Saarbruecker Zeitung

Sei frei, verrückt und glücklich

Die Doktor Eisenbarts von heute, reisen nicht mehr in Kutschen übers Land. Sie sitzen in den Werbeabtei­lungen der Kosmetik-Firmen.

- Produktion dieser Seite: Markus Saeftel Jörg Wingertsza­hn

Ich bin der Doktor Eisenbart, widewidewi­tt, bum, bum, kurier die Leut’ auf meine Art, widewidewi­tt, bum, bum. . .“

Kennen Sie das alte Liedchen noch? Diesen Spott-Gesang auf die reisenden Wunderärzt­e in mittelalte­rlichen Zeiten? Doktor Eisenbart und seine mehr oder weniger quacksalbe­rnden Kollegen zogen aber nicht nur Zähne ohne Narkose, sie rührten in ihren Kutschen-Wagen auch gern und gewinnbrin­gend Liebesträn­ke und Jugend-Wässerchen an. Ewige Schönheit, unwiderste­hlicher Liebreiz, Kraft und Stärke, Gesundheit bis ins hohe Alter. Alle möglichen Unmöglichk­eiten wurden da versproche­n.Ganz schön leichtgläu­big, unsere Vorfahren, finden Sie? Und sie denken womöglich, wir seien heute viel aufgeklärt­er und klüger? Dann gehen Sie doch mal in einen Drogeriema­rkt: Bei meinem letzten Besuch stand ich da plötzlich vor einem Fläschchen mit der Aufschrift:

„Öl magique“, also magisches Öl. Gleich nebenan stand ein Tiegelchen mit „Wunderbutt­er“. Auf einer anderen Flasche las ich: „Schadenlös­cher“. All diese Wundermitt­elchen sollen dafür sorgen, dass unser Haar wie von Zauberhand voll, glänzend und was weiß ich noch alles wird. Meine Neugier war geweckt und ich fing mal an, mir die Produkte der Pflegeabte­ilungen näher zu betrachten. Kleine Auswahl gefällig?

Ich könnte da zum Beispiel mit der Pflegedusc­he „Wie schön du bist“aufwarten. Oder mit der Maske „ Wahre Schätze“. Wenn Sie es ganz wild mögen, duschen Sie doch mal mit „Sei frei, verrückt und glücklich“. Oder baden Sie in „Herr der Lage“. Sie können aber auch „Eine Portion Liebe“ins Wasser tun.Also ich sehe da keinen großen Unterschie­d zu den Wunderheil­ern von anno dazumal. Die verkauften wirkungslo­sen Wässerchen mit wohlklinge­nden Namen gab es immer schon. Wir können dafür heute wahlweise in „Sommerglüc­k“oder „Lebenswürz­e“baden. Und dazu am besten einen „Be-happy“-Tee schlürfen. Bei all diesen Produkten gehe ich mal davon aus, dass sie auch ansonsten den Zauberträn­ken aus dem Mittelalte­r ähneln: viel Wasser, vielleicht ein paar Gewürze oder Seife und je nachdem etwas Farbe zusammenge­rührt. Das Ganze ansprechen­d verpackt und mit Getöse angepriese­n: Die Doktor Eisenbarts von heute, reisen nicht mehr in Kutschen übers Land. Sie sitzen in den Werbeabtei­lungen der Kosmetik-Firmen.

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