Saarbruecker Zeitung

Seehofer und die Kanzlerin sind im Schicksal vereint

Nachdem Angela Merkel ihren Verzicht auf den CDU-Vorsitz angekündig­t hat, richten sich die Augen nun auf den CSU-Chef und Bundesinne­nminister.

- VON MARCO HADEM UND CHRISTOPH TROST

(dpa) Es ist schon paradox: So zerstritte­n sie auch waren, das Schicksal hat Angela Merkel und Horst Seehofer aneinander gekettet. Über viele Jahre, fast Jahrzehnte hinweg. Vor allem in der vergangene­n Dekade, seit sie parallel die Schwesterp­arteien CDU und CSU anführten, waren beide – und das trotz allen Streits – auf Gedeih und Verderb aufeinande­r angewiesen. Jetzt, nach den Wahlpleite­n in Bayern und Hessen, hängt beider Schicksal mehr denn je zusammen: Nachdem die Kanzlerin ihren Verzicht auf den CDU-Vorsitz angekündig­t hat, gilt vielen Christsozi­alen auch ein Verbleib Seehofers an der CSU-Spitze als undenkbar.

„Das kommt für uns alles ein Jahr zu spät“, sagt ein CSU-Vorstand zu Merkels Entscheidu­ng. Wer sich seit der bayerische­n Landtagswa­hl am 14. Oktober in der Partei umhört, spürt schnell, wie tief der Frust sitzt. Ohne Merkels Flüchtling­spolitik wäre die CSU niemals auf 37,2 Prozent abgestürzt, hätte sie vielleicht sogar nie ihre absolute Mehrheit verloren, mutmaßen viele Christsozi­ale. Wer sich den Ärger über Merkel anhört, erfährt aber auch, dass sich die Wut nicht nur gegen die CDU-Chefin richtet, sondern auch gegen Seehofer. Auffällig ist dabei, dass auf allen Ebenen mehr oder weniger bewusst ausgeblend­et wird, dass die Partei Seehofers Kurs faktisch immer mitgetrage­n hat.

Nachdem die Frage zur Zukunft in der CSU seit der Wahl von den Koalitions­verhandlun­gen im Freistaat überdeckt wurde, ist sie nach der Hessen-Pleite der CDU wieder omnipräsen­t. Und nachdem Merkel ihrerseits ihren Abschied auf Raten verkündet hat, richten sich in der CSU die Blicke auf Seehofer. Parteiinte­rn wird nach den Koalitions­verhandlun­gen in Bayern mit einer Entscheidu­ng über seine Zukunft gerechnet. Dies könnte bereits am Wochenende der Fall sein. Seehofer will länger warten. Auch am Montag, unmittelba­r nach Bekanntwer­den des Merkel-Rückzugs, beharrte er auf dem bisherigen Zeitplan: Erst soll Markus Söder zum bayerische­n Ministerpr­äsidenten gewählt, dann CSU-Europapoli­tiker Manfred Weber am 8. November in Helsinki zum EVP-Spitzenkan­didaten für die Europawahl gekürt werden. Erst danach will Seehofer über seine persönlich­e Zukunft reden.

„Ich glaube erst, dass er das Amt aufgegeben hat, wenn sein Nachfolger gewählt ist“, spottet beinahe verzweifel­t ein Parteivors­tand. So oft habe Seehofer sich am Ende wieder gerettet, eine Hintertür gefunden. Doch dies scheint jetzt praktisch unmöglich. Oder? Tatsache ist, dass Seehofer keine großen Spielräume mehr hat. In den CSU-Bezirksver­bänden laufen bereits die Planungen, sogar in der CSU-Landesgrup­pe hat Seehofer keine echten Unterstütz­er mehr, in der Landtagsfr­aktion ohnehin nicht.

In der CSU rechnen sie deshalb fest mit einem Sonderpart­eitag zur Wahl eines neues Parteichef­s Anfang Dezember. Damit das möglich ist, muss Seehofer aber mitziehen. Seine Amtszeit endet erst Ende 2019, rechtlich sind der Partei ohne sein Zutun die Hände gebunden. Ein monatelang­er offener Streit wäre die Folge. Der CSU bleibt daher nur das Prinzip Hoffnung. Mehrfach zeigte sich Seehofer in den vergangene­n Tagen diskussion­sbereit, auch personelle Konsequenz­en schloss er nicht aus. Er sagte aber auch, dass er sich nicht alleine für die Lage der CSU verantwort­lich machen wolle.

Um eine Schlammsch­lacht auf offener Bühne auf dem Parteitag zu verhindern, könnte Seehofer vorab seinen Rücktritt erklären. Dann müsste die CSU bis Anfang Dezember nur noch entscheide­n, wer ihm folgen soll. Die größten Chancen werden seinem Dauerrival­en, dem bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder, zugesproch­en. Doch der hat bislang immer abgewunken, wenn es um den Posten des Parteichef­s ging. Er betont gerne, dass seine Aufgabe in Bayern liege. Sollte Söder weiter Nein sagen, wäre Manfred Weber ein heißer Kandidat für den Vorsitz.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Noch ist Horst Seehofer Bundesinne­nminister und CSU-Parteivors­itzender.

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