Der lässige Rentner des Horrors
Ein neuer „Halloween“Horrorfilm kommt in unsere Kinos. Grund genug, an den Ur-Schöpfer der Reihe zu erinnern: John Carpenter, trotz mancher Qualitätsschwankungen ein wichtiger und immer origineller Filmemacher des amerikanischen Kinos.
den Blick auf einen Regisseur/Autor verstellt, der auch in seinen schwächeren Filmen immer eine ganz eigene Stimme, eine eigene Sicht und Haltung hatte – vor allem Skepsis und Angst gegenüber der Welt und dem Menschen an sich. Sein früher Thriller „Assault“(1976) erzählte schnörkellos von urbaner Gewalt, bei der die Staatsmacht auch keine vertrauenswürdige Figur macht. Im Actionfilm „Die Klapperschlange“hat die US-Regierung keine andere Idee, als die Insel Manhattan abzuschotten, Kriminelle dorthin zu deportieren und sie sich selbst zu überlassen – bewacht von einem gesichtslosen Polizeiapparat in nachtschwarzen Uniformen. Carpenter misstraut eben den Autoritäten: In seiner grellen Satire „Sie leben!“geht er sogar so weit, dass die Welt längst von Außerirdischen unterwandert ist, die uns seit Jahren hypnotisiert mit Botschaften wie „Konsumiert!“, „Gehorcht!“, „Schlaft!“und „Schaut Fernsehen!“. Den Film schrieb und drehte Carpenter unter dem Eindruck der Präsidentschaft Ronald Reagans. In seiner von der Kritik komplett verrissenen „Klapperschlange“-Fortsetzung „Flucht aus L.A.“dreht er die Prämisse des Vorgängerfilms noch weiter: Der strammrechte und offenbar geistig nicht ganz stabile amerikanische Präsident deportiert nun nicht mehr nur Kriminelle in eine gigantische Lager-Welt, sondern einfach alle, deren Denken und politische Einstellung nicht in das Bild eines neuen Amerikas passt.
Die Welt ist also schlecht bei Carpenter. Doch können das seine lakonischen Anti-Helden mit schönen Namen wie Napoleon Wilson, Desolation Williams oder Snake Plissken richten? Nein. Letzterer, aus „Klapperschlange“und „Flucht aus L.A.“, versucht sogar jeweils am Filmende, die Welt untergehen zu lassen – in einer Geste des kernigen Macho-Nihilismus. Und die Religion? Die bietet auch keinen Trost, denn in der Kirche tummeln sich schwarze Schafe: Im westernartigen Horrorfilm „Vampire“paktiert ein Kardinal (gespielt von Maximilian Schell) mit untoten Blutsaugern, um das ewige Leben zu erlangen – an den üblichen christlichen Weg dahin (Tod plus Auferstehung) glaubt er selbst nicht mehr.
Hoffnungsschimmer sind selten
bei Carpenter. Am ehesten findet man sie in seinem sanftesten Film „Starman“über einen Außerdirdischen (Jeff Bridges) auf der Reise quer durch die USA – nebenbei ein schönes Roadmovie mit einer kitschfreien Liebesgeschichte, überhaupt eine der seltenen Romanzen bei Carpenter. So grimmig seine Filme thematisch auch sein mögen – die mal elegante, mal drastische Inszenierung, verbunden mit sarkastischem Humor, machen sie bis heute packend. Bezeichnend, dass viele seiner Filme enorm gut altern und manchmal erst Jahre später ihr Publikum finden. Allen voran „Das Ding aus einer anderen Welt“von 1982, äußerlich ein Horrorfilm im ewigen Eis mit Effekten, die heute noch auf den Magen schlagen – vor allem aber ein Film über Vertrauensverlust, Einsamkeit und die Unausweichlichkeit des Todes (also fast wie ein Ingmar-Bergman-Film mit Monster). Damals wollte das fast niemand sehen, heute gilt der kühl konsequente Film als Meisterstück und erscheint in immer neuen Heimkino-Editionen. Vielleicht eine späte Genugtuung für den damals tief gekränkten Carpenter. Aber auch da macht er keine große Sache draus. Zeit dafür hätte er sowieso nicht: Er ist gerade mit Sohn und Patensohn auf Weltournee, mit seiner elektronichen Minimal-Filmmusik und neuen Kompositionen. Keine üble Rente.
„Halloween“startet morgen in vielen Kinos der Region – Kritik morgen in unserer Beilage treff.region.
Die Carpenter-Filme „Sie leben!“, „The Fog“und „Fürsten der Dunkelheit“erscheinen am 8. November frisch restauriert auf DVD und Bluray bei Studiocanal.