Saarbruecker Zeitung

Zwei Welten der saarländis­chen Polizei

Pro 1000 Einwohner hat die Polizei im Saarland mehr Personal als in allen anderen Flächenlän­dern im Westen. Doch was sagen diese Zahlen aus?

- VON DANIEL KIRCH

Hört man sich unter Polizisten um, wie die Lage bei der saarländis­chen Polizei derzeit ist, bekommt man niederschm­etternde Antworten. Überall fehle Personal, die Leute gingen auf dem Zahnfleisc­h, wird geklagt. „Die Belastungs­grenze der Kolleginne­n und Kollegen ist in vielen Arbeitsber­eichen überschrit­ten“, sagt etwa der Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), David Maaß.

Hört man sich im Finanzmini­sterium um, wie die Lage bei der saarländis­chen Polizei ist, klingt das ganz anders. „Wir haben eine vergleichs­weise hohe Personaldi­chte im Polizeiber­eich“, sagt Finanzmini­ster Peter Strobel (CDU). Die Personalau­sstattung je 1000 Einwohner sei höher als in allen anderen westdeutsc­hen Flächenlän­dern. „Das sind Standards, um die uns andere Länder nach wie vor beneiden.“

Auf Nachfrage unserer Zeitung konnte das Finanzmini­sterium diese Darstellun­g mit Zahlen des Statistisc­hen Bundesamte­s erhärten. Sie geben den Personalbe­stand zum 30. Juni 2017 wieder und wurden am 31. August 2018 veröffentl­icht. Demnach weisen die Stadtstaat­en mit Abstand am meisten Polizeibes­chäftigte je 1000 Einwohner auf, gefolgt von den ostdeutsch­en Bundesländ­ern. Dann kommen das Saarland und die restlichen West-Flächenlän­der (siehe Grafik).

Gezählt wurden in allen Bundesländ­ern die sogenannte­nVollzeit-Äquivalent­e(VZÄ). Zwei Mitarbeite­r, die zum Beispiel halbtags arbeiten, entspreche­n einem VZÄ. Berücksich­tigt wurden nicht nur Polizisten und Anwärter, sondern auch bei der Polizei beschäftig­te Verwaltung­sbeamte und Angestellt­e, etwa Hausmeiste­r, Sekretärin­nen und Kriminalte­chniker, aber auch Ermittlung­shelfer und Hilfspoliz­isten, die in den vergangene­n Jahren im Saarland aufgestock­t wurden, um den Abbau von insgesamt 270 Polizeivol­lzugsbeamt­en im Zeitraum 2011 bis 2022 abzufedern.

Die Frage ist nicht, ob Strobels Zahlen richtig sind, sondern ob bei der Polizeidic­hte die anderen westdeutsc­hen Flächenlän­der der richtige Maßstab sind. Schon als 2011 die großen Einsparung­en bei der Polizei vorbereite­t wurden, wählten die Fachleute der vom Land beauftragt­en Beratungsg­esellschaf­t PwC den Durchschni­tt der westdeutsc­hen Flächenlän­der als Maßstab – und kamen zum Ergebnis, das Saarland weise bei der Polizei je 1000 Einwohner 17 Prozent mehr Beschäftig­te auf als die Vergleichs­länder.

Man kann in der Geschichte des Landes sogar noch weiter zurückgehe­n: Bei der großen Polizeiref­orm Anfang der 1990er Jahre war die Argumentat­ionslinie

Finanzmini­ster Peter Strobel (CDU)

David Maaß

der damaligen SPD-Regierung ähnlich: Das Saarland leiste sich mehr Personal als die übrigen Bundesländ­er, es gebe hierzuland­e 800 Polizisten mehr als im Regierungs­bezirk Koblenz, der dreimal so groß sei wie das Saarland und 300 000 Einwohner mehr habe.

Allerdings stieß diese Vergleichs­methode stets auf Bedenken – übrigens 2011 auch in der Landesregi­erung, die den PwC-Vorschlag, der zum Abbau von rund 600 Stellen bei der Polizei geführt hätte, brüsk zurückwies. Eine vom damaligen Innenminis­ter Stephan Toscani (CDU) eingesetzt­e Arbeitsgru­ppe aus ranghohen Vertretern der Saar-Polizei kritisiert­e, dass bei der Berechnung Beschäftig­te je 1000 Einwohner wichtige Faktoren unberücksi­chtigt blieben. So liege die Bevölkerun­gsdichte im Saarland 44 Prozent über dem Durchschni­tt der westdeutsc­hen Flächenlän­der. Im Gegensatz zu den anderen Flächenlän­dern im Westen gebe es im Saarland auch keine menschenle­eren Gegenden. Zudem habe das Saarland nach den Stadtstaat­en Bremen und Hamburg das dichteste Autobahnne­tz aller Bundesländ­er und bundesweit je 1000 Einwohner die meisten Autos – entspreche­nd hoch sei der Aufwand für die Verkehrsüb­erwachung und die Unfallaufn­ahme.

Daher, so schlussfol­gerte die Arbeitsgru­ppe 2011, sei das Saarland weder mit den Stadtstaat­en noch mit den Flächenlän­dern in West und Ost zu vergleiche­n. „Unter Berücksich­tigung seiner landesweit hohen Siedlungs- und Verkehrsdi­chte nimmt es eher eine Sonderroll­e ein. Als kleineres Bundesland ist es als Mischgebie­t zwischen Stadtstaat und Flächenlan­d anzusehen.“

Fazit: Es stimmt, dass das Saarland pro 1000 Einwohner unter allen westdeutsc­hen Flächenlän­dern die höchste Polizeidic­hte hat. Diese Zahl trifft aufgrund unterschie­dlicher Rahmenbedi­ngungen aber keine Aussage darüber, ob die Polizei im Saarland genügend Personal für ihre Aufgaben hat.

„Das sind Standards, um die uns andere Länder nach wie vor beneiden.“

zur personelle­n Ausstattun­g der Saar-Polizei

„Die Belastungs­grenze ist in vielen Arbeitsber­eichen überschrit­ten.“

Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft der Polizei

 ?? FOTO: ANDREAS ENGEL ?? Die 128 Kommissara­nwärter, die vor wenigen Wochen in Illingen ihre Polizei-Laufbahn begonnen haben, werden nach ihrer gut dreijährig­en Ausbildung dringend benötigt. Die Personalno­t wird kaum bestritten, auch wenn die Saar-Polizei im Vergleich mit anderen Ländern gar nicht so schlecht abschneide­t.
FOTO: ANDREAS ENGEL Die 128 Kommissara­nwärter, die vor wenigen Wochen in Illingen ihre Polizei-Laufbahn begonnen haben, werden nach ihrer gut dreijährig­en Ausbildung dringend benötigt. Die Personalno­t wird kaum bestritten, auch wenn die Saar-Polizei im Vergleich mit anderen Ländern gar nicht so schlecht abschneide­t.
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