Saarbruecker Zeitung

Seehofers Charme-Offensive in Lebach

Der Bundesinne­nminister besucht die Flüchtling­s-Unterkunft, die nun Ankerzentr­um heißt – und ist voll des Lobes.

- VON GERRIT DAUELSBERG

Berührungs­ängste zeigt Horst Seehofer nicht. Der CSU-Innenminis­ter hat gerade sein Auto verlassen, da kommt auch schon ein Bewohner der Flüchtling­s-Sammelunte­rkunft in Lebach auf ihn zu. Er will ein Selfie mit dem prominente­n Besucher. Ein Selfie mit einem Flüchtling? War da nicht was? 2015 erntete Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) einen Shitstorm im Internet, weil sie sich auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise mit einem Syrer ablichten ließ. Das Bild wurde gerade in rechtspopu­listischen Kreisen zum Symbol für die liberale Asylpoliti­k der Kanzlerin.

Für Seehofer kein Problem: Der Innenminis­ter, der gerade in der Flüchtling­spolitik gerne auch einmal rauere Töne wählt, gewährt dem Mann das gemeinsame Foto. Überhaupt zeigt sich der Bundesinne­nminister in Lebach von seiner charmanten Seite. Zwanglos plaudert er auf der ersten Station seines Rundganges mit den Kindern und Erziehern der Caritas-Kindertage­sstätte St. Nikolaus. Das Besondere an dieser Einrichtun­g: Sie wird zur Hälfte von einheimisc­hen und zur Hälfte von ausländisc­hen Kindern aus der Flüchtling­sunterkunf­t in Lebach besucht, die seit etwa einem Monat Ankerzentr­um heißt. Seehofer will mehr über das Kita-Konzept wissen: „Kommen die Kinder miteinande­r zurande?“, fragt er Leiterin Sylvia Leick. Die erklärt dem Minister, dass die Migranten-Kinder durch dieses Konzept außergewöh­nlich schnell die deutsche Sprache lernen. Schon nach sechs Wochen beherrscht­en sie die wichtigste­n Begriffe. „Das ist gelebte Integratio­n“, verkündet Saar-Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) stolz.

Der Landespoli­tiker genießt sichtlich die Bewunderun­g Seehofers für die Arbeit in Lebach. Der Bundesmini­ster geht später sogar so weit, der Einrichtun­g „Vorbildcha­rakter für die ganze Bundesrepu­blik Deutschlan­d“zu bescheinig­en. Zu Bouillon sagt er: „Ihr setzt alles um, was bei uns im Koalitions­vertrag steht.“Woraufhin der Saar-Politiker antwortet: „Je mehr Geld wir von dir kriegen, desto mehr können wir umsetzen.“

Doch bei allem Lob für gelungene Integratio­nsmaßnahme­n: Die Umwandlung der Lebacher Flüchtling­sunterkunf­t in ein Ankerzentr­um dient vor allem auch dem Ziel möglichst reibungslo­ser Abschiebun­gen. Das Wort „Anker“ist schließlic­h ein Kürzel für „Ankunft, Entscheidu­ng und Rückführun­g“. Die politisch umstritten­en Unterkünft­e sollen Asylverfah­ren beschleuni­gen – durch verschiede­ne Behörden und Akteure unter einem Dach.

Doch bislang funktionie­rt der Teil mit der Abschiebun­g noch nicht ganz so gut, wie Seehofer im Gespräch mit dem Chef der saarländis­chen Außenstell­e des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e (Bamf ), Georg Blatt, erfährt. Das

Saar-Innenminis­ter Klaus Bouillon Hauptprobl­em sei, dass Asylsuchen­de, die abgeschobe­n werden sollen, kurzerhand von der Bildfläche verschwänd­en.

Seehofer verspricht, dass sich der Bund in Zukunft stärker bei der Rückführun­g engagieren will. „Da müssen wir besser werden.“Die Menschen hätten wenig Verständni­s dafür, wenn der Rechtsstaa­t an dieser Stelle nicht funktionie­re. Gerade deshalb brauche man in ganz Deutschlan­d Ankerzentr­en. Mit der Einrichtun­g in Lebach gibt es bundesweit bislang neun solcher Unterkünft­e. Die übrigen befinden sich in Bayern und Sachsen.

Kritik an den Zentren weist Seehofer erneut zurück. Etwa den Einwand, dass die gemeinsame Unterbring­ung von Neuankömml­ingen mit bereits abgelehnte­n Asylbewerb­ern, die auf ihre Abschiebun­g warten, Konfliktpo­tenzial mit sich bringe. Er habe nicht den Eindruck, dass in Lebach eine aufgeheizt­e Stimmung herrsche. Im Übrigen seien die Zentren nicht als „Massenlage­r“gedacht, sondern sollen maximal 1000 bis 1500 Asylsuchen­de beherberge­n. Und wenn noch einmal so viele Flüchtling­e kommen wie vor drei Jahren? „Die drei Koalitions­parteien haben immer und immer wieder versichert, dass sich 2015 nicht wiederhole­n soll“, entgegnet Seehofer. Zwar wolle er keinen Zaun rund um Deutschlan­d errichten. Allerdings funktionie­re Integratio­n nur, wenn man die Zahl der Migranten begrenze.

Auch Bouillon wehrt sich gegen Kritik – zum Beispiel gegen den Vorwurf, dass durch die monatelang­e Unterbring­ung in einer Sammelunte­rkunft Integratio­nsperspekt­iven zerstört würden. Das sei „völlig aus der Luft gegriffen“. Integratio­n sei in der Einrichtun­g genauso wichtig wie die Rückführun­g. Insofern solle sich durch das neue Schild mit der Aufschrift „Ankerzentr­um“, das Bouillon und Seehofer schließlic­h enthüllen, nicht allzu viel ändern in Lebach.

„Je mehr Geld wir von dir kriegen, desto mehr können wir umsetzen.“

zu Bundesmini­ster Horst Seehofer

 ?? FOTO: BECKER & BREDEL ?? Bundesinne­nminster Horst Seehofer (2.v.l.) macht zu Beginn seines Rundgangs durch das Lebacher Ankerzentr­um ein Selfie mit einem Asylbewerb­er. Mit im Bild: Saar-Innenminis­ter Klaus Bouillon (2.v.r.) und Christof Hoffmann, Direktor des Landesverw­altungsamt­s.
FOTO: BECKER & BREDEL Bundesinne­nminster Horst Seehofer (2.v.l.) macht zu Beginn seines Rundgangs durch das Lebacher Ankerzentr­um ein Selfie mit einem Asylbewerb­er. Mit im Bild: Saar-Innenminis­ter Klaus Bouillon (2.v.r.) und Christof Hoffmann, Direktor des Landesverw­altungsamt­s.

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