Steiniger Weg zu einer heißen WM
Deutsche Turner starten ohne Weltmeisterin Schäfer bei den Titelkämpfen in Doha.
(sid) Weltmeisterin Pauline Schäfer verletzt zu Hause, Altmeister Marcel Nguyen angeschlagen – in der Wüstenmetropole Doha erwartet die deutschen Kunstturner ab Freitag eine im wahrsten Sinne des Wortes heiße WM-Phase. Die ersten Weltmeisterschaften in einem arabischen Land sind nicht nur wegen der hohen Temperaturen nach zuvor heftigen Regengüssen eine echte Herausforderung.
Wegen einer Fußverletzung kann die Saarländerin Schäfer ihren im vergangenen Jahr in Montreal errungenen Titel am Schwebebalken nicht verteidigen. Noch ärger hat es den Freund der 21-Jährigen erwischt: Der Reckspezialist und solide Mehrkämpfer Andreas Bretschneider erlitt bei den deutschen Meisterschaften im September in Leipzig einen Achillessehnenriss und muss sogar um einen Start bei der HeimWM 2019 in Stuttgart bangen.
„Unser Weg nach Doha war nicht frisch asphaltiert, sondern sehr steinig“, sagt Bundestrainer Andreas Hirsch, der besonders seinen langjährigen Schützling Nguyen mit Sorgfalt durch die WM-Vorbereitung bringen musste: „Marcels angebrochene Rippe hat ihm ziemlich zu schaffen gemacht. Aber ich hoffe, er kann einen kompletten Mehrkampf turnen.“Schließlich erwies sich der mittlerweile 31-Jährige bei den nationalen Titelkämpfen nicht zum ersten Mal als bester Sechskämpfer. Überdies ist der zweimalige Barren-Europameister an diesem Gerät immer wieder für eine positive Überraschung gut.
Auf einen solchen Moment hoffen am Stufenbarren auch Sophie Scheder und Elisabeth Seitz. Ziehen die Olympia-Dritte aus Chemnitz und die letztjährige EM-Dritte aus Stuttgart ihre Weltklasse-Übungen voll durch, sind Finalplätze am Doppelreck keine Utopie. „Beide gehören ganz klar zur Weltspitze“, sagt Bundestrainerin Ulla Koch.
Die Mannschaftsentscheidungen, üblicherweise im Mittelpunkt des Interesses, stehen im futuristischen Aspire Dome noch nicht wie gewohnt im Fokus. Denn eine Platzierung unter den ersten 24 Mannschaften, gleichbedeutend mit der Qualifikation für die WM in Stuttgart, ist für beide Riegen ein absoluter Selbstläufer. Ernst wird es erst im Oktober 2019, wenn in der Stuttgarter Schleyer-Halle die Olympia-Tickets für Tokio 2020 vergeben werden. Schon 2007, ein Jahr vor den Spielen von Peking, hatten die deutschen Gerätartisten den Heimvorteil genutzt und sich an gleicher Stelle für Olympia qualifiziert.
Viele Augen werden bei der WM in Doha auf Simone Biles gerichtet sein. Die 21- Jährige kehrt zwei Jahre nach ihrem Mehrkampf-Triumph in Rio und zehn Monate nach der Verurteilung des langjährigen US-Teamarztes Larry Nassar wegen sexuellen Missbrauchs auf die große Turnbühne zurück. Biles, die als eine von vielen Leidensgenossinnen seelisch und körperlich missbraucht wurde, fühlt sich mittlerweile als Sportlerin mit einer speziellen Mission: „Ich will jungen Mädchen zeigen, dass sie alles schaffen können, auch wenn es unmöglich scheint.“