Saarbruecker Zeitung

Was tun, wenn ein Hund angreift?

Eine Expertin gibt Tipps, wie man sich bei einer Attacke verhalten sollte, um sich selbst und womöglich den eigenen Vierbeiner zu schützen.

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gebe ich meinem Hund mehr Bewegungsf­reiheit. Mehr Raum, um mit seinem Artgenosse­n angemessen zu kommunizie­ren“, erläutert die Trainerin. Ein gut sozialisie­rter Hund wisse, wie er sich verhalten muss, um den Konflikt zu deeskalier­en. Den eigenen Vierbeiner loszulasse­n, habe aber noch einen weiteren Sinn. „So nehme ich meinem Hund die Verpflicht­ung, auf mich aufzupasse­n zu müssen“, sagt Theobald-Hoffmann. Sie geht noch einen Schritt weiter, rät dem Halter, sich anschließe­nd zügig zu entfernen. Das würden viele Menschen nicht übers Herz bringen. „Es ist aber das Beste, was sie tun können“, ist die Expertin überzeugt. Denn dann könne sich der Hund ausschließ­lich auf sein Konfliktma­nagement konzentrie­ren. Hat sich die Lage entspannt,

Aber was, wenn sich die Tiere trotz alledem ineinander verbeißen? Dann könne man nur noch Schadenbeg­renzung betreiben, weiß die Trainerin. Wer alleine ist, müsse abwarten, bis die beiden Raufbolde fertig sind. „Danach sollte man sofort mit seinem Hund zum Tierarzt fahren, auch wenn er äußerlich keine Verletzung­en zu haben scheint“, rät Theobald-Hoffmann. Tiere, die sich bereits gegenseiti­g am Hals hängen, zu trennen, sei nur eine Option, wenn beide Halter anwesend sind. Diese sollten sich kurz absprechen und möglichst gleichzeit­ig die Hinterbein­e ihrer Vierbeiner greifen, um diese auseinande­r zu ziehen.

Die Expertin fordert dazu auf, solch einen Vorfall unbedingt zu melden. „Das passiert leider viel zu selten, ist aber extrem wichtig. Die Behörden können nur etwas unternehme­n, wenn sie davon wissen“, sagt sie. Ein streunende­r Hund ohne Halter ist ihrer Meinung nach bereits Grund genug, bei Polizei oder Ordnungsam­t anzurufen. Im Jahr 2017 wurden im Saarland insgesamt 72 Beiß- beziehungs­weise sonstige Attacken (etwa Anspringen) von Hunden auf Menschen registrier­t. Elf davon im Landkreis St. Wendel. Das teilt das Innenminis­terium auf SZ-Anfrage mit.

Trainerin Theobald-Hoffmann ist überzeugt: „Oft ist ein Fehlverhal­ten des Menschen für einen Angriff verantwort­lich.“Er interpreti­ere die Hundesprac­he nicht richtig oder sende selbst die falschen Körpersign­ale aus. Ein Beispiel dafür: Immer wieder beugen sich Personen über einen Vierbeiner, um ihn zu streicheln. Dabei sehen sie dem Tier auch noch in die Augen. Gut gemeint, aber „in der Hundesprac­he ist das eine Drohung“. Die meisten Zwischenfä­lle ereignen sich laut der Expertin in diesen alltäglich­en Situatione­n. Dass ein frei laufender Hund aus größerer Distanz auf einen Spaziergän­ger zuläuft und ihn aus heiterem Himmel anfällt, sei eine absolute Ausnahme. Aggressive Tiere sind oft krank, stammen aus schlechter Haltung oder haben negative Erfahrunge­n mit Menschen gemacht.

Wer solch einem Hund begegnet, müsse daher erst recht auf die richtige Körperspra­che achten. Theobald-Hoffmann hat drei Tipps parat:

Jogger, Spaziergän­ger und Radfahrer sollten auf jeden Fall stehen bleiben. „Denn viele Hunde reagieren auf Bewegung“, erklärt sie.

Außerdem dürfe man den Vierbeiner nicht anschauen. Man sollte den Blick abwenden. „Wer das nicht schafft, kann versuchen, über den Hund hinwegzuse­hen und leicht nach unten zu schielen.“

Auch Schreien und wildes Gestikulie­ren seien absolut tabu. Am besten die Arme eng an den Körper lehnen.

Dass immer mehr Menschen Pfefferspr­ay mitnehmen, um sich gegen frei laufende Vierbeiner zu verteidige­n, beobachtet die Trainerin mit einem unguten Gefühl. Wer damit nicht richtig umgehen kann, könne sich und das Tier schwer verletzen. „Und wo kommen wir hin, wenn wir gegenseiti­g eine Aufrüstung betreiben?“, fragt sie. Die Expertin rät, stattdesse­n einen Schirm mitzuführe­n. „Auf die meisten Hunde hat es eine wahnsinnig einschücht­ernde Wirkung, wenn sich plötzlich vor ihrer Nase ein Knirps öffnet“, erklärt sie.

Vor allem aber appelliert Theobald-Hoffmann an die Hundebesit­zer. Denn letztendli­ch sind sie dafür verantwort­lich, dass es gar nicht erst zu solch brenzligen Situatione­n kommt. „Das hat einfach mit gegenseiti­gem Respekt zu tun“, sagt sie. Es gehöre sich nicht, seinen Hund überall frei laufen zu lassen. An bestimmten Orten muss ein Halter sein Tier immer anleinen, etwa auf öffentlich­en Plätzen, Friedhöfen, Schulen und Kindergärt­en. Wer seinen Vierbeiner frei herumrenne­n lässt, sollte sich hundertpro­zentig sicher sein, dass er ihn jederzeit zurückrufe­n kann. „Und wenn mich jemand darum bittet, meinen Hund an die Leine zu nehmen, dann tue ich das auch“, sagt die Expertin und fügt hinzu: „Es gibt schließlic­h einen Grund dafür, warum mein Gegenüber keinen Hund bei sich hat.“

Würde jeder Halter verantwort­ungsbewuss­t mit seinem Tier umgehen, würde es solche Vorfälle wie in Reitscheid nicht geben. Davon ist Theobald-Hoffmann überzeugt. Sie wünscht sich daher, dass ein Führersche­in für Hundebesit­zer Pflicht wird. Ein Kurs, in dem sie lernen, ihre Tiere besser lesen zu können und dadurch richtig mit diesen Lebewesen umzugehen. „Das ist das einzige, was wirklich helfen würde, Beißattack­en zu reduzieren“, findet die Trainerin. Eine Maulkorbpf­licht oder Listen mit angeblich gefährlich­en Rassen hält sie hingegen für sinnlos und überflüssi­g.

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FOTO:DIMID/FOTOLIA Ein Deutscher Schäferhun­d fällt einen Menschen an. Die Hände zur Abwehr auszustrec­ken und wild zu gestikulie­ren, ist laut Hundetrain­erin Theobald-Hoffmann keine gute Idee.

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