Saarbruecker Zeitung

In Hessen stehen die Zeichen auf Schwarz-Grün

Allerdings muss sich das bisherige Regierungs­bündnis neu erfinden. Und das liegt nicht nur am schwachen Abschneide­n der CDU.

- VON ANDREA LÖBBECKE UND BERND GLEB

(dpa) Für Schwarz-Grün in Hessen ist eine zweite Runde zum Greifen nahe. Allerdings könnten die Verhandlun­gen für die Neuauflage des Regierungs­bündnisses alles andere als einfach werden. Denn die Partner treffen unter ganz anderen Voraussetz­ungen aufeinande­r: Auf der einen Seite eine angeschlag­ene CDU, die in Hessen an massiven Stimmenver­lusten herumknabb­ert und im Bund eine neue Chefin oder einen neuen Chef sucht. Auf der anderen Seite die Grünen, die so stark sind wie nie.

Der bislang deutlich kleinere Partner würde in dem Zweierbünd­nis eine größere Rolle spielen und mit gesundem Selbstvert­rauen seine Politik durchsetze­n wollen. Wie viel Grün im Koalitions­vertrag kann die CDU mittragen? Und wie viele Ministerpo­sten könnten am Ende für die Grünen rausspring­en? Bislang gibt es mit Wirtschaft­sminister Tarek Al-Wazir und Umweltmini­sterin Priska Hinz zwei Grüne am Kabinettst­isch. Allerdings konnte die Partei bei der Wahl am Sonntag mit 19,8 Prozent ein historisch gutes Ergebnis einfahren – nach 11,1 Prozent im Jahr 2013. Und letztlich ist es ihrem guten Abschneide­n zu verdanken, dass es angesichts der CDU-Talfahrt überhaupt zu einer Neuauflage von SchwarzGrü­n kommen kann. Eine komfortabl­ere Jamaika-Koalition mit der FDP schlossen die Liberalen nach der Wahlnacht aus, weil sie nach eigener Aussage kein „Ersatzrad“sein wollen. Auch einer rechnerisc­h ebenfalls möglichen Ampel-Koalition unter Führung der Grünen erteilte die FDP eine Absage.

Zum Problem könnte werden, dass die schwarz-grüne Mehrheit mit einem Sitz nun hauchdünn ist. Vielen ist noch gut im Gedächtnis, dass 2015 eine Grünen-Abgeordnet­e ihren Hut nahm und die Fraktion verließ. Sollte so etwas noch mal passieren, wäre die schwarz-grüne Mehrheit schnell passé. Erste Nagelprobe könnte eine anstehende Bundesrats­entscheidu­ng zu sicheren Herkunftss­taaten sein. Dazu will die Bundesregi­erung Tunesien, Algerien, Marokko und Georgien erklären. CDU und Grüne sind sich in dieser Frage uneins. Ziel ist es, die Asylverfah­ren von Menschen aus diesen Ländern zu beschleuni­gen. Bei einer früheren Abstimmung in der Länderkamm­er über die Anerkennun­g von Algerien, Marokko und Tunesien im März vergangene­n Jahres hatte sich Hessen enthalten. Auch bei Entscheidu­ngen zur Zukunft des Frankfurte­r Flughafens sind Szenarien denkbar, bei denen es in der Koalition in Wiesbaden ungemütlic­h werden könnte.

Mit knappen Mehrheiten wurde in Hessen schon häufiger regiert, etwa als nach der Wahl im Jahr 1999 eine schwarz-gelbe Regierung unter Roland Koch (CDU) mit 56 Sitzen an die Macht kam – SPD und Grüne kamen auf 54. Die absolute Mehrheit, auf die sich die CDU-Alleinregi­erung im Anschluss ab 2003 stützte, fußte ebenfalls auf lediglich einem Sitz.

Das muss nicht zwingend ein Nachteil sein, findet Ministerpr­äsident Volker Bouffier (CDU). „Wir haben ja vor einigen Jahren mit den Freien Demokraten mit einem Sitz (Mehrheit) recht stabil regiert“, sagte der Landesvate­r dem Hessischen Rundfunk. Bei einer solch knappen Mehrheit herrsche eine große Disziplin, weil jeder wisse, was von ihm abhänge.

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