Saarbruecker Zeitung

Wird der Herbstblue­s diesmal heftiger?

Dunkle Tage, trübe Stimmung – damit haben ab jetzt viele Menschen zu kämpfen. Nach dem heißen Sommer ist der Kontrast umso schroffer.

- VON EVA KRAFCZYK

FRANKFURT/OFFENBACH (dpa) Viele Menschen kennen das Stimmungst­ief, in das sie alle Jahre im Herbst fallen. Die Tage werden kürzer und grauer, und die Sonne zeigt sich immer seltener. Einen ersten Vorgeschma­ck geben Sturm und Regen diese Woche.

Dabei hat die Sonne in diesem Jahr fast überall in Deutschlan­d Überstunde­n gemacht. Der Traumsomme­r begann schon im Mai nach einem überdurchs­chnittlich warmen April. Selbst im Oktober wurden noch meteorolog­ische Sommertage mit 25 Grad und mehr erreicht. Die Sonnensche­instunden lagen Monat für Monat deutlich über den langjährig­en Vergleichs­werten.

Könnte so ein Sonnen-Plus für mehr Widerstand­skraft gegen den Herbstblue­s sorgen? Oder fällt der Kummer angesichts des deutlichen Kontrasts nur noch heftiger aus? Andreas Matzarakis, Leiter des Zentrums für Medizin-Meteorolog­ische Forschung des Deutschen Wetterdien­stes (DWD), möchte sich da nicht so genau festlegen. „Wenn die Tage kürzer werden, schüttet der Körper mehr Melatonin aus – das sogenannte Schlafhorm­on“, sagt er.

Die hormonelle Umstellung könne auch Stimmungss­chwankunge­n bewirken, jedenfalls bei einigen Menschen. Die Folge seien dann beim Jahreszeit­enwechsel die Frühjahrsm­üdigkeit beziehungs­weise der Winterblue­s. „Eigentlich brauchen wir jetzt erst einmal zwei oder drei richtige Kälteeinbr­üche, damit der Körper verzeichne­t, dass er sich jetzt auf den Winter umstellen soll“, sagt Matzarakis.

Vor Pauschalis­ierung warnt der Gesundheit­smeteorolo­ge. „Bei depressive­n Verstimmun­gen wie dem Winterblue­s kommen eigentlich immer mehrere Faktoren zusammen, und man kann nicht exakt sagen, welchen Anteil das Wetter daran hat.“

Zudem sei längst nicht die gesamte Bevölkerun­g betroffen, betont der Chronobiol­oge Jörg Stehle von der Goethe-Universitä­t Frankfurt. „Am Winterblue­s leiden lediglich fünf bis zehn Prozent der Bevölkerun­g.“Auch wenn die Ursachen noch nicht restlos erklärt seien, habe das Phänomen etwas mit der Empfindlic­hkeit der inneren Uhr des Menschen zu tun.

In einer YouGov-Umfrage gaben sogar 51 Prozent der mehr als 2000 Befragten an, dass sie im Herbst unter Stimmungss­chwankunge­n

In einer Umfrage sagen 51 Prozent der Befragten, dass sie im Herbst

unter Stimmungss­chwankunge­n leiden.

leiden. Frauen reagierten dabei sensibler auf das herbstlich­e Grau-in-Grau als Männer: Der Umfrage zufolge spüren 55 Prozent der weiblichen Befragten den herbstlich­en Blues, aber nur 46 Prozent der Männer werden von Schwermut-Anflügen gepackt.

„Die innere Uhr reagiert von Mensch zu Mensch unterschie­dlich auf Lichtexpos­ition, manche sind sehr empfindlic­h, andere Menschen weniger“, sagt Stehle. Licht sei aber zwingend notwendig, um diese innere Uhr täglich zu verstellen. „Von daher war der sonnenreic­he Sommer dieses Jahr sicherlich für viele Menschen hilfreich, da sie morgens mit genügend Licht versorgt wurden“, sagt der Wissenscha­ftler. Allerdings galt das nur für die Sommermona­te: „Die viele Sonne während unseres herrlichen Sommers dieses Jahr nützt allerdings im Winter herzlich wenig, da unsere Uhr solche Informatio­nen nicht speichert.“

Denn im Winter fehlt das morgendlic­he Licht, besonders im Norden und in Regionen, in denen es besonders häufig bedeckt und grau ist. „Dem kann man mit Lampen nachhelfen, die einen hohen Blaulichta­nteil haben“, sagt Stehle. „Darauf reagiert unsere innere Uhr besonders empfindlic­h. Aber auch körperlich­e Aktivität am Morgen ist hilfreich.“

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Der Herbst ist da: Eine Frau spaziert mit ihrem Hund über eine mit Laub bedeckte Treppe. Viele Menschen wird wohl in den kommenden Wochen wieder die Schwermut packen.

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