San Francisco vereinsamt und pleite gegangen. Cornelius glaubt, sie würde bald sterben. Er nimmt Julia bei sich auf – zum Erstaunen Franks, der wenigstens gern gefragt worden wäre. Die Konfrontation mit seinem früheren Leben erschüttert Cornelius.
Unter der Regie von Anna Justice entstand eine unterhaltsame Komödie, in der im Grunde alle mit den gleichen Schwierigkeiten kämpfen, ob sie nun hetero-oder homosexuell sind. Als Justice das Drehbuch gelesen hat, habe ihr sofort „der Rhythmus, der Humor und die Leichtigkeit gefallen, mit der diese Geschichte erzählt wird.“Wunderbar fand sie „von Anfang an die Figur des Cornelius, der eine gleichgeschlechtliche Beziehung führt, die zwar im Zentrum der Handlung steht, aber das wird nicht thematisiert,sondern es wird erzählt, wie ganz unerwartet nach 30 Jahren seine Ex-Partnerin auftaucht und plötzlich alte Geschichten verhandelt werden müssen. Mit dieser Situation umzugehen, ist die Herausforderung für die Figur des Cornelius. Das kann in jeder Beziehung passieren, dass ein früherer Partner oder eine Partnerin auftaucht und alles aus dem Gleichgewicht gerät.“
Cornelius wird von Matthias Habich verkörpert, der von vornherein an dem Projekt interessiert war, wobei er von Anfang an gesagt habe, „das muss eine sehr selbstverständliche Geschichte werden, und das ist das Revolutionäre an diesem Film, dass diese gleichgeschlechtliche Beziehung völlig unaufgeregt erzählt wird. Eine große Schwierigkeit besteht darin, dass besonders das männliche Publikum sich da oft schlecht hineindenken kann.“Habicht führt weiter aus: „Das habe ich schon bei Freunden erlebt, die gesagt haben, das hat mich nicht berührt, mir fehlt die Frau in der Geschichte. Diese selbstverständliche Erzählweise in ‚Das Leben vor mir‘ führt vielleicht dazu, dass auch heterosexuelle Männer mit dem Paar mitfühlen können.“
Das Leben vor mir, 20.15 Uhr, ARD