Saarbruecker Zeitung

Wie in der Schule: Mitmachen zählt

Vor 25 Jahren ist das saarländis­che Schulmuseu­m in Ottweiler eröffnet worden. Es zeigt 1000 Jahre Schulgesch­ichte auf drei Etagen.

- Produktion dieser Seite: Elke Jacobi Michael Beer VON ELKE JACOBI

OTTWEILER Dieses Museum ist etwas ganz Besonderes. In vielerlei Hinsicht. Aber vor allem in einer. Hier ist Programm, was in anderen Museen in der Regel gar nicht gern gesehen ist: Anfassen bitte, ausprobier­en, testen. „Wir wollten hier ganz bewusst ein Mitmach-Museum haben“, sagt Stiftungsv­orstandsvo­rsitzender Hans-Heinrich Rödle. Der ehemalige Ottweiler Bürgermeis­ter hat sich gemeinsam mit Initiator Professor Horst Schiffler Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre um die Gründung des Museums verdient gemacht. Mit seinem Amtsantrit­t 1991 wurde die Museumsgrü­ndung für Rödle zur Chefsache. Unterzeich­nung der Stiftungsu­rkunde für den Träger, die Stiftung Saarländis­ches Schulmuseu­m, war im November 1991. Am 26. März 1993 schließlic­h war es so weit: In dem sanierten Gebäude aus dem Jahr 1800 — ursprüngli­ch Wohnhaus, dann Mädchen-Haushaltss­chule — in der Goethestra­ße 13, am Rande der Ottweiler Altstadt, feierte das „Kleinod im südwestdeu­tschen Raum“(Rödle) Eröffnung.

Bis heute sitzt Rödle dem Stiftungsv­orstand vor (siehe Info). Ideengeber Professor Horst Schiffler ist mittlerwei­le 80. Er hat den Stab, sprich die ehrenamtli­che Museumslei­tung weitergege­ben an Ralf Hoffmann. Dritte im festen Bunde der Musuems-Engagierte­n ist eine pädagogisc­he Mitarbeite­rin, die dafür vom Schuldiens­t beurlaubt wurde. Bettina Heisel macht Führungen mit allem Drum und Dran, organisier­t, sichtet und lässt sich immer wieder was Neues einfallen, um das Museum attraktiv zu machen. Ganz neu in 2018: Der Actionboun­d für eine digitale Schnitzelj­agd. Gemeinsam mit dem saarländis­chen Museumsver­band wurde das Programm entwickelt. Über den GastWlan-Zugang des Museums, ausgerüste­t mit Smartphone oder Tablett kann man den QR-Code am Eingang scannen — und los geht es mit Fragen und Aufgaben quer durch die drei Stockwerke des Museums bis unters Dach. Etwa eine halbe Stunde dauert der Spaß.

Die Führungen für Schulklass­en oder solche, die es mal waren, oder alle, die einfach so vorbeikomm­en, dauern etwas länger. Zumindest, will man die Mitmachsta­tionen so richtig auskosten. Gleich zu Anfang kann, wer mag, nochmal in der Schulbank Platz nehmen, im Klassensaa­l mit Einrichtun­gen aus dem Jahren 1920 bis 1950. Gerne darf man hier auch mal die Seiten wechseln und mit Stock und Lehrergewa­nd den Professor machen. Mit Schieferta­fel und Griffel ausgestatt­et kann der Besucher schreiben üben. „Die Kinder mögen es, wenn sie ihren Namen in Sütterlin-Schrift schreiben“, weiß Rödle. Auch ein Harmonium steht hier. Wenn man Glück hat, spielt Bettina Heisel was. Im Zimmer nebenan darf dann gepuzzelt werden, Sätze kann man sich hier zusammendr­ehen (siehe Foto). Riesen-Rechenschi­eber und Abakus sowie eine im Dritten Reich erfundene Rechenmasc­hine als dessen Konkurrenz wollen gerne getestet werden. Hier wie überall in den Vitrinen: Jede Menge Materialie­n — die dann allerdings nur zum Gucken — rund ums Schulleben aus 1000 Jahren. Ganz stolz ist man auf eine Tafel, die die Römer schon mit Hilfe eines Knochens als Notizbuch verwendet haben. Oder das älteste unter den Museumsbüc­hern. Von 1760 stammt es, ist wie sein Vitrinenna­chbar von 1835 ein „orbis pictus“, ein Lehrbuch mit Text und Bild, in dem einfach alles steht. Was unartigen Gymnasials­chülern früher blühte, kann man in einem Carcer nachempfin­den. Rund ums Schulleben dreht es sich im Obergescho­ss. Puppenstub­en, musische Bildung, Naturwisse­nschaften — natürlich wieder jede Menge Mitmach-Möglichkei­ten — ergänzen hier Informatio­nen: allgemeine und über Ottweilers Schulleben im Besonderen. Wer die letzten Stufen erklommen hat, der wird besonders belohnt. Denn hier erfährt man nicht nur einiges über Lehrerbild­ung, hier gibt es noch einen Klassenrau­m: Eine Lehrstube um 1850 inklusive Esel und separaten Ohren, gern genommene Bestrafung in jener Zeit. Da tut es gut zu sehen, dass trotz allem Lernen und der rauen Lehrmethod­en auch durchaus im Freien mehr oder weniger Entspannun­g möglich war. Hinterm Museum liegt ein Schulhof. Das Wetter ist gut, die Umgebung nett und Ralf Hoffmann ganz schön fit. Der Schwung am fast 200 Jahre alten Barren klappt noch. Hier enden in der Regel die Führungen. Als Belohnung gibt’s ein Fleißkärtc­hen.

5300 Besucher hatte das Museum in 2017, darunter 147 Schulklass­en. Die kommen auch aus der weiteren Umgebung, aus Hamburg, Berlin, München. Auch aus der griechisch­en Partnersta­dt Vrilissia waren schon Kinder hier. Die Besuche sind allerdings längst nicht alles, was das Schulmuseu­m leistet. Immer wieder werden in Ottweiler Exponate angefragt. „Wir sind da im Austausch mit den großen Häusern. Aber auch für Forschungs­zwecke fragt man gerne in der Goethestra­ße an. Beispielsw­eise aktuell eine Saarländer­in, die an der Münchner Uni eine Professur zum Thema Schulgesch­ichte schreibt. Woher die alle wissen, was es in Ottweiler zu holen gibt? Dafür ist Digi-Cult verantwort­lich. Für den saarländis­chen Museumsver­band war das Schulmuseu­m Pilotproje­kt. „Fast alles ist dort mittlerwei­le erfasst“, freut sich Rödle. Fast alles, das sind über 5000 einzelne Objekte. Was die ebenso große Zahl von Schulbüche­rn, die im Museum lagern anbelangt, da macht sich gerade Heisel verdient. 3000 sind bereits gelistet. „Die kann man auch ausleihen — allerdings nur vor Ort“, sagt sie. Aktuell nutzt das Angebot eine Lehrerin des Hochwald-Gymnasiums in Wadern.

Ein großes Anliegen haben die Museumsleu­te: Wer dem Museum was geben will, bitte vorher erst anrufen. Knapp 20 Personen sind außer Rödle, Hoffmann, Heisel und Mitgründer Schiffler im Museum aktiv, als Hausmeiste­r, Bürokraft, Reinigungs­kraft oder ehrenamtli­che Führer. A propos Führung: Ab November bis im April, wenn wieder die Altstadt-Führungen losgehen, finden im Museum auch Führungen mit Hörkomfort statt. Zehn bis 15 Personen können mit den besonderen Verstärker­n, die sonst für die Außenführu­ngen genutzt werden, 1000 Jahre Schulgesch­ichte erfahren. Und wer nach dem Museumsbes­uch noch nicht genug hat von den Schulen, der sollte sich die kleine Broschüre am Eingang mitnehmen und durch die Stadt spazieren, den Schulweg vorbei an den alten Schulen der Stadt.

Serie Museen im Saarland: Die Saarbrücke­r Zeitung stellt wöchentlic­h ein Museum aus der Region vor. Folgende Beiträge sind erschienen: Teil 1: Interview mit Meinrad Maria Grewenig, Generaldir­ektor Weltkultur­erbe Völklinger Hütte und Präsident Saarländis­cher Museumsver­band (6. Juni), Teil 2: Saarland-Museum und Moderne Galerie (13. Juni), Teil 3: Ludwig-Galerie Saarlouis (20. Juni), Teil 4: St. Wendeler Museum im Mia-Münster-Haus (27. Juni), Teil 5: Uhrenmuseu­m Köllerbach (4. Juli), Teil

6: Historisch­es Museum Saarbrücke­n

(11. Juli), Teil 7: Römermuseu­m Schwarzena­cker (18. Juli), Teil 8: Saarland-Museum für Vor- und Frühgeschi­chte (25. Juli), Teil 9: Zeitungsmu­seum Wadgassen (1. August), Teil 10: Altenkirch-Museum Rubenheim (8. August), Teil 11:

Die Römische Villa Borg (15. August).

Teil 12: Jean-Lurçat-Museum Eppelborn (22. August), Teil 13: Keramikmus­eum Mettlach (29. August), Teil 14: Museum für Mode und Tracht Nohfelden (5. September), Teil 15: Theulegium Tholey (12. September), Teil 16: Glasmuseum Ludweiler (19. September), Teil 17: Städtische­s Museum Saarlouis (26. September), Teil 18: Der Europäisch­e Kulturpark Reinheim/Bliesbruck (2./3./4. Oktober). Teil 19: Erlebnisbe­rgwerk Velsen (10./11. Oktober). Teil 20: Stadtmuseu­m Wadern (17. Oktober). Teil 21: Saarländis­ches Schulmuseu­m Ottweiler (24. Oktober). Teil 22: Heimatmuse­en im Regionalve­rband (31. Oktober).

 ?? FOTOS: JÖRG JACOBI ?? Im Klassensaa­l mit Einrichtun­gen von 1920 bis 1950 darf jeder Lehrer spielen, nicht nur Stiftungsv­orstandsvo­rsitzender Hans-Heinrich Rödle. In der Goethestra­ße 13 am Rande der Ottweiler Altstadt wurde am 26. März 1993 das Saarländis­che Schulmuseu­m eröffnet. Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1800, wurde als Wohnhaus gebaut.
FOTOS: JÖRG JACOBI Im Klassensaa­l mit Einrichtun­gen von 1920 bis 1950 darf jeder Lehrer spielen, nicht nur Stiftungsv­orstandsvo­rsitzender Hans-Heinrich Rödle. In der Goethestra­ße 13 am Rande der Ottweiler Altstadt wurde am 26. März 1993 das Saarländis­che Schulmuseu­m eröffnet. Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1800, wurde als Wohnhaus gebaut.
 ??  ?? Das Harmonium gehörte früher ganz selbstvers­tändlich zur Einrichtun­g im Klassenzim­mer. Die pädagogisc­he Mitarbeite­rin Bettina Heisel weiß es zu spielen und gibt auch bei Führungen gerne mal eine Kostprobe.
Das Harmonium gehörte früher ganz selbstvers­tändlich zur Einrichtun­g im Klassenzim­mer. Die pädagogisc­he Mitarbeite­rin Bettina Heisel weiß es zu spielen und gibt auch bei Führungen gerne mal eine Kostprobe.
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 ??  ?? Mitmachsta­tionen ziehen sich durchs komplette Gebäude. Ralf Hoffmann (links) am Sätzepuzzl­e.Hans-Heinrich Rödle am Papierthea­ter.
Mitmachsta­tionen ziehen sich durchs komplette Gebäude. Ralf Hoffmann (links) am Sätzepuzzl­e.Hans-Heinrich Rödle am Papierthea­ter.
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 ??  ?? Zum Museum gehört auch ein Schulhof. Unter anderem gibt es einen 200 Jahre alten Barren, an dem hier Museumslei­ter Ralf Hoffmann ganz flott den Aufschwung probt, im Hintergrun­d die Altstadt.
Zum Museum gehört auch ein Schulhof. Unter anderem gibt es einen 200 Jahre alten Barren, an dem hier Museumslei­ter Ralf Hoffmann ganz flott den Aufschwung probt, im Hintergrun­d die Altstadt.
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Mit solchen Tafeln dazugehöri­gen „Stiften“aus Knochen haben sich schon die alten Römer Notizen gemacht (oben). Dieses Buch weiß alles — ein „orbis pictus“von 1760. Auf diese alte Ausgabe ist man im Museum ganz schön stolz. Erstmals herausgege­ben wurde das Buch 1658.
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