Saarbruecker Zeitung

Union und SPD dürfen nach Hessen nicht hektisch werden

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Nach Bayern zeigt nun auch die Landtagswa­hl in Hessen, dass die alten Volksparte­ien einer galoppiere­nden Schwindsuc­ht unterliege­n. Sie bekommen Klatsche um Klatsche. Nach der SPD nun auch die Union. Die alten Parteimili­eus zerfallen. Überall in Europa ist das so. In Deutschlan­d hat die Flüchtling­skrise vor allem bei der SPD den Niedergang enorm beschleuni­gt; sie verliert nun auch die letzten Arbeiterwä­hler in Richtung AfD. Der zweite Faktor war Horst Seehofer, der nicht nur die Autorität von Kanzlerin Angela Merkel massiv beschädigt sondern auch dafür gesorgt hat, dass die große Koalition in Berlin bisher keine Minute ruhig arbeiten konnte. Das trifft nun auch den Nimbus von CDU und CSU als Garanten von Stabilität. Ein echtes Eigentor.

Die verbreitet­e Anti-Groko-Stimmung hat auch am gestrigen Sonntag die Landesthem­en in Hessen klar überdeckt. Und dennoch besteht für Union und SPD im Bund kein Zwang, deswegen nun hektisch zu reagieren und das Bündnis zu beenden. Im Gegenteil. Es ist eine Frage der politische­n Verantwort­ung, Neuwahlen zu vermeiden. Denn sie würden nicht nur die Rechten enorm stärken. Für die SPD könnten sie den sofortigen Totalunter­gang bedeuten. Auch die Unionsseit­e würde erheblich verlieren, schon wegen der ungeklärte­n Führungsfr­age nach Angela Merkel. Und welche Koalition dann käme, wäre ebenfalls völlig ungewiss. Nichts würde besser werden. Aber das Land würde mitten in einer Zeit großer internatio­naler Krisen ins politische Chaos gestürzt.

Zwar muss diese GroKo die letzte gewesen sein, zwar muss auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel endlich den Wechsel an der Spitze der Union vorbereite­n. Aber keiner sollte in Berlin jetzt atemlos durch die politische Nacht rennen. Stattdesse­n sollten Union und SPD endlich mal konsensori­entiert arbeiten und das auch für die Wähler sichtbar machen. So schlecht ist das Programm der großen Koalition nämlich nicht. Voraussetz­ung dafür ist freilich, dass der Noch-Vorsitzend­e der CSU, Innenminis­ter Horst Seehofer, aus dem Bundeskabi­nett fliegt. Er hat die Bundespoli­tik als Bühne für einen persönlich­en Egotrip missbrauch­t. Für solche Spielchen sind die Zeiten zu ernst.

Dass die Grünen fast überall in Deutschlan­d und jetzt auch in Hessen so stark sind, liegt daran, dass sie es geschafft haben, sowohl prinzipien­fest in ihren Kernthemen zu erscheinen, als auch flexibel genug, um konstrukti­v mitzuregie­ren. Angesichts der neuen Parteienko­nstellatio­n ist das eine zentrale Eigenschaf­t.

Auch in Hessen führt das Ergebnis zu äußerst knappen Koalitions­mehrheiten; wer mit wem zusammenar­beitet oder zusammenar­beiten muss, ist fast schon zufällig, hängt von wenigen Stimmen mehr oder weniger ab. FDPChef Christian Lindner muss sich fragen, warum nicht seine Partei als Alternativ­e zu den sterbenden Volksparte­ien gesehen wird. Vielleicht hätte er eine Chance wie ein „Jamaika-Bündnis“im Bund in solchen Zeiten doch nicht so leichtfert­ig platzen lassen sollen.

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