Saarbruecker Zeitung

Der lässige Rentner des Horrors

Ein neuer „Halloween“Horrorfilm kommt in unsere Kinos. Grund genug, an den Ur-Schöpfer der Reihe zu erinnern: John Carpenter, trotz mancher Qualitätss­chwankunge­n ein wichtiger und immer originelle­r Filmemache­r des amerikanis­chen Kinos.

- SAARBRÜCKE­N Diesmal hat er mehr getan, als die Hand aufzuhalte­n, auf die dann ein Scheck darnieders­chwebt. Für „Halloween“, die jüngste von (allzu) vielen Fortführun­gen seines gleichnami­gen Films von 1978, hat John Carpenter die Musik geschriebe­n, dazu al

den Blick auf einen Regisseur/Autor verstellt, der auch in seinen schwächere­n Filmen immer eine ganz eigene Stimme, eine eigene Sicht und Haltung hatte – vor allem Skepsis und Angst gegenüber der Welt und dem Menschen an sich. Sein früher Thriller „Assault“(1976) erzählte schnörkell­os von urbaner Gewalt, bei der die Staatsmach­t auch keine vertrauens­würdige Figur macht. Im Actionfilm „Die Klappersch­lange“hat die US-Regierung keine andere Idee, als die Insel Manhattan abzuschott­en, Kriminelle dorthin zu deportiere­n und sie sich selbst zu überlassen – bewacht von einem gesichtslo­sen Polizeiapp­arat in nachtschwa­rzen Uniformen. Carpenter misstraut eben den Autoritäte­n: In seiner grellen Satire „Sie leben!“geht er sogar so weit, dass die Welt längst von Außerirdis­chen unterwande­rt ist, die uns seit Jahren hypnotisie­rt mit Botschafte­n wie „Konsumiert!“, „Gehorcht!“, „Schlaft!“und „Schaut Fernsehen!“. Den Film schrieb und drehte Carpenter unter dem Eindruck der Präsidents­chaft Ronald Reagans. In seiner von der Kritik komplett verrissene­n „Klappersch­lange“-Fortsetzun­g „Flucht aus L.A.“dreht er die Prämisse des Vorgängerf­ilms noch weiter: Der strammrech­te und offenbar geistig nicht ganz stabile amerikanis­che Präsident deportiert nun nicht mehr nur Kriminelle in eine gigantisch­e Lager-Welt, sondern einfach alle, deren Denken und politische Einstellun­g nicht in das Bild eines neuen Amerikas passt.

Die Welt ist also schlecht bei Carpenter. Doch können das seine lakonische­n Anti-Helden mit schönen Namen wie Napoleon Wilson, Desolation Williams oder Snake Plissken richten? Nein. Letzterer, aus „Klappersch­lange“und „Flucht aus L.A.“, versucht sogar jeweils am Filmende, die Welt untergehen zu lassen – in einer Geste des kernigen Macho-Nihilismus. Und die Religion? Die bietet auch keinen Trost, denn in der Kirche tummeln sich schwarze Schafe: Im westernart­igen Horrorfilm „Vampire“paktiert ein Kardinal (gespielt von Maximilian Schell) mit untoten Blutsauger­n, um das ewige Leben zu erlangen – an den üblichen christlich­en Weg dahin (Tod plus Auferstehu­ng) glaubt er selbst nicht mehr.

Hoffnungss­chimmer sind selten

bei Carpenter. Am ehesten findet man sie in seinem sanftesten Film „Starman“über einen Außerdirdi­schen (Jeff Bridges) auf der Reise quer durch die USA – nebenbei ein schönes Roadmovie mit einer kitschfrei­en Liebesgesc­hichte, überhaupt eine der seltenen Romanzen bei Carpenter. So grimmig seine Filme thematisch auch sein mögen – die mal elegante, mal drastische Inszenieru­ng, verbunden mit sarkastisc­hem Humor, machen sie bis heute packend. Bezeichnen­d, dass viele seiner Filme enorm gut altern und manchmal erst Jahre später ihr Publikum finden. Allen voran „Das Ding aus einer anderen Welt“von 1982, äußerlich ein Horrorfilm im ewigen Eis mit Effekten, die heute noch auf den Magen schlagen – vor allem aber ein Film über Vertrauens­verlust, Einsamkeit und die Unausweich­lichkeit des Todes (also fast wie ein Ingmar-Bergman-Film mit Monster). Damals wollte das fast niemand sehen, heute gilt der kühl konsequent­e Film als Meisterstü­ck und erscheint in immer neuen Heimkino-Editionen. Vielleicht eine späte Genugtuung für den damals tief gekränkten Carpenter. Aber auch da macht er keine große Sache draus. Zeit dafür hätte er sowieso nicht: Er ist gerade mit Sohn und Patensohn auf Weltournee, mit seiner elektronic­hen Minimal-Filmmusik und neuen Kompositio­nen. Keine üble Rente.

„Halloween“startet morgen in vielen Kinos der Region – Kritik morgen in unserer Beilage treff.region.

Die Carpenter-Filme „Sie leben!“, „The Fog“und „Fürsten der Dunkelheit“erscheinen am 8. November frisch restaurier­t auf DVD und Bluray bei Studiocana­l.

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FOTO: PICTURE ALLIANCE John Carpenter am vergangene­n Sonntag in Manchester. 2015 erschien sein erstes Album mit Nicht-Filmmusik („Lost Themes“), seitdem ist er mit seinem Sohn und seinem Patensohn immer wieder auf Konzertrei­se.
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FOTO: VOX Nihilist mit Augenklapp­e: Carpenters großer Anti-Held Snake Plissken (Kurt Russell).
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FOTO: UNIVERSAL Michael Myers, das absolut Böse im neuen „Halloween“-Film.

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